Regionaler Konflikt mit globalen Folgen
Die Märkte reagieren erleichtert, dass Israel zunächst abwartet. Was die Lage für Ölpreis, Luftfahrt und Konjunktur bedeutet.
Trotz des iranischen Angriffs auf Israel reagierten die Anleger am Montag gelassen. Sie gehen davon aus, dass Israel nicht hart antwortet. Doch die Unsicherheit bleibt – Experten halten einen Anstieg des Ölpreises auf 100 Dollar für denkbar.
Ölpreis
Die Hoffnung, dass die Nahost-Staaten eine weitere Eskalation vermeiden, ließ die Ölpreise sinken. Die Nordseesorte Brent verbilligte sich um 1,5 Prozent auf knapp 90 Dollar je Barrel. „Sollte es nicht zu einem deutlichen Gegenschlag Israels oder Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran kommen, wird sich am aktuellen Preisniveau kaum etwas ändern“, sagte Kai Eckert, Chef des Energie-Informationsdienstes (EID). Ohnehin schwindet die Hoffnung auf eine Zinswende, trübt sich die globale Konjunktur und Ölnachfrage ein. Aber: „Ein Preisniveau von 100 Dollar würde derzeit einem Anstieg der Preise von etwa elf Prozent entsprechen. Im Falle einer großen geopolitischen Krise und dem Wegfall von Ölmengen im Markt könnte dies tatsächlich schnell erreicht werden“, mahnt Eckert.
Die große Sorge ist, dass der Iran die Straße von Hormus und damit ein Nadelöhr für Öltanker blockieren könnte. Als Ölstaat spielt der Iran dagegen nur eine Nebenrolle, er ist global nur der achtgrößte Ölproduzent. „Die USA fördern fünfmal mehr Öl als der Iran, Saudi-Arabien fördert etwa viermal so viel“, sagt der Energieexperte des RWI-Leibniz-Instituts, Manuel Frondel. Der Anteil des Iran an der weltweiten Förderung liegt unter fünf Prozent. „Diese vergleichsweise geringe Bedeutung ist wohl auch der Grund, warum die Rohölpreise sogar gefallen sind.“
Sprit- und Heizölpreise „Hier zeigte sich zuletzt eine gewisse Nervosität, die zu steigenden Benzinpreisen führte“, erklärt der EID-Chef. Kraftstoffexporteure hätten sich vor den Osterferien und zu Beginn der „Driving Season“in den USA eingedeckt und so die Nachfrage erhöht. Super E10 kostete in der vergangenen Woche im Schnitt 1,854 Euro je Liter. Die Dieselpreise lagen in der vergangenen Woche bei 1,764 Euro je Liter. Zum Ende der Heizsaison komme wieder mehr Diesel in den Markt, der auf eine sinkende Nachfrage treffe. Beim Heizöl lag der Durchschnittspreis
in der Vorwoche bei 111 Euro je 100 Litern, bei sinkender Nachfrage, so der EID.
Luftfahrt Die Lufthansa hat für Montag alle Flüge in den Iran, nach Amman (Jordanien), Beirut (Libanon), Erbil (Irak) und Tel Aviv ausgesetzt. Zudem werden alle Flüge der Lufthansa-Gruppe, zu der auch Eurowings, Swiss und Austrian gehören, die Lufträume über Israel, Jordanien und dem Irak vorerst umfliegen, wie das Unternehmen mitteilte. Eurowings-Flüge von Düsseldorf nach Tel Aviv oder auch Erbil am Dienstag
sollten aber stattfinden. Das Ticket nach Tel Aviv kostete am Montag nur 60 Euro, da die Nachfrage sehr gering ist. Von den Airlines aus Europa strichen auch KLM, Easyjet, Wizz und Iberia Express Israel-Flüge.
Die Flüge in die Golf-Region von dortigen Airlines gingen dagegen unverändert weiter. Für Dienstag ist um 15.25 Uhr so wie jeden Tag ein Emirates-Jet von Düsseldorf nach Dubai eingeplant, ebenso eine Maschine von Qatar Airways nach Doha. Alle Airlines des Nahen Ostens nahmen bereits am Sonntag den Flugverkehr wieder auf, nachdem sie ihn während
des Angriffs unterbrochen hatten. Die Branche ist dennoch nervös. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) mahnte zu Vorsicht. Insbesondere über Teheran bestehe die Gefahr von Fehleinschätzung oder falscher Identifizierung. Damit ist das Risiko gemeint, dass ein ziviler Jet abgeschossen werden könnte, weil der Iran ihn für ein angreifendes Flugobjekt hält.
Die Beeinträchtigung des Luftverkehrs durch die Eskalation im Nahost-Konflikt ist nach Einschätzung von Mark Zee, Gründer der Luftraumbeobachtung Ops-Group, die größte einzelne Störung seit dem Anschlag auf das World Trade Center 2001. Der iranische Luftraum wird von Airlines genutzt, die zwischen Europa und Asien verkehren und jetzt auf Alternativrouten über die Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien ausweichen, so Zee. Der Weg ist ohnehin länger geworden, weil der Luftraum über Russland und der Ukraine gemieden wird.
Konjunktur „Momentan sieht es so aus, als könnten die Folgen für die deutsche Konjunktur eng begrenzt bleiben“, sagte Jürgen Matthes, Leiter für Internationale Wirtschaftspolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Auch an der Börse herrsche derzeit offenbar die Hoffnung, dass die Lage im Nahen Osten nicht noch weiter eskaliere. Das Börsenbarometer Dax zog am Montag zeitweise um 1,5 Prozent an auf rund 18.200 Punkte. „Iran hat den Angriff bemerkenswert heruntergespielt und als – gesichtswahrende – einmalige Vergeltung gegen Israels Bombenangriff auf Damaskus Anfang April dargestellt“, so Matthes. Die USA hätten sich klar gegen eine breite Vergeltung durch Israel ausgesprochen. „Weder Israel, noch der Iran haben ein Interesse an einer Eskalation“, so der IW-Experte.
Ohnehin habe der Ölpreis nicht mehr die Bedeutung für die Wirtschaft, die er noch bei den Ölkrisen der 70er-Jahre hatte, ergänzt RWIExperte Frondel. „Dennoch wäre es nach dem Energiepreisschock infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine natürlich besser für die Wirtschaft, wenn sich Öl nicht stark verteuern würde. Viele Industriezweige, insbesondere die chemische Industrie, benötigen immer noch Erdölprodukte in großen Mengen, zum Beispiel zur Herstellung von Kunststoffen.“Zudem würden hohe Ölpreise über kurz oder lang auch hohe Preise für Erdgas, Steinkohle, Holzpellets bedeuten.