Gott ist kein Marionettenspieler
Warum erlaubt Gott Krieg? Oberkirchenrat i.R. Klaus Eberl meint, dass es keine hilfreiche Antwort gibt
Ein seltsames Weihnachtsfest wartet auf uns. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, Terror und Krieg im Nahen Osten, Finanzprobleme, ein fiebriger Planet, der sich verheizt und Millionen Menschen auf der Flucht. Privat sieht es oft nicht besser aus. „Wie kann Gott das zulassen?“, möchte man ausrufen.
Vorschnell wird die falsche Frage gestellt, auf die es keine hilfreiche Antwort geben kann. Sie setzt nämlich einen Gott voraus, der die Welt von oben herab steuert, der Glück oder Leid, Krieg und Frieden inszeniert. Aber der Gott der Bibel ist kein Marionettenspieler. Er kommt als Kind in der Krippe zur Welt und geht seinen Weg durch alle Krisen hindurch ans Kreuz. Der Mensch, den er sich erwählt hat, ist frei. Und – das ist die unangenehme Seite der Freiheit – der Mensch ist selbst verantwortlich für den Zustand der Welt.
Gott wird ein Kind. Das ist der Kern der Weihnachtsgeschichte. Ein befreundeter Pfarrer pflegte zu Weihnachten Rätsel-Zeichnungen zu verschicken. Einmal erreichte
mich eine Karte mit der Aufschrift „Hirte auf dem Heimweg – er ist noch ganz voll davon.“Auf der Rückseite der Karte eine Zeichnung. Ein Mensch. Wahrscheinlich der Hirte. Er ist dem Kind begegnet. Er ist voll davon! Wovon? Da sehe ich die Buchstaben: P – A – X. Frieden! Der Buchstaben-Hirte ist auf dem Heimweg. Das Kind im Stall von Bethlehem hat ihn erfüllt mit der weihnachtlichen Friedensbotschaft. Pax! Man kann es ihm ansehen. Pax – das ist sein Auftrag.
Ungelenk, wie dieser Mensch unterwegs ist, bemerkt man erst auf den zweiten Blick, was in ihm steckt. In unserer gewaltverliebten Welt ist Frieden stets bedroht. Zugedeckt von Krieg, Gewalt und Streit. Frieden ist da, gewiss – aber verborgen. Es braucht Menschen, die sich ganz und gar von dieser Botschaft erfüllen lassen, damit die Botschaft wieder sichtbar wird. Pax! Wie der Hirte. Das Evangelium macht einfache Leute zu Zeugen der Christgeburt. Hand auf’s Herz: Wie kann ich, wie können wir
Verantwortung für die Zukunft unserer Welt übernehmen?
An Weihnachten schmerzt die Friedlosigkeit der Welt besonders stark. Denn eine andere Welt wäre möglich. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“hieß es 1948 bei der Vollversammlung des Ökumenischen Rates in Amsterdam. „Nie wieder!“hat man sich nach der Katastrophe des Weltkriegs versprochen. Das alles scheint vergessen zu sein. Die zahllosen Kriege, Kämpfe, Attentate und Krisenherde desillusionieren. Eine Welt ohne Krieg. Das ist eine Illusion, so scheint es. Dennoch glauben Christen, dass von Krippe und Stall, also von Jesus, die Kraft zur Versöhnung ausgeht. Gott wird Kind. Der wahre Mensch wählt die Perspektive von unten, um einen neuen Anfang zu machen.
Es wird – hoffentlich bald – eine Zeit geben, in der die Waffen schweigen. Dann braucht es Menschen in den Zivilgesellschaften, die den abgerissenen Gesprächsfaden aufnehmen. Menschen, die Vertrauen wagen, Menschen, die ganz erfüllt sind von Pax, von dem Frieden Gottes, der von Krippe und Kreuz ausgeht. Der Hirte ist es jedenfalls - erfüllt.