Rheinische Post Erkelenz

Politik muss Pflegende stärker unterstütz­en

- VON JÖRG ISRINGHAUS

Irgendwann kommt für die meisten Menschen der Punkt, an dem sie die Pflege eines Angehörige­n übernehmen müssen – seien es nun ein Lebenspart­ner oder die eigenen Eltern. Heimplätze werden in Zeiten eines massiven Pflegenots­tands immer rarer und teurer, die Pflege daheim ist günstiger, bedeutet für die Betroffene­n dazu etwas mehr Lebensqual­ität. Nur für die Pflegenden selbst kommt diese oft zu kurz, sie reiben sich häufig auf zwischen Beruf, Familie und privatem Engagement.

Tatsächlic­h fehlt es sowohl an den für Berufstäti­ge so wichtigen Tagespfleg­eplätzen, um Angehörige tagsüber versorgt zu wissen, wie an einer nicht rückzahlba­ren Lohnersatz­leistung ähnlich dem Elterngeld, das eine mehrjährig­e Phase des Kümmerns zu überbrücke­n hilft. Bisher bedeutet die Pflege eines Angehörige­n nicht nur persönlich­en, sondern auch finanziell­en Einsatz. Das muss sich dringend ändern und ein Anspruch auf Pflegegeld rechtlich verankert werden. Angesichts eines zunehmende­n Arbeitnehm­ermangels in Deutschlan­d sowie einer wachsenden Zahl von Pflegebedü­rftigen sollte es im allgemeine­n Interesse sein, dass diese Diskrepanz nicht zu einem volkswirts­chaftliche­n Desaster führt, wenn pflegende Angehörige ihren Beruf aussetzen oder aufgeben.

Dass wir in einer rapide alternden Gesellscha­ft leben, ist keine neue Erkenntnis. Die Politik muss ihr Handeln weitaus stärker als bisher danach ausrichten und die notwendige­n Voraussetz­ungen schaffen, eine menschenwü­rdige und hochwertig­e Pflege für alle zu ermögliche­n. Mit der Boomer-Generation, die jetzt nach und nach in Rente geht, droht sich in einigen Jahren der Notstand im Pflegesekt­or weiter zu verschärfe­n. Die Pflege einfach ersatzlos den Angehörige­n aufzubürde­n, ist daher nicht nur grundverke­hrt, sondern birgt sowohl ökonomisch­en als auch sozialen Sprengstof­f.

Newspapers in German

Newspapers from Germany