„Es war wie ein Fenster in eine andere Welt“
Mit dem Buch „Ich sehe was, was du nicht siehst, und das ist Kunst“ist der Comedian Jakob Schwerdtfeger auf Tour. Ende Januar tritt er mit seiner Leseshow in der Buchhandlung Degenhardt auf. Was sich aus seiner Sicht am Kunstunterricht ändern muss, um Jug
Worüber haben Sie zuletzt gelacht? JAKOB SCHWERDTFEGER Gestern war ich wandern und ein Kind ist mit seinem Schlitten gefallen und alle Umstehenden mussten sehr lachen. Es hat sich zum Glück nichts getan. Und abends habe ich noch ein bisschen geschrieben und musste über einen meiner eigenen Witze lachen. Das passiert mir manchmal.
Dürfen wir den Witz hören?
SCHWERDTFEGER Das ist nicht so einfach. Es sind ja keine One-Liner, die ich schreibe. Aber ich habe mir Gedanken über Malerei in Zoogehegen gemacht. Wir Menschen gestalten einfach alles, selbst die Gehege im Zoo. Der Giraffe ist es vermutlich egal, ob hinter ihr eine Savannenlandschaft auf die Mauer gepinselt ist. So kam es zustande, dass ich lachen musste.
Warum sollte man Ihre Show ansehen?
SCHWERDTFEGER Weil sie meiner Meinung nach einen Mehrwert hat. Sie bringt Entertainment und Kunst zusammen und man kann eine andere Perspektive auf Kunst gewinnen. Meine Show und auch mein Buch richten sich ausdrücklich nicht an Fachpublikum. Man muss keine Ahnung von Kunst haben, um es zu sehen.
Geben Sie uns einen Vorgeschmack?
SCHWERDTFEGER Es geht zum Beispiel darum, warum Kunst so teuer ist oder wieso Gekritzel auch Kunst ist. Aber auch um Aussagen wie: ‚Das kann ich auch‘. Ich glaube, ich räume mit vielen Vorurteilen auf. Ich habe das Buch geschrieben, dass ich selbst gerne gelesen hätte. Das Programm heißt aber bewusst nicht Lesung, weil es eben keine trockene Wasserglas-Lesung ist.
Wie ist Ihre Show aufgebaut? Gibt es einen dramaturgischen Bogen?
SCHWERDTFEGER Wir verfolgen ein klares Konzept. Ich glaube, viele Menschen denken, dass man Witze schnell mal hinschreibt. Aber in Wahrheit ist das viel Arbeit und Vorbereitung. Dementsprechend hat meine Show einen dramaturgischen Aufbau. Anschließend haben schon oft Zuschauer zu mir gesagt, dass sie wegen meines Buchs oder der Show wieder mal Lust hatten, ins Museum zu gehen. Und das freut mich natürlich ganz besonders.
Comedy war nicht immer ihre Hauptprofession. Sie haben Kunstgeschichte studiert. Was brachte Sie auf die Bühne?
SCHWERDTFEGER Nach dem Studium
habe ich lange im Museum gearbeitet. Parallel habe ich aber immer wieder bei Comedy-Formaten wie dem NDR Comedy Contest oder Night Wash auf der Bühne gestanden. Dabei habe ich viel über Alltagsthemen gesprochen, habe aber auch gemerkt, dass das schnell erschöpft ist. Ich bin immer wieder Menschen begegnet, die davon leben konnten und fand das sehr faszinierend. Irgendwann habe ich mich gefragt, was mein Alleinstellungsmerkmal ist, und das ist die Kunst. Letztlich habe ich meine beiden Leidenschaften zusammengebracht. Zuerst stand ich in Mixed Shows auf der Bühne, also abwechselnd mit anderen Comedians. Heute freue ich mich, die Bühne für mich zu haben. Das ist ein tolles Gefühl.
Heute machen Sie Kunstcomedy und haben damit Ihr eigenes Genre geschaffen. Wie kann man sich das vorstellen?
SCHWERDTFEGER Im Prinzip erzähle
ich viel über Kunst und man lernt viel dabei. Mit Kunst sind ja auch viele andere Themen verbunden, sie ist ein Spiegel der Gesellschaft. Zum Beispiel kann uns Kunst neue Perspektiven auf die Klimakrise eröffnen. Mit den nackten Zahlen können Menschen oft nichts anfangen. Aber Kunst macht es über Bilder deutlich. Kunst kann unser
Leben verändern. Ein Beispiel in meinem Buch ist Sylvester Stallone. Er sah als junger Mann im Museum ein Bild von Prometheus und legte daraufhin fest, so auch aussehen zu wollen. Ohne das gäbe es keinen Rocky oder Rambo, wie wir ihn kennen. Im Grunde macht Kunst, so wie ich darüber auf der Bühne oder in meinem Buch spreche, Spaß und das ist Kunstcomedy.
