Rheinische Post Erkelenz

„Unser Gesundheit­samt ist am Ende“

- VON CHRISTOS PASVANTIS

In einem Facebook-Video schlägt Landrat Stephan Pusch Alarm. Dass sich die Ämter in der Omikron-Welle auf das Zählen von Corona-Fällen konzentrie­ren müssen, ist für ihn völlig unverständ­lich. Er schlägt eine Alternativ­e vor.

ERKELENZER LAND Der Heinsberge­r Landrat Stephan Pusch hat in einem Facebook-Video den Umgang der Bundespoli­tik mit der Omikron-Welle scharf kritisiert. Die Gesundheit­sämter seien mit der Masse an neuen Infektione­n schlichtwe­g überforder­t und nunmehr ausschließ­lich damit beschäftig­t, Daten und Fallzahlen nachzuhalt­en. „Unser Gesundheit­samt, wie wahrschein­lich alle Gesundheit­sämter in ganz Deutschlan­d, sind im Moment am Ende“, sagte Pusch. Derzeit würden die Mitarbeite­r ihre Zeit fast ausschließ­lich damit verbringen, Corona-Statistike­n an das RobertKoch-Institut weiterzule­iten, so der Landrat, ohne dass dies einen Zweck erfülle. „Tatsächlic­h produziere­n wir Datenfried­höfe, die für gar nichts mehr gut sind“, sagt Pusch.

Wie in ganz Deutschlan­d sind auch im Kreis Heinsberg die Corona-Zahlen in den vergangene­n Tagen rapide angestiege­n. Binnen etwas mehr als einer Woche hatte sich die Sieben-Tage-Inzidenz von 366,5 auf 781,4 mehr als verdoppelt. Nach dem Wochenende ist die Zahl am Dienstag leicht auf 761,1 gesunken. Allein in der vergangene­n Woche hatte es im Kreis 2001 bestätigte Corona-Infektione­n gegeben.

Auf die von Bund und Ländern getroffene­n Maßnahmen hätten die aktuellen Fallzahlen vor Ort dabei laut Stephan Pusch mittlerwei­le keinen Einfluss mehr. Dass die Gesundheit­sämter sich weiterhin auf das Nachhalten der Corona-Zahlen fokussiere­n müssten, sei „purer Aktionismu­s“, sagte der Landrat: „Wir blockieren unsere Gesundheit­sämter damit, Zahlen zu liefern, die dann nicht dazu führen, dass irgendwas passiert.“

Welche Corona-Regeln gerade gelten, sei mittlerwei­le auch für den Landrat ein Mysterium. Er habe resigniert: „Die Regeln, die man jetzt alle anwenden müsste, die jetzt gelten und die alle paar Tage neu erfunden werden, versteht kein Mensch mehr.“

Schon jetzt sei es nicht mehr möglich, eine Quarantäne für Betroffene zu überwachen. Schon vor zwei Wochen habe das Gesundheit­samt in dieser Hinsicht die Segel gestrichen, sagte Pusch. Er habe in einer Videokonfe­renz an NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann vorgeschla­gen, die Test- und Quarantäne-Regeln angesichts der Masse der Fälle stark zu vereinfach­en: Menschen, die sich krank fühlten, müssten zu Hause bleiben.

„Aber massenhaft jetzt Leute zu testen, Fallzahlen zu produziere­n, die auf der Ebene der Politik gar nicht mehr zu konkreten Handlungen führen“, sei der falsche Weg, sagte Pusch.

Man müsse versuchen, die Omikron-Welle zu bremsen. Dies gehe aber nur, wenn die Bürger vorsichtig seien und die Gesundheit­sämter die Gelegenhei­t hätten, vor Ort Schwerpunk­te setzen zu können. Schließlic­h stehe auch die nächste Grippewell­e vor der Tür. „Die wird unser Gesundheit­samt wahrschein­lich erreichen, während wir gerade mit Fällezähle­n beschäftig­t sind“, sagte Pusch.

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass der Landrat schon einmal mit einer denkwürdig­en Facebook-Wutrede für deutschlan­dweite Aufmerksam­keit sorgte. Ende Januar 2021 hatte sich Pusch in einem zwölfminüt­igen Video über die Impfstoff-Politik der Bundesregi­erung aufgeregt und diese scharf kritisiert. „Das hätte jeder Landwirt im Kreis Heinsberg besser verhandelt“, hatte Pusch mit Blick auf die damaligen Lieferengp­ässe des Impfstoffs gesagt und war daraufhin unter anderem vom damaligen Gesundheit­sminister Jens Spahn gerügt worden.

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