Friede, Freude, Stadtschützenfest
Ein König trifft trotz ArmVerletzung, eine Generalin führt das Regiment an und 30.000 Menschen feiern allein am Sonntag auf dem neuen Festplatz Alter Markt: Das Stadtschützenfest 2023 bot am Wochenende viel Neues. Und vor allem viele Emotionen.
MÖNCHENGLADBACH Michael Serricchio war erst wenige Sekunden auch offiziell neuer Bezirkskönig, da bebte sein Atem, und die Tränen kamen ihm aus den Augen. Der frisch gekrönte 50-Jährige schritt im Gladbacher Münster bei der Krönungsmesse zur Fanfare mit seinen Ministern Dirk Velten und Oliver Klomp zu den Plätzen, da packten die Emotionen den König des Bürger-Schützen-Vereins St. Hermann-Josef Speick – und man reichte ihm ein Taschentuch.
Mönchengladbach hat einen neuen Bezirkskönig – und ein neues Stadtschützenfest obendrein, das erstmals auf dem Alten Markt gefeiert wurde und am Samstag und Sonntag zu einem wahren Besuchermagneten wurde. Als dort am Samstag der Vogel mit dem 57. Schuss fiel, reckte Serricchio die linke Faust in den Himmel. Die rechte blieb unten. Im geschienten Verband, frisch operiert nach einem Unfall mit einem Glas beim Speicker Schützenfest eine Woche zuvor. Das hielt ihn aber nicht davon ab, Bezirkskönig zu werden. „Mit links, mit links“, rief Serricchio außer sich vor Freude, und dann ergoss sich der Jubel über ihn. Allen voran seine Frau Sabine, sein Präsident Markus Effertz und Bezirksbundesmeister Horst Thoren, und dann folgten auch schnell die Mitbewerber beim Königsschuss um die Bezirkskönigswürde beim Stadtschützenfest 2023. Wenn der Fernfahrer am Dienstag wieder zur ärztlichen Behandlung seiner Hand kommt, dann als gekrönte Majestät.
Als Minister stehen ihm Dirk Velten (57), König der St. Vitus-Laurentius Bruderschaft Stadtmitte, und Oliver Klomp (50), König der St. Josef Bruderschaft Geistenbeck zur Seite. „Wir freuen uns jetzt darauf, ein schönes Jahr zu haben und viel Freude zu erleben“, kündigte Velten an.
Die gab es am Sonntag zum Festumzug und zur Parade reichlich: 30.000 Menschen waren nach Angaben des Bruderrates allein am Sonntag auf dem Alten Markt dabei, als 2500 Schützen und Musiker die neue Majestät ehrten. Den Alten Markt erreichte Serricchio mit seinen Ministern und Königsadjutant Marcel Neunkirchen aber anders als geplant zu Fuß. Zu Beginn des Festumzugs hatten sie in der Königskutsche Platz genommen. Doch unterwegs auf der Viersener Straße begann bei einem der beiden Pferde, die Nase zu bluten. Das Pferd wurde zur Vorsicht aus dem Gespann genommen und zum Tierarzt gebracht. König und Minister gingen zu Fuß weiter zum Alten Markt, und das Pferd wurde versorgt. „Es ist nichts passiert, dem Pferd geht es gut“, hieß es am frühen Abend vom Bruderrat.
Mit Pferden kennt sich die neue
Generalin Vanessa Odermatt als geübte Reiterin bestens aus. Sie war es, die die Parade im Zwiegespräch mit Oberbürgermeister Felix Heinrichs eröffnete – zum ersten Mal. Aber nicht nur der Bezirkskönig, sondern auch der englische König Richard Löwenherz (gespielt von Norbert Bude) und Robin Hood (gespielt von Barbara Gersmann) verfolgten das Schützentreiben aufmerksam. „Ich kam vom Kreuzzug zurück, wollte nicht nach Köln, sondern auf dem Alten Markt Rast machen. Da hatte das Vith zu“, scherzte Löwenherz.
Beim Schützenfest geht es aber nicht nur darum, zu feiern und Freude zu teilen. In der Krönungsmesse ging es vor allem um den Wunsch nach Frieden. „Wo wir jetzt stehen, waren vor 80 Jahren Trümmer. Die halbe Stadt lag in Schutt und Asche“, sagte Thoren und erinnerte damit an die verheerenden Bombenangriffe
vom 31. August 1943. „Das ermahnt uns, dass Glück nur im Frieden und in Freiheit zu finden ist. Krieg kennt nur Verlierer. Wer glaubt, einen Krieg gewinnen zu können, hat ihn im Herzen schon verloren.“Propst Peter Blättler sagte in seiner Predigt in Anlehnung an den Westfälischen Frieden vor 375 Jahren: „Friede ist das absolut höchste Gut, es gibt nichts Kostbareres.“Und er mahnte angesichts der aktuellen Situation in der Ukraine: „Wir leben in einer Zeit, in der die Kriege wieder neue Konjunktur haben. Es liegt an uns, das Gespräch zu suchen, und die Hoffnung auf den Frieden nicht aufzugeben.“
Beim Empfang des Oberbürgermeisters im Rathaus Abtei am Sonntag sagte Heinrichs, die Idee, das Stadtschützenfest zu einem Fest für alle in der Altstadt zu machen, sei eine sehr gute gewesen. „Das Stadtschützenfest
ist gewachsen. Wir zeigen gemeinsam Flagge für die Stadt und für das Brauchtum“, sagte auch Thoren. Die Altstadtwirte machten den Alten Markt und die Waldhausener Straße mit Konzerten von „Just is“und dem Gipsy-Gitarristen Rafael de Alcala sowie dem Altstadttrödel am Sonntag zu einem einzigen großen Festwochenende. „Das ist eine große Bereicherung für unsere Altstadt“, sagte Altstadt-Kümmerer Josef Vitz. „So voll war es noch nie. Anwohner und Wirte sind sehr zufrieden.“In der Außengastronomie war am Sonntag jedenfalls kaum ein Platz frei. Menschen genossen Sonne, Stimmung und die paradierenden Schützen. „Ich habe den Alten Markt noch nie so voll gesehen“, sagte Heinrichs. „Im nächsten Jahr machen wir das wieder so.“Mönchengladbach hat offenbar einen neuen Festplatz.