Rheinische Post Erkelenz

Ein Mutmacher für introverti­erte Kinder

Larissa Sonntag aus Hückelhove­n hat ein Buch geschriebe­n, das Eltern und Lehrern als Ratgeber dienen kann. Sie erzählt auch von sich.

- VON MARVIN WIBBEKE

Ihr halbes Leben habe sie damit verbracht, sich zu wünschen, dass sie anders sei. Habe versucht, sich zu ändern, über den sprichwört­lichen Schatten zu springen. Heute macht sie das nicht mehr. Heute hat Larissa Sonntag aus Hückelhove­n erkannt, dass sie gut war, so wie sie war. Introverti­ert, zurückhalt­end, schüchtern. Bis dahin war es ein langer, schwierige­r Weg. Erst im Laufe ihres Studiums habe sie gesehen, wie erfolgreic­h sie auch als schüchtern­e Person sein kann.

Damit auch andere, insbesonde­re Kinder, von ihrem Weg und den Erkenntnis­sen profitiere­n können, hat Larissa Sonntag ein Buch geschriebe­n. „Sprich lauter!“heißt es – und soll dabei helfen, zurückhalt­ende Schüler besser zu verstehen. Autobiogra­phisch ist das Buch aber nicht. Vielmehr ist es eine Art Ratgeber. „Ich zeige dort auch Möglichkei­ten auf, mit denen man den schüchtern­en Kindern den Schulallta­g erleichter­n kann“, sagt Larissa Sonntag. Damit richtet sie sich in erster Linie gar nicht an die Kinder selbst, sondern an Pädagogen und Eltern. Doch sie ist überzeugt, dass auch introverti­erte Kinder etwas mitnehmen können. „Wenn ich das Buch damals gelesen hätte, dann hätte ich mich wahrschein­lich verstanden gefühlt. Dass das System einfach nicht für mich gemacht ist“, sagt sie.

System sei da auch das passende Wort. Denn es handele sich um ein gesellscha­ftliches Problem. „Wir streben in Büchern und sozialen Medien danach, dass jeder so anerkannt wird, wie er oder sie ist – unabhängig von der Hautfarbe, Kleidergrö­ße oder Sexualität“, betont die Hückelhove­nerin. Aber ausgerechn­et bei Kindern werde ein Unterschie­d gemacht. Es werde differenzi­ert, wie oft sie sich in der Schule melden. „Schüchtere Kinder bekommen schlechter­e Noten, weil sie weniger sagen – weil es in ihrer Natur liegt, nicht so mitteilsam zu sein“, sagt sie und spricht dabei auch aus eigener Erfahrung.

Oft habe sie von den Lehrern Sätze zu hören bekommen wie „Du musst dich mehr melden“oder „Meld dich doch mal mehr“. Doch das ist einfach nicht ihr Naturell. So wie eben bei vielen anderen Kindern auch. Und es sei nicht fair, dass die Kinder darunter leiden, eine bestimmte Eigenschaf­t zu haben. „Sie haben Schwierigk­eiten, ihren Traumberuf zu bekommen oder ihr Wissen unter Beweis zu stellen. Sie zweifeln an sich selbst, haben Angst vor der Zukunft. Dabei sind sie doch die schutzbedü­rftigsten Mitglieder unserer Gesellscha­ft“, sagt die Hückelhove­nerin. Und weil sie es schon immer ungerecht gefunden habe, wie zurückhalt­ende Schüler behandelt werden, wollte sie nicht länger nur tatenlos bei zusehen, sondern habe nach einer Möglichkei­t gesucht, selbst etwas an dem System ändern zu können. „Ich habe schon immer gerne geschriebe­n“, sagt sie. Das sei die Ausdrucksf­orm gewesen, die ihr am meisten lag. Doch nur vom Schreiben wird ein Buch nicht veröffentl­icht. „Der letzte Schritt hat mich Überwindun­g gekostet“, sagt sie. Mehrere Wochen habe das fertige Manuskript bei ihr zu Hause gelegen, bis sie sich dazu entschied, es auch zu veröffentl­ichen. Da sie nicht über einen Verlag veröffentl­icht hat, müssen die Bücher jeweils

vorbestell­t werden und werden nach der Bestellung gedruckt.

Gerne würde sie auch mit dem Buch an Schulen kommen und dazu erzählen, wenn das Interesse besteht, sagt sie. Die Bildungsei­nrichtunge­n können sie über ihre sozialen Medien kontaktier­en. Und wenn ihr Buch dazu führen sollte, dass ein Erwachsene­r die eigenen Verhaltens­weisen hinterfrag­t und sich eventuell ändert, werte sie das schon als Erfolg. So etwas an verkauften Büchern festzumach­en, das sei nicht ihr Ansinnen. „Ich möchte, dass sich Kinder nicht mehr fühlen als befänden sie sich in einer Midlife-Crisis. Ich möchte, dass sie ihre Kindheit genießen können und nicht an sich zweifeln, weil sie so sind, wie sie eben sind“, betont sie. Und wenn sie mit ihrem Buch dazu einen Beitrag leisten kann, sei das für sie der größte Erfolg.

„Ich möchte, dass sich Kinder nicht mehr fühlen als befänden sie sich in einer Midlife-Crisis“Larissa Sonntag Autorin

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FOTO: RUTH KLAPPROTH Larissa Sonntag aus Hückelhove­n hat ein Sachbuch über das Problem schüchtern­er Schüler geschriebe­n.

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