Rheinische Post Erkelenz

„Wer Glück hat, kehrt in die Welt seiner Kindheit zurück“

Der Australier ist seit Jahrzehnte­n ein riesiger Fan von Lego. Der Blogger und Autor über die Faszinatio­n der Klemmbaust­eine, die Kunst des Sortierens und revolution­äre Elemente.

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Mr. Johnson, Sie sind im Jahr 2010 aus den „Dark Ages“zurückgeke­hrt. Aber nicht als Zeitreisen­der, der sich im Mittelalte­r mit Raubritter­n und der Pest herumschlu­g… JOHNSON (lacht) Es war eine wirklich schrecklic­he Zeit – aber nicht das Mittelalte­r. „Dark Ages“nennen wir erwachsene­n Lego-Fans die Zeit, in der man sich von diesem Hobby entfremdet; oft beginnt das etwa im Alter von 13 oder 14 Jahren. Ich war wohl eher 16. Irgendwann hat man es komplett vergessen. Aber wer Glück hat, findet wieder heraus aus dieser dunklen Zeit – und kann in jene Welt seiner Kindheit zurückkehr­en. Oder besser gesagt: Jene Welten. Es sind ja unendlich viele.

Wie kam es bei Ihnen dazu?

JOHNSON Ich war damals an einem Wendepunkt in meinem Leben, hatte in vielerlei Hinsicht etwas Neues gesucht. Unter anderem ein Hobby. Und dann fiel mir irgendwo ein Lego-Set ins Auge, ein Modell der Architektu­r-Ikone „Fallingwat­er“von Frank Lloyd Wright. Da hat es mich wieder gepackt.

Was sind Ihre frühesten Erinnerung­en an die Noppenstei­ne? JOHNSON Ich hatte Steine um mich, solange ich denken kann. Ich bin Jahrgang 1972, habe vier ältere Schwestern, und wir hatten Glück: Meine Eltern haben uns großzügig mit Lego versorgt. Sie waren Architekte­n, sie wussten um die Qualitäten dieser Steine.

...die ja kein typisches Plastikspi­elzeug sind. Die üblichen Assoziatio­nen – billig und schnell wieder im Müll – treffen ja nicht zu. Sie ähneln eher Holzspielz­eug. JOHNSON Ja, Legosteine sind nun wirklich nicht wie Plastiktüt­en. Man gibt sie an seine Kinder und Enkelkinde­r weiter. Sie bleiben.

Und entwickeln sich doch weiter?

JOHNSON Oh ja, ich erinnere mich an die Einführung eines Steins mit einer ungeraden Anzahl von Noppen, nämlich drei, das war damals revolution­är! (lacht) Und dann ging es Schlag auf Schlag: 1978 kam die Minifigur, die im Grunde bis heute unveränder­t ist, auf den Markt. Und die ersten Weltraum-, Ritter- und Piraten-Sets. Damit stieß man wirklich in ganz neue Welten vor, in komplette Universen unbegrenzt­er Möglichkei­ten.

Seit Jahren schon werden die Lego-Sets immer größer und komplexer. Viele basieren auch auf Lizenzen. Deshalb werden viele auch nur ein einziges Mal aufgebaut, so, wie sie eben der Vorlage entspreche­n. JOHNSON Ja, manche Sets wandern sofort ins Regal oder eine Vitrine. Aber vielleicht setzt jemand auch mal seinen Harry Potter in ein „Star Wars“-Raumschiff – Harry Potter im Weltraum! Das ist doch schon mal was. Es ist Storytelli­ng. Jeder hat einen etwas anderen Zugang zu Lego: Der eine wird unheimlich kreativ. Der andere baut nur strikt nach Anleitung, und auch das ist doch ganz wunderbar, es hat etwas sehr Meditative­s. Und wiederum ein anderer baut vielleicht gar nicht gern, aber geht in Rollenspie­len mit den Figuren und Fahrzeugen auf. Andere sind Sammler oder Fotografen. Manche interessie­ren sich nur für Figuren, oder Teile, oder Farben. Andere kaufen ganz bestimmte Sets, lassen sie ungeöffnet und verkaufen sie später weiter. Auch das erfordert und schult besondere Fähigkeite­n.

Was ist Ihr Ansatz? Sie haben das nerdige Blog „New Elementary“über neue Lego-Teile gegründet, eine Weile das Magazin „Brick Culture“herausgege­ben, sind bei „Fairy Bricks“aktiv, das Sets an Kinderkran­kenhäuser in aller Welt verteilt… JOHNSON Ich denke, das verbindend­e Element ist, dass sich daraus Communitys entwickeln. Dass darüber Menschen miteinande­r in Kontakt kommen, die dieser spezielle Aspekt des Hobbys interessie­rt.

Wie sehen Sie die Entwicklun­g hin zu immer mehr Spezialtei­len und immer realistisc­heren Modellen? In vielen Modellen von heute werden fast alle der guten alten Noppen durch glatte Teile verdeckt…

JOHNSON Meiner Meinung nach ist all das eine willkommen­e weitere Facette. Wenn man so will, gab es schon in den 1950er-Jahren „Spezialtei­le“. Viele sind der Meinung, dass die Spezialtei­le von heute nur einen einzigen Zweck haben, aber das stimmt einfach nicht. Jedes neue Teil eröffnet kreative Möglichkei­ten zu seiner Verwendung. Und Boxen mit Steinen ausdrückli­ch zum freien Spiel kann man noch immer kaufen.

Auf den Rückseiten der Kartons von allen „normalen“Sets waren, als ich noch ein Kind war, Fotos von alternativ­en Modellen aus den Steinen in der Packung. Das hat einen prima angestupst dazu, selbst kreativ zu werden. Ich finde es schade, dass es das schon lange nicht mehr gibt.

JOHNSON Das verstehe ich. Heute läuft es anders, aber in gewisser Hinsicht noch besser: Auf www.rebrickabl­e.com laden Fans aus aller Welt ihre eigenen alternativ­en Modelle hoch. Auf Wunsch kann man sogar die Anleitung dazu kaufen.

Wie würden Sie Ihre emotionale Verbindung zu Legosteine­n beschreibe­n?

JOHNSON Das ist schwer in Worte zu fassen, aber Emotionen gehören jedenfalls untrennbar dazu. Ich verdeutlic­he es mal so: Lego versucht, die Steine aus nachhaltig­eren Materialie­n herzustell­en. Eine Hürde dabei: Das Geräusch, das entsteht, wenn man in einer großen Kiste voller Steine wühlt, darf sich auf keinen Fall verändern. Denn dieses Geräusch ist einzigarti­g, es löst in so vielen Menschen so viel aus.

Wie halten Sie’s mit dem Sortieren? JOHNSON Ha, das ist ein Thema für sich, da hat letztlich jeder sein eigenes System. Es ist ja schon schwer genug, sich auf Namen

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