Ihr Buch wird als „Liebeserklärung an die Kunst“vermarktet. Was bedeutet Ihnen Kunst?
SCHWERDTFEGER Es ist das Thema meines Lebens. Das klingt pathetisch, aber so ist es. Ich habe angefangen, mich für Kunst zu interessieren, als ich 15 Jahre alt war. Damals war ich bei meiner Verwandtschaft in Amsterdam und bin dort ins Van Gogh Museum gegangen. Ich sah mir ein auf den ersten Blick langweiliges Landschaftsbild an und umso länger ich es ansah, umso mehr wurde mir klar, dass eigentlich mehr dahintersteckt. Auf einmal war es wie ein Fenster in eine andere Welt. Ich habe die Unerschöpflichkeit der Kunst schnell erkannt und seither hat sich nichts an meiner Faszination geändert. Der Satz mit der Liebeserklärung stammt übrigens von mir.
Welche ist Ihre liebste Kunstrichtung?
SCHWERDTFEGER Abstrakte Kunst aus der Zeit nach dem 2. Weltkrieg ist mir am liebsten. Beispielsweise Werke von Emil Schumacher. Ich mag, dass diese Kunstform so vieles offenlässt. Mir ist aber vollkommen klar, dass das nicht mainstreamtauglich ist. Außerdem mag ich die „Dienstmagd mit Milchkrug“von Jan Vermeer. Ich finde, dieses Gemälde drückt unglaubliche Ruhe aus.
Der erste Satz auf Ihrer Website lautet: „Schluss mit einschläferndem Gelaber über Kunst und unverständlichem Kunstsprech!“. Wieso wird Kunst – obwohl es etwas
Kreatives ist – oft mit Langeweile verbunden?
SCHWERDTFEGER Ich frage mich so oft, wieso über ein kreatives Feld so unkreativ gesprochen wird. Ich glaube, es geht oft nur darum, hochgestochen über Kunst zu reden und damit vermeintlich zu zeigen, wie schlau man ist. Mich stören diese elitären Formulierungen häufig. Wenn sich eine Ausstellung beispielsweise an Laien richtet, wieso steht dann unter dem Bild diaphan und nicht durchsichtig? Die Bedeutung ist dieselbe. Der Zustand, dass Kunst etwas für die Elite ist, wird leider sehr zementiert.
Geht unsere Gesellschaft falsch an die Sache heran? Zum Beispiel im Kunstunterricht in der Schule... SCHWERDTFEGER Ich selbst habe Kunst mit 16 Jahren abgewählt, weil ich es nicht ernst nehmen konnte. Ich glaube, Kunstunterricht sollte sich mehr an den Interessen und Themen der Jugendlichen orientieren. Wieso muss man unbedingt den uralten Kanon – der natürlich seine Daseinsberechtigung hat – durchprügeln? Man könnte ihn doch zum Beispiel mischen mit neuen und spannenden Themen. Kunst besteht nicht nur aus alten Schinken in goldenen Rahmen. Das junge Menschen sich nicht wochenlang mit Rembrandt beschäftigen wollen, ist doch klar. Dann macht man eben mal was zu Banksy.
Was war bisher Ihr kuriosester Auftritt?
SCHWERDTFEGER Ich versuche ganz gerne, Freestyle-Rap in meine Show einzubauen. Vergangenes Jahr gab es eine in Düsseldorf, bei der ein Battle-Rapper im Publikum saß und so kam es zu einem Rap-Battle. Das war schon skurril.
Als Lebensziel geben Sie an, irgendwann die Sendung „Bares für Rares“zu moderieren, bei der Menschen ihre Stücke schätzen und ersteigern lassen. Was reizt Sie daran? SCHWERDTFEGER Ja, das ist im Übrigen kein Witz, das meine ich absolut ernst. Für mich ist es so ein Ü30-Ding, dass man plötzlich Shows wie „Bares für Rares“gut findet. Es ist eine durch und durch vorhersehbare Sendung. Man weiß, was man bekommt. Natürlich ist sie komplett aus der Zeit gefallen, aber das finde ich toll. Und wir alle haben doch manchmal die Sehnsucht nach diesem einen Flohmarkt- oder Dachbodenfund, der richtig viel Geld wert ist. Davon lebt das Showformat.