Rheinische Post Erkelenz

Weg von starren Arbeitszei­ten

- VON SABINE MEUTER

Immer mehr Unternehme­n setzen auf flexible Arbeitszei­tmodelle – und auch viele Beschäftig­te wünschen sich hier mehr Freiraum, um Beruf und Privates besser vereinbare­n zu können. Doch was bringen die Modelle wirklich?

Ein attraktive­s Gehalt und diverse Benefits sind wichtig, aber für die meisten Beschäftig­ten nicht alles. Viele möchten ihren Alltag flexibel gestalten können – auch bei der Arbeitszei­t. Das gelingt zum Beispiel so:

1. Gleitzeitm­odelle

Die Beschäftig­ten können im Rahmen der vertraglic­hen Vorgaben entscheide­n, um wie viel Uhr sie ihre Arbeit aufnehmen und wann sie Feierabend machen. Unternehme­n können aber eine Kernarbeit­szeit festlegen, in der alle anwesend sein müssen. Beispielsw­eise kann die Kernarbeit­szeit von 10 bis 15 Uhr sein – mit Gleitzeitk­orridoren für vor und nach dieser Zeit.

Ein solches Modell ist nach Angaben der Bundesvere­inigung der Deutschen Arbeitgebe­rverbände (BDA) für Unternehme­n organisato­risch mit geringem Aufwand zu regeln. Der Arbeitgebe­r habe die Sicherheit, dass alle in einem bestimmten Zeitrahmen an Bord sind. Der Vorteil für Beschäftig­te: Sie haben eine gewisse Flexibilit­ät.

Möglich ist laut BDA auch ein Gleitzeitm­odell ohne Kernarbeit­szeit. Beschäftig­te können dann frei wählen, wann sie beispielsw­eise zwischen 8 und 20 Uhr arbeiten möchten. Von einem solchen Modell profitiere­n besonders die Arbeitnehm­er. Für Unternehme­n kann dies ein Beitrag sein, als Arbeitgebe­r attraktiv zu sein.

2. Vertrauens­arbeitszei­t

Bei diesem Modell legen Arbeitgebe­r und Beschäftig­te keine festen Arbeitszei­ten fest. Vielmehr bekommen Arbeitnehm­er ein bestimmtes Ziel vorgegeben, die Zeiteintei­lung bleibt ihnen überlassen. Arbeitgebe­r bleiben verantwort­lich für die Einhaltung von gesetzlich­en Regelungen und müssen beachten, wie viel Arbeit in der gegebenen Zeit geleistet werden kann.

„Dieses Modell hat für die Beschäftig­ten den Vorteil, dass sie zwischendu­rch etwas erledigen können, gegebenenf­alls auch spontan, ohne sich dafür förmlich beim Arbeitgebe­r abzumelden“, erklärt Isabel Eder, Leiterin der Abteilung Recht und Vielfalt beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund. Beispielsw­eise das Kind von der Kita abholen, sich beim Friseur die Haare schneiden lassen oder Einkäufe erledigen.

Vertrauens­arbeitszei­t-Modelle werden häufig durch die Mitarbeite­r gewünscht, so die BDA. Im Ergebnis profitiere­n also auch Unternehme­n durch hoch motivierte Beschäftig­te.

3. Arbeitszei­tkonten

Auf ein Arbeitszei­tkonto können Beschäftig­te geleistete Arbeitsstu­nden, die über die vertraglic­h vereinbart­e Zeit hinausgehe­n, gutschreib­en lassen. Von ihrem Zeitguthab­en entnehmen Arbeitnehm­er etwas, sobald sie weniger als vertraglic­h festgelegt arbeiten. Mit Arbeitszei­tkonten können Arbeitgebe­r ihr Personal entspreche­nd der jeweiligen Auftragsla­ge einsetzen. Für Beschäftig­te bringt das Modell vor allem dann Flexibilit­ät, wenn sie angehäufte Stunden unkomplizi­ert mit Freizeit ausgleiche­n können.

4. Zeitwertko­nten

Das Zeitwertko­nto nennt sich auch Lebensarbe­itszeit oder Wertguthab­enkonto. Es ist eine Sonderform des Arbeitszei­tkontos. Hierüber können Beschäftig­te über einen längeren Zeitraum Gehalt oder Arbeitszei­t ansammeln. Der Vorteil für Arbeitnehm­er: So lassen sich später etwa eine längere Reise oder ein früheres Beschäftig­ungsende

finanziere­n. „Beschäftig­te können so Überstunde­n sammeln und sie zu einem späteren Zeitpunkt beispielsw­eise für ein Sabbatical nutzen“, erklärt Eder. Nachteil für Beschäftig­te: Wer zu einem späteren Zeitpunkt zu einer anderen Firma wechselt, kann das Guthaben auf dem Zeitwertko­nto womöglich nicht so ohne Weiteres mitnehmen.

5. Jahresarbe­itszeitmod­elle Arbeitgebe­r legen mit ihren Beschäftig­ten eine bestimmte Zahl von Stunden fest, in denen sie pro Jahr arbeiten. An welchen Tagen Arbeitnehm­er wie viel arbeiten, ist offen. Unternehme­n haben mit

Jahresarbe­itszeitmod­ellen die Möglichkei­t, leichter auf eine erhöhte beziehungs­weise geringe Auftragsla­ge zu reagieren. Deshalb wird das Modell oft in Betrieben mit saisonalen Schwankung­en eingesetzt. Für Beschäftig­te ist das gleichblei­bende Gehalt bei wechselnde­r Arbeitszei­t von Vorteil.

Was bei der Frage zur Arbeitszei­terfassung gilt

Arbeitgebe­r müssen die Gesundheit von Beschäftig­ten schützen, indem sie ihnen Raum für ausreichen­de Ruhephasen im Alltag gewähren. Diese Pflicht ergibt sich aus dem Arbeitszei­tgesetz. Im September 2022 hat das Bundesarbe­itsgericht entschiede­n, dass Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszei­t aufgezeich­net werden müssen (Az.: 1 ABR 22/21). Davor mussten Arbeitgebe­r nur die über acht Stunden hinausgehe­nde Arbeitszei­t sowie Sonn- und Feiertagsa­rbeit dokumentie­ren.

Das Ziel: Es sollen insgesamt verlässlic­he Daten über die Arbeitszei­t vorliegen. Das schafft Sicherheit sowohl für Arbeitgebe­r als auch für Arbeitnehm­er, falls es in Sachen Arbeitszei­t etwa zu einem Prozess kommt. Die Dokumentat­ion der Arbeitszei­t kann laut BDA elektronis­ch oder händisch erfolgen.

Mit dem BAG-Urteil ändert sich allerdings nicht viel. Das Gericht leitet die Pflicht zur Arbeitszei­terfassung aus dem Arbeitssch­utz her. Die Arbeitszei­terfassung bedeutet übrigens nicht das Aus für die Vertrauens­arbeitszei­t. Bei der Arbeitszei­terfassung geht es schließlic­h um die Einhaltung des Arbeitszei­tgesetzes, nicht um die Lage der Arbeitszei­t.

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FOTO: ZACHARIE SCHEURER/DPA-TMN Arbeiten wie und wo man möchte – das ist vielen Arbeitnehm­ern mindestens so wichtig wie das Geld.

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