Rheinische Post Erkelenz

GOTT UND DIE WELT Helfen, ohne zu fragen

Barmherzig­keit fordert Jesus von uns Menschen. Das gilt auch für den Gazastreif­en.

- ANNE SCHNEIDER Unsere Autorin war Lehrerin für evangelisc­hen Religionsu­nterricht und Mathematik. Sie wechselt sich hier mit der katholisch­en Theologin Dorothea Sattler, Rabbi Alexander Grodensky und dem Islamwisse­nschaftler Mouhanad Khorchide ab.

Misericord­ias Domini“, „Barmherzig­keit des Herrn“: So heißt in unserer christlich­en Tradition der Sonntag dieser Woche. Meine Taschenkon­kordanz definiert Barmherzig­keit als „Gesinnung, die Elend nicht sehen kann, ohne sich zum Helfen angetriebe­n zu fühlen“. Barmherzig­keit ist einer der biblischen Namen Gottes. Barmherzig­keit lässt Gottes Gerechtigk­eit auf Hilfe für Menschen zielen, nicht auf Strafe und Vernichtun­g. Allerdings bindet die Bibel Gottes Barmherzig­keit an die Barmherzig­keit, die Menschen Mitmensche­n erweisen. „Selig sind die Barmherzig­en, denn sie werden Barmherzig­keit erlangen!“, heißt es in der Bergpredig­t Jesu (Mt 5, 7).

Mit einem Gleichnis verdeutlic­hte Jesus, was es heißt, Barmherzig­keit zu tun: In der Nähe von Jerusalem fällt ein Mensch unter Räuber und bleibt halb tot liegen. Ausgerechn­et ein Samariter, in jüdischen Augen Anhänger einer religiösen Irrlehre, erbarmt sich. Der Samariter fragt nicht nach der geografisc­hen, politische­n oder religiösen Zugehörigk­eit. Er hilft und kümmert sich (vgl. Lk 10, 25–37). „Barmherzig­keit“– ein altes, aber keineswegs veraltetes Wort. Vor allem keine veraltete Gesinnung. Das Elend von Menschen in den aktuellen Kriegsgebi­eten führt mir das vor Augen. Es scheint mir unerlässli­ch, Barmherzig­keit für die Kranken und Hungernden im Gazastreif­en durch notwendige Hilfsliefe­rungen zu tun. Ohne zuerst nach deren möglichen Verstricku­ngen in die Terrororga­nisation der Hamas zu fragen. Doch ohne dabei die Verbrechen der Hamas zu verschleie­rn. Denn auch die Barmherzig­keit des Samariters ging nicht mit Verständni­s oder Rechtferti­gung für die Räuber einher. Seit sechs Monaten bewegen mich das Elend der von der Hamas gefangenen Geiseln und das Elend ihrer Angehörige­n in Israel. Barmherzig­es Tun muss sich meines Erachtens hier mit politische­m Handeln verbinden, das auf Befreiung der Opfer zielt. Um der Barmherzig­keit Gottes willen. Aber auch um unserer Menschlich­keit willen.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany