Eine planlose Reformidee
Es ist ein schweres und sensibles Thema: Die Frage, ob Frauen eine Schwangerschaft auf legalem Weg abbrechen dürfen oder ob dieser Schritt weiterhin rechtswidrig bleiben soll, ist ethisch komplex und politisch extrem heikel. Denn sie betrifft das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren ebenso wie das Lebensrecht des Ungeborenen. Zwei Rechte, die unbedingt schützenswert sind und sich nicht gegeneinander aufwiegen lassen. Dennoch können schwangere Frauen in Situationen kommen, in denen sie sich damit auseinandersetzen müssen, ob sie die Schwangerschaft beenden. Es sind Extremsituationen, die aus großer Not und existenziellen Sorgen entstehen können. Umso schwieriger ist es, wenn der Gesetzgeber für diese Lebenslagen Regeln neu ausrichten will.
Genau das hat sich die Ampelkoalition vorgenommen. Allen voran SPD und Grüne wollten den Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch reformieren. Seit Montag liegt der Bericht der Expertenkommission vor, die eine Legalisierung von Abtreibungen bis zu einer bestimmten Schwangerschaftsphase empfiehlt. Na dann, gutes Gelingen, möchte man dem Regierungsbündnis zurufen.
Nichts deutet darauf hin, dass die Ampel einen Plan hat, wie eine Gesetzesreform aussehen könnte. Europawahl im Juni, drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst, dann das bevorstehende Bundestagswahljahr: Wenn man es genau nimmt, kommt die Ampel bis zum Ende dieser Legislaturperiode nicht mehr aus dem Wahlkampf heraus. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten spitzen sich gefährlich zu, die weltweiten Krisen nehmen zu – und damit auch die Unsicherheit in der Bevölkerung. In dieser volatilen Lage braucht es keine weitere Debatte, die das Potenzial hat, die Gesellschaft zu spalten und die Regierungskoalition in einen neuen Streit zu stürzen.