Rheinische Post Erkelenz

Regionaler Konflikt mit globalen Folgen

Die Märkte reagieren erleichter­t, dass Israel zunächst abwartet. Was die Lage für Ölpreis, Luftfahrt und Konjunktur bedeutet.

- VON ANTJE HÖNING UND REINHARD KOWALEWSKY

Trotz des iranischen Angriffs auf Israel reagierten die Anleger am Montag gelassen. Sie gehen davon aus, dass Israel nicht hart antwortet. Doch die Unsicherhe­it bleibt – Experten halten einen Anstieg des Ölpreises auf 100 Dollar für denkbar.

Ölpreis

Die Hoffnung, dass die Nahost-Staaten eine weitere Eskalation vermeiden, ließ die Ölpreise sinken. Die Nordseesor­te Brent verbilligt­e sich um 1,5 Prozent auf knapp 90 Dollar je Barrel. „Sollte es nicht zu einem deutlichen Gegenschla­g Israels oder Verschärfu­ng der Sanktionen gegen den Iran kommen, wird sich am aktuellen Preisnivea­u kaum etwas ändern“, sagte Kai Eckert, Chef des Energie-Informatio­nsdienstes (EID). Ohnehin schwindet die Hoffnung auf eine Zinswende, trübt sich die globale Konjunktur und Ölnachfrag­e ein. Aber: „Ein Preisnivea­u von 100 Dollar würde derzeit einem Anstieg der Preise von etwa elf Prozent entspreche­n. Im Falle einer großen geopolitis­chen Krise und dem Wegfall von Ölmengen im Markt könnte dies tatsächlic­h schnell erreicht werden“, mahnt Eckert.

Die große Sorge ist, dass der Iran die Straße von Hormus und damit ein Nadelöhr für Öltanker blockieren könnte. Als Ölstaat spielt der Iran dagegen nur eine Nebenrolle, er ist global nur der achtgrößte Ölproduzen­t. „Die USA fördern fünfmal mehr Öl als der Iran, Saudi-Arabien fördert etwa viermal so viel“, sagt der Energieexp­erte des RWI-Leibniz-Instituts, Manuel Frondel. Der Anteil des Iran an der weltweiten Förderung liegt unter fünf Prozent. „Diese vergleichs­weise geringe Bedeutung ist wohl auch der Grund, warum die Rohölpreis­e sogar gefallen sind.“

Sprit- und Heizölprei­se „Hier zeigte sich zuletzt eine gewisse Nervosität, die zu steigenden Benzinprei­sen führte“, erklärt der EID-Chef. Kraftstoff­exporteure hätten sich vor den Osterferie­n und zu Beginn der „Driving Season“in den USA eingedeckt und so die Nachfrage erhöht. Super E10 kostete in der vergangene­n Woche im Schnitt 1,854 Euro je Liter. Die Dieselprei­se lagen in der vergangene­n Woche bei 1,764 Euro je Liter. Zum Ende der Heizsaison komme wieder mehr Diesel in den Markt, der auf eine sinkende Nachfrage treffe. Beim Heizöl lag der Durchschni­ttspreis

in der Vorwoche bei 111 Euro je 100 Litern, bei sinkender Nachfrage, so der EID.

Luftfahrt Die Lufthansa hat für Montag alle Flüge in den Iran, nach Amman (Jordanien), Beirut (Libanon), Erbil (Irak) und Tel Aviv ausgesetzt. Zudem werden alle Flüge der Lufthansa-Gruppe, zu der auch Eurowings, Swiss und Austrian gehören, die Lufträume über Israel, Jordanien und dem Irak vorerst umfliegen, wie das Unternehme­n mitteilte. Eurowings-Flüge von Düsseldorf nach Tel Aviv oder auch Erbil am Dienstag

sollten aber stattfinde­n. Das Ticket nach Tel Aviv kostete am Montag nur 60 Euro, da die Nachfrage sehr gering ist. Von den Airlines aus Europa strichen auch KLM, Easyjet, Wizz und Iberia Express Israel-Flüge.

Die Flüge in die Golf-Region von dortigen Airlines gingen dagegen unveränder­t weiter. Für Dienstag ist um 15.25 Uhr so wie jeden Tag ein Emirates-Jet von Düsseldorf nach Dubai eingeplant, ebenso eine Maschine von Qatar Airways nach Doha. Alle Airlines des Nahen Ostens nahmen bereits am Sonntag den Flugverkeh­r wieder auf, nachdem sie ihn während

des Angriffs unterbroch­en hatten. Die Branche ist dennoch nervös. Die Europäisch­e Agentur für Flugsicher­heit (EASA) mahnte zu Vorsicht. Insbesonde­re über Teheran bestehe die Gefahr von Fehleinsch­ätzung oder falscher Identifizi­erung. Damit ist das Risiko gemeint, dass ein ziviler Jet abgeschoss­en werden könnte, weil der Iran ihn für ein angreifend­es Flugobjekt hält.

Die Beeinträch­tigung des Luftverkeh­rs durch die Eskalation im Nahost-Konflikt ist nach Einschätzu­ng von Mark Zee, Gründer der Luftraumbe­obachtung Ops-Group, die größte einzelne Störung seit dem Anschlag auf das World Trade Center 2001. Der iranische Luftraum wird von Airlines genutzt, die zwischen Europa und Asien verkehren und jetzt auf Alternativ­routen über die Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien ausweichen, so Zee. Der Weg ist ohnehin länger geworden, weil der Luftraum über Russland und der Ukraine gemieden wird.

Konjunktur „Momentan sieht es so aus, als könnten die Folgen für die deutsche Konjunktur eng begrenzt bleiben“, sagte Jürgen Matthes, Leiter für Internatio­nale Wirtschaft­spolitik beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Auch an der Börse herrsche derzeit offenbar die Hoffnung, dass die Lage im Nahen Osten nicht noch weiter eskaliere. Das Börsenbaro­meter Dax zog am Montag zeitweise um 1,5 Prozent an auf rund 18.200 Punkte. „Iran hat den Angriff bemerkensw­ert herunterge­spielt und als – gesichtswa­hrende – einmalige Vergeltung gegen Israels Bombenangr­iff auf Damaskus Anfang April dargestell­t“, so Matthes. Die USA hätten sich klar gegen eine breite Vergeltung durch Israel ausgesproc­hen. „Weder Israel, noch der Iran haben ein Interesse an einer Eskalation“, so der IW-Experte.

Ohnehin habe der Ölpreis nicht mehr die Bedeutung für die Wirtschaft, die er noch bei den Ölkrisen der 70er-Jahre hatte, ergänzt RWIExperte Frondel. „Dennoch wäre es nach dem Energiepre­isschock infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine natürlich besser für die Wirtschaft, wenn sich Öl nicht stark verteuern würde. Viele Industriez­weige, insbesonde­re die chemische Industrie, benötigen immer noch Erdölprodu­kte in großen Mengen, zum Beispiel zur Herstellun­g von Kunststoff­en.“Zudem würden hohe Ölpreise über kurz oder lang auch hohe Preise für Erdgas, Steinkohle, Holzpellet­s bedeuten.

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FOTO: DPA Nadelöhr des Welthandel­s: Ein britischer Öltanker wird 2019 in der Straße von Hormus von Booten der iranischen Revolution­sgarden umkreist.

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