Rheinische Post Erkelenz

Die Tanzstunde: Kurzweilig­er Schlagabta­usch mit Tiefgang

- VON DANIELA GIESS

Berlins Theaterche­f Martin Woelffer schickte sein wohl feinsinnig­stes Stück nach Erkelenz – und sorgte in der gut gefüllten Stadthalle für eine Tanzstunde der ganz besonderen Art, als mit dem gleichnami­gen Zwei-Personen-Stück der renommiert­en Komödie am Kurfürsten­damm, bei dem er selbst Regie geführt hatte, zwei Darsteller aus der Hauptstadt das begeistert­e Publikum für rund zweieinhal­b Stunden in ihren Bann zogen.

Und wer genau hinschaute, erkannte neben Schauspiel­erin Nadine Schori den ehemaligen Tatortund Comedy-Darsteller Ingo Naujoks. Der 62-Jährige, der aus dem Ruhrgebiet stammt und mittlerwei­le in der Spreemetro­pole zu Hause ist, mimte den eigensinni­gen Ever Montgomery, der für eine bevorstehe­nde feierliche Preisverle­ihung dringend tanzen lernen muss. Eigentlich kein großes Problem. Aber: Der begabte Wissenscha­ftler verabscheu­t jeglichen Körperkont­akt, denn er leidet an einer besonderen Autismus-Form – dem Asperger-Syndrom. Montgomery spricht seine Nachbarin Senga Quinn an, bietet ihr 2153 Dollar für eine einzige Übungsstun­de, was diese zunächst fälschlich­erweise als unmoralisc­hes Angebot versteht.

Mark St. Germains Komödie „Die Tanzstunde“erzählt die berührende Geschichte des ungleichen

Paares, das sich im Lauf der Zeit immer näher kommt. Nach einem schweren Unfall ist es fraglich, ob Senga Quinn (die Buchstaben des eigentlich für sie vorgesehen­en Vornamens Agnes wurden in ihrer Geburtsurk­unde durcheinan­dergebrach­t) jemals wieder als Tänzerin und Musicaldar­stellerin arbeiten kann. Wissenscha­ftler Montgomery lebt vereinsamt und hat noch nie ein Musical angesehen – zu viele fremde Menschen, zu groß die Angst vor einem eventuelle­n Körperkont­akt. Stimmungsl­agen und Gefühle richtig einzuschät­zen, liegt dem einsamen Mann auch nicht. „Habe ich Sie beim Selbstmord unterbroch­en? Ich kann gern später noch einmal vorbeikomm­en“, merkt er trocken und ohne jegliches Mitgefühl an, als

er seine Nachbarin zum ersten Mal in ihrem Apartment aufsucht. Den vorgegeben­en Takt kann das seltsame Duo nur selten halten, erfährt aber bei den Tanzstunde­n vieles über den anderen und sich selbst.

Er freue sich darüber, dass das Theaterang­ebot gut angenommen werde, bekräftigt­e der Erkelenzer Kulturmana­ger und „Stadthalle­nHausherr“Sascha Dücker, als er die zahlreiche­n Zuschauer von der Bühne aus begrüßte. Das Publikum sei den Veranstalt­ungen treu. Bereits 2021 habe man die Inszenieru­ng eingekauft. Mit kräftigem Applaus dankte das Erkelenzer Publikum den weit gereisten Theaterdar­stellern Ingo Naujoks und Nadine Schori für den unterhalts­amen Abend in der Stadthalle.

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FOTO: JÜRGEN LAASER Nadine Schori als Senga Quinn und Ingo Naujoks als der autistisch­e Professor Ever Montgomery auf der Bühne.

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