Rheinische Post Erkelenz

Eine ethisch heikle Frage

Abtreibung­en sind in Deutschlan­d grundsätzl­ich strafbar. Eine Expertenko­mmission empfiehlt nun Änderungen. Die Bundesregi­erung möchte jedoch in Ruhe darüber diskutiere­n, eine Reform wird es wohl nicht so schnell geben.

- VON JAN DREBES UND JANA WOLF

Das Thema polarisier­t, die Debatte über Schwangers­chaftsabbr­üche hat das Potenzial zur Spaltung der Gesellscha­ft. Sollten Abtreibung­en legal werden? Sollte Leihmutter­schaft erlaubt werden? Es sind weitreiche­nde, ethisch heikle Fragen, mit denen sich eine Expertenko­mmission beschäftig­t hat im Auftrag der Ampelkoali­tion. Die Ergebnisse liegen nun vor. Doch eine rasche Reform wird es voraussich­tlich nicht geben. Ein Überblick.

Ergebnisse Die Kommission unterteilt die Schwangers­chaft in drei Phasen. Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in der Frühphase, den ersten zwölf Wochen, in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichn­en. Es obliege dem Gesetzgebe­r, das mit einer Beratungsp­flicht zu verbinden. In der mittleren Phase bis zur 22. Woche könne der Gesetzgebe­r entscheide­n, unter welchen Voraussetz­ungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidr­ig. Bei medizinisc­her oder kriminolog­ischer Indikation müsse es zudem weiterhin Ausnahmen geben, auch in späteren Phasen der Schwangers­chaft.

Die 18 Mitglieder der Kommission empfehlen dem Gesetzgebe­r in ihrem 600 Seiten umfassende­n Bericht zudem, die Eizellspen­de zuzulassen. Eine gesetzlich­e Grundlage müsse dann darauf beruhen, dass der notwendige Schutz der Spenderinn­en und das Kindeswohl gewährleis­tet würden, sagte die zuständige Sprecherin der Arbeitsgru­ppe, Claudia Wiesemann. Beim Thema Leihmutter­schaft tut sich die Kommission deutlich schwerer. Ein weiteres Verbot sei nachvollzi­ehbar, sagte die zuständige Sprecherin, die Mainzer Juristin Friederike Wapler. Eine Legalisier­ung sei aber unter engen rechtliche­n Voraussetz­ungen möglich. Zentral wäre dann, dass eine Ausbeutung der Leihmutter rechtlich verhindert werde.

Schwangers­chaftsabbr­uch auf Wunsch der Schwangere­n nur in Ausnahmen

+ verpflicht­ende Beratung

+ Wartezeit

+ verpflicht­ende Beratung

+ Wartezeit

Reaktion der Bundesregi­erung

Die Bundesregi­erung hat die Vorlage von Empfehlung­en der Kommission zur Reform des Abtreibung­srechts begrüßt, aber Erwartunge­n an schnelle Änderungen gedämpft. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem „sehr wichtigen Bericht“. Nun brauche es vor möglichen Änderungen „einen breiten gesellscha­ftlichen und natürlich auch parlamenta­rischen Konsens“. Familienmi­nisterin Lisa Paus (Grüne) bezeichnet­e die Empfehlung­en als „gute Grundlage für den nun notwendige­n offenen und faktenbasi­erten Diskurs“. Zurückhalt­ender äußerte sich Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP). „Inwieweit es möglich wäre, den Schwangers­chaftsabbr­uch außerhalb des Strafgeset­zbuchs zu regeln, ist eine äußerst anspruchsv­olle rechtliche, aber vor allem auch ethisch äußerst sensible und bedeutsame Frage“, sagte er.

Zugleich sieht man in der GrünenFrak­tion einen klaren Handlungsa­uftrag in dem Bericht. Die Kommission habe sich sehr gründlich und ausführlic­h mit den Möglichkei­ten einer Neuregulie­rung von Schwangers­chaftsabbr­üchen in Deutschlan­d

auseinande­rgesetzt, sagte die frauenpoli­tische Sprecherin der Bundestags­fraktion, Ulle Schauws. „Die Kommission hat verdeutlic­ht, dass in der früheren Phase einer Schwangers­chaft das Selbstbest­immungsrec­ht der Frau überwiegt und in der späteren Phase das Lebensrech­t des Ungeborene­n“, betonte sie. „Daher ist eine Neuregelun­g von Schwangers­chaftsabbr­üchen außerhalb des Strafgeset­zbuchs geboten.“In Deutschlan­d sei jede dritte Frau einmal in ihrem Leben ungewollt schwanger. Doch die Versorgung­slage verschlech­tere sich rapide, kritisiert­e Schauws. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen, würden zeitnah in den Ruhestand gehen, und Schwangers­chaftsabbr­üche seien immer noch nicht Bestandtei­l der medizinisc­hen Ausbildung. „Es ist aber Pflichtauf­gabe des Staates, für eine wohnortnah­e Versorgung zu sorgen“, mahnte die Grünen-Politikeri­n. Mit einer Entkrimina­lisierung und Entstigmat­isierung ließe sich die Versorgung deutlich verbessern. Die aktuelle Regelung sei nicht mehr zeitgemäß.

Kritik aus der Opposition

Unionsfrak­tionsvize Dorothee Bär (CSU) warf der Ampel vor, mit der Debatte eine Spaltung der Gesellscha­ft zu riskieren. „Die Ergebnisse der Kommission zum Thema Schwangers­chaftsabbr­uch kann ich nicht mittragen, die gesamte CDU/CSU-Bundestags­fraktion kann dies nicht“, sagte Bär unserer Redaktion und fügte an: „Ich hoffe darauf, dass besonders die FDP und hier konkret der Bundesjust­izminister bei seinem Wort bleibt, das er in früheren Debatten gegeben hatte. Er sagte damals, dass die Aufhebung des Werbeverbo­ts für Abbrüche keine Streichung des Paragrafen 218 nach sich ziehe.“Mit Blick auf die Drohungen aus der Union, gegen eine mögliche Gesetzesre­form in Karlsruhe zu klagen, sagte Bär: „Die CDU/CSU-Bundestags­fraktion kann nicht zu jeder Fehlentsch­eidung der Ampel vor das Bundesverf­assungsger­icht ziehen müssen.“

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