Streich kann es ähnlich machen wie Heynckes 1987
Für Freiburg-Coach Christian Streich beginnt die Abschieds-Tour. Borussia weiß, was die Trennungs-Ankündigung des Langzeit-Trainers bewirken kann.
Es ist nicht allzu verwegen, zu behaupten, dass Gerardo Seoane gegen den SC Freiburg weniger Aufmerksamkeit zuteilwerden dürfte als noch beim 1:1 in Heidenheim, wenige Tage nach dem blamablen Pokal-Aus in Saarbrücken. Am Karsamstag ab 15.30 Uhr dürften die Kameras vielmehr auf Christian Streich gerichtet sein, ist es doch die erste Partie nach der Ankündigung des Freiburger Trainers, seinen Job am Saisonende niederzulegen.
Wenn Streich im Mai aufhört, wird er rund zwölfeinhalb Jahre Cheftrainer bei den Breisgauern gewesen sein – kein Rekord, doch beileibe auch keine normale Verweildauer. Langzeit-Trainer dieser Größenordnung hat es nicht viele in der Bundesliga gegeben – zwei waren in Mönchengladbach tätig. Und mit beiden lassen sich nach ihrer Abschiedsankündigung noch bemerkenswerte Erfolge verbinden.
Als der Abschied Hennes Weisweilers
am 22. Mai 1975 offiziell wurde, hatte Borussia allerdings gerade erst ihren größten Erfolg errungen: Am Tag zuvor hatte sie durch ein 5:1 bei Twente Enschede erstmals den Uefa-Cup gewonnen. Es folgte sogleich der Schock, dass Weisweiler nach elf Jahren den Verein
in Richtung FC Barcelona verlassen wird. Die dritte deutsche Meisterschaft für den Klub war zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesichert, mit Siegen gegen Wuppertal und auf Schalke machten die Borussen in den folgenden Tagen jedoch den Titel perfekt. Und auch die verbleibenden beiden Ligaspiele unter seinem Erfolgstrainer gewann Gladbach abschließend.
Dass es lauter Siege nach dem feststehenden Abschied von Jupp Heynckes 1987 gegeben hätte, ist dagegen so nicht richtig. Der beste Torjäger des Klubs, der 1979 den Trainerjob übernommen hatte, kündigte am 15. März 1987 seinen Wechsel im Sommer zum FC Bayern München an, dem folgten zunächst bei Vitoria Guimaraes (2:2) der Einzug in das Halbfinale des Uefa-Cups sowie ein 7:1 in Bremen und ein 2:1 gegen Bochum in der Bundesliga. Dann aber verlor Gladbach das DFB-Pokal-Halbfinale beim Hamburger SV 0:1 und in der Liga in Frankfurt (0:4) und gegen die Bayern (0:1).
Zehn Spieltage vor dem Saisonende war Borussia Zwölfter, hatte mehr Spiele verloren als gewonnen. Doch noch ehe auch das Aus im Uefa-Cup-Halbfinale gegen Dundee United feststand (womit zugleich klar war, dass Heynckes sich nach acht Jahren ohne Titelgewinn
aus Gladbach verabschieden würde), startete die Mannschaft in der Liga eine noch nie da gewesene Siegesserie.
2:0 in Leverkusen, 7:2 gegen Mannheim, 2:0 in Homburg, 2:0 gegen Uerdingen, 4:2 in Stuttgart, 3:1 gegen Schalke, 2:0 in Dortmund, 4:1 gegen Düsseldorf, 4:2 in Köln und 4:0 in Nürnberg – Borussia spielte wie entfesselt auf und reihte zum Saisonabschluss zehn Siege aneinander, was ihr noch den dritten Tabellenplatz und damit die Qualifikation für den Uefa-Cup einbrachte. Zehn Siege am Stück innerhalb einer Saison waren zudem eine Marke, die erst die Über-Bayern der Spielzeit 2012/13 überboten – unter dem Trainer Jupp Heynckes.
Zehn Siege zum Abschluss sind für Streich und seine Freiburger nicht mehr möglich, und dass die Breisgauer eine Siegesserie hinlegen, die sie noch in die Champions League bugsiert, ist bei 17 Punkten Rückstand auf den vierten Platz nahezu utopisch. Doch die dritte Qualifikation
in Folge für das internationale Geschäft ist für den momentanen Tabellenneunten allemal noch im Bereich des Möglichen. Indes werden die Gladbacher etwas dagegen haben, dass Streich bei ihnen eine erfolgreiche Abschieds-Tour beginnt.
Da er Heynckes‘ spezielles SaisonFinish aus dem Jahr 1987 angesichts von nur noch acht Spielen sowieso nicht wiederholen kann, dürfte sich Streich eher einen seiner Vorgänger in Freiburg als Vorbild nehmen. Volker Finke blieb von 1991 bis 2007 gar 16 Jahre SC-Trainer. Nach einer ernüchternden Hinrunde 2006/07 mit Platz 13 in der Zweiten Bundesliga gaben Finke und Freiburg das Ende der Zusammenarbeit im folgenden Sommer bekannt. Der SC avancierte daraufhin zum besten Rückrundenteam der Saison und verpasste als Vierter nur knapp den Wiederaufstieg. Streich wird sich einen ähnlich starken Abschluss wünschen. Den ersten Schritt dazu muss sein Team in Gladbach machen.