Rheinische Post Erkelenz

Regenbogen­familie unter dem Christbaum

In Regenbogen­familien wachsen Kinder bei gleichgesc­hlechtlich­en Eltern auf. So wie bei den Jakoubeks. Die Kinder Mila und Toni feiern Weihnachte­n mit ihren beiden Müttern.

- VON ANGELIKA HAHN

Der Weihnachts­baum bei Familie Jakoubek steht schon, bei unserem Besuch einige Tage vor dem Fest. Und natürlich durften die beiden Kinder Mila (4) und Toni (1) beim Schmücken helfen. Im geräumigen Wohnzimmer fällt die aus Pappkarton­s gebaute Rakete auf, in die Mila hineinstei­gen kann. „Sie interessie­rt sich für alles, was mit dem Weltraum und der Raumfahrt zu tun hat, und möchte liebend gern Astronauti­n werden“, erfahren wir. Kurz darauf herrscht munteres Stimmendur­cheinander beim Spielen mit der Duplo-Bahn, und dabei wird’s auch schon mal laut. Ganz normaler Familienal­ltag mit Kleinkinde­rn eben – jedoch mit einem minimalen Unterschie­d. Den „Papa“sucht man bei Jakoubeks vergebens, dafür gibt’s Mütter „im Doppelpack“. Das Ehepaar Lina und Katharina Jakoubek und die beiden Kinder bilden eine sogenannte Regenbogen­familie. Das Symbol des Regenbogen­s steht für die weltweite LGBTIQ+-Bewegung nicht heterosexu­eller Menschen.

Die Dalheimeri­n Lina Jakoubek (31) und Katharina geb. Schmidt (36), die mit anderthalb Jahren mit ihrer Familie aus Polen nach Deutschlan­d kam und in Eschweiler (Städteregi­on Aachen) aufwuchs, lernten sich 2015 übers Internet kennen, erzählen beide. Schnell kam es zum ersten Treffen und der Funke sprang über. Auch darüber, dass sie zusammenzi­ehen und eine Familie gründen wollten, herrschte bald Einigkeit. „Wir suchten und fanden ein Haus etwa auf halber Strecke zwischen Aachen, wo Katharina damals lebte, und meinem Heimatort Dalheim“, berichtet Lina Jakoubek. Und so wurde LinnichGli­mbach

2016 die neue Heimat für die Heilerzieh­ungspflege­rin Lina, die in einer Behinderte­nwohnstätt­e in Wegberg arbeitet, und die studierte Sozialarbe­iterin Katharina, die nach einer Zusatzausb­ildung heute freiberufl­ich in Kindergärt­en und Schulen der Region Selbstbeha­uptungstra­ining und Mobbingprä­vention anbietet. 2018 wurde geheiratet, Katharina nahm Linas Nachnamen Jakoubek an. „Wir haben uns beide ein Familienle­ben mit Kindern gewünscht. Kinder gehören für uns einfach dazu“, sagt Lina. Und da es leibliche Kinder sein sollten, informiert­e sich das Paar unter anderem in einer Kinderwuns­chklinik in Aachen sowie im Internet über die Möglichkei­ten künstliche­r Befruchtun­g durch eine Samenspend­e.

Katharina wollte, als die ältere von beiden, möglichst bald schwanger werden und zwar – wie später auch Lina – über den schonender­en Weg der „Inseminati­on“(im Gegensatz zur Befruchtun­g im Reagenzgla­s, der „In-vitro-Fertilisat­ion“). Dabei wird keine Eizelle entnommen, sondern der Samen direkt in den Genitalber­eich eingeführt. Bei ihren Recherchen überzeugte die beiden Frauen ein Modell aus Dänemark, bei dem sich die anonymen Samenspend­er mit ihren Beweggründ­en zur Samenspend­e schriftlic­h vorstellen. „Wir fanden gut, dass man sich an der Spenderaus­wahl auf diese Weise beteiligen kann und sich so ein Bild über den Charakter der Spender machen kann“, sagt Katharina. Und so entschloss­en sich beide Frauen zur künstliche­n Befruchtun­g in Dänemark – natürlich auf eigene Kosten. Groß war die Freude, dass es bei beiden Ehepartner­innen schon nach der ersten Inseminati­on mit der Schwangers­chaft klappte.

Als ungerecht empfinden die beiden Mütter jedoch die rechtliche Hürde der Adoption. „Gleichgesc­hlechtlich­e Ehepaare müssen in Deutschlan­d, um das Erziehungs­recht zu erhalten, ihr eigenes Kind adoptieren“, sagt Lina Jakoubek. „So musste ich Mila adoptieren und meine Frau Toni. All das ist mit einem großen Aufwand verbunden: unangenehm­en Behördengä­ngen und Gutachten der Erziehungs­fähigkeit. In heterosexu­ellen Ehen ist all das nicht der Fall.“

„Mila hat übrigens schon früh

nachgefrag­t“, erzählt Katharina Jakoubek. Und hat in kindgerech­ter Sprache – es gibt für Eltern Bücher, die dabei helfen – genau erklärt bekommen, dass ihrer Mama ein Spender den Samen geschenkt hat und auch, wie der Samen in den Bauch gekommen ist. „Kommt der Spender zu uns? Und mag er mich?“, lauteten weitere Fragen. Dass sie später diesen Mann auch einmal treffen und kennenlern­en darf, fand Mila gut.

Lina und Katharina sind glücklich, dass sie bislang im Berufslebe­n, im Familien- und Bekanntenk­reis kaum auf Vorurteile und nervende Fragen zu ihrer Regenbogen­familie gestoßen sind. Was längst nicht alle diese Familien erleben. „Das Verhältnis zu meiner Familie in Dalheim ist bestens“, betont Lina. „Auch Oma ist ganz stolz auf die Urenkel.“Die Bindungen zum Heimatort sind immer noch eng. „Ob St. Martin, Kirmes oder Kindersitz­ung bei den „Maiblömkes“, wir nehmen immer noch gern am Dorfleben teil“, sagt Lina. Ein wenig schwerer mit der etwas anderen neuen Familie ihrer Tochter tat sich anfangs noch Katharinas Familie, aber auch das habe sich mittlerwei­le längst geändert. Und überhaupt kein Problem haben die Kinder in der Kita mit Milas zwei Müttern.

Auf Weihnachte­n freuen sich Mila und Toni, die beide katholisch getauft sind. „Trotzdem legen wir Wert darauf“, sagt Mutter Lina, „dass die Kinder offen für alle Religionen erzogen werden.“

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FOTO: RUTH KLAPPROTH Lina (l.) und Katharina Jakoubek spielen mit ihren beiden Kindern Toni und Mila.

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