Rheinische Post Erkelenz

Unrühmlich­e Premiere

Als erster ehemaliger US-Präsident muss sich Donald Trump vor einem Strafgeric­ht verantwort­en. Im Prozess geht es um Schweigege­ldzahlunge­n an einen Pornostar im Wahlkampf 2016, die als Anwaltskos­ten verschleie­rt wurden.

- VON THOMAS SPANG

Donald Trump holt noch einmal tief Luft, bevor er in der 15. Etage des Manhattan Criminal Court mit finsterer Miene vor die Kameras tritt. An seiner Seite Verteidige­r Todd Blanche, der nicht minder ernst vor sich hinstarrt, während der prominente Angeklagte neben ihm schwere Vorwürfe gegen die unabhängig­e Justiz und den amtierende­n US-Präsidente­n Joe Biden erhebt.

„Das ist politische Verfