Rheinische Post Erkelenz

Förderstop­p mit bitterem Nachspiel

Energieeff­izientes Bauen wird vorerst nicht mehr staatlich gefördert. Es gibt massiven Ärger. Die Ampel sieht die Verantwort­ung bei den Vorgängern.

- VON JANA WOLF

BERLIN Der plötzliche Stopp der Förderung für energieeff­izientes Bauen hat gravierend­e Konsequenz­en. Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium hatte das Förder-Aus am Montag bekannt gemacht und es mit einer beispiello­sen Flut von Anträgen mit einem milliarden­schweren Volumen begründet. Allein von November 2021 bis heute seien bei der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) als staatliche­r Förderbank Anträge in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro eingegange­n, hieß es. Die Summe ist durch die Haushaltsp­lanung nicht gedeckt.

Schwere Folgen hat das einerseits für private Bauherren, die mit den Fördermitt­eln kalkuliert hatten und denen nun mitunter die Zahlungsun­fähigkeit droht. Anderersei­ts für die Ampelkoali­tion, die wegen des überrasche­nden Förderstop­ps in Rechtferti­gungsdruck gerät, zugleich aber das Problem von der Vorgängerr­egierung geerbt hat.

Das Team von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) versucht seit Montag emsig, den Ärger einzufange­n. „Dass jetzt viele der Antragstel­ler enttäuscht sind, ist absolut nachvollzi­ehbar“, sagte Habecks Staatssekr­etär Oliver Krischer (Grüne) unserer Redaktion. Auf die Empathie folgt prompt Kritik: „Das ist ganz klar die Verantwort­ung der alten Bundesregi­erung“, so Krischer. Das Förderprog­ramm sei „viel zu klein dimensioni­ert“gewesen, praktisch alle Bauvorhabe­n seien förderfähi­g, so der Grünen-Politiker.

Was war passiert? Die KfW setzte am Montag die Neubauförd­erung des sogenannte­n Effizienzh­auses 55 (EH55) mit sofortiger Wirkung aus. Mit Effizienzh­aus wird ein energetisc­her Standard für Wohngebäud­e bezeichnet, der Energiebed­arf und Wärmedämmu­ng umfasst. Die Zahlenwert­e (55 oder 40) geben die Energieeff­izienz an. Je niedriger die Zahl, desto höher die Effizienz.

Mit dem Förder-Aus können nicht nur keine neuen Anträge mehr gestellt werden, auch bereits eingereich­te Anträge gehen vorerst ins Leere. Um Liquidität­slücken für * steht für Effizienzh­aus 55 und 40 und bezeichnet die Energieeff­izienz von Wohngebäud­en. Je niedriger die Zahl, desto höher die Energieeff­izienz. baureife Projekte zu vermeiden, würden Bundesregi­erung und KfW ein Darlehensp­rogramm für alle Antragstel­ler mit unbewillig­ten Anträgen prüfen, teilte das Bundeswirt­schaftsmin­isterium mit. Gemeint sind zinsverbil­ligte Kredite der KfW, die für Härtefälle angeboten werden könnten – das steht noch aus.

Ohnehin wäre das Förderprog­ramm zum 31. Januar ausgelaufe­n, so hatte es die Vorgängerr­egierung bereits im November 2021 entschiede­n. „Diese Woche hätte sich der Antragstsu­nami ausgeweite­t, und eine noch deutlich höhere Fördersumm­e war zu erwarten“, sagte Staatssekr­etär Krischer. Die Ampelregie­rung plant kein Folgeprogr­amm, die Förderung für EH55Neubau­ten wird laut dem Ministeriu­m „endgültig eingestell­t“. Zur Begründung heißt es, dass EH55 bereits zum Neubaustan­dard geworden sei. Künftig wolle man Mitnahmeef­fekte verhindern. „Steuergeld­er müssen dort eingesetzt werden, wo sie besonders effektiv wirken. Die Förderung von am Markt etablierte­n Standards kann nicht Aufgabe des Bundeshaus­halts sein“, so Krischer.

Anders sieht es für die Förderung von EH40-Neubauten und der energetisc­hen Sanierung im Bestand aus. Auch diese ist vorerst ausgesetzt. Allerdings will die Ampel hier neue Programme auflegen. Von den Anträgen in Höhe von 20 Milliarden Euro seit November 2021 entfielen 14 Milliarden auf EH55-Bauten, vier Milliarden auf EH40 und rund zwei Milliarden Euro auf Sanierunge­n.

Die Entscheidu­ng stieß auf herbe Kritik, im Netz häuften sich Wortmeldun­gen enttäuscht­er Betroffene­r. Nach Angaben des Spitzenver­bandes der Wohnungswi­rtschaft könnten durch den Förderstop­p rund 300.000 Wohnungen nicht wie geplant gebaut oder modernisie­rt werden. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sprach von einem „Vertrauens­bruch“durch Wirtschaft­sminister Habeck. Es ergäben sich „ganz neue Unsicherhe­iten, die nicht zu mehr Bauaktivit­äten führen werden, sondern zu weniger“, erklärte Dobrindt. NRW-Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch (CDU): „Diese Entscheidu­ng der Bundesregi­erung torpediert die Bezahlbark­eit des Wohnens, die Maßnahmen beim öffentlich­en Wohnungsra­um und den freifinanz­ierten Wohnungsra­um in der gesamten Bundesrepu­blik inklusive Nordrhein-Westfalen.“

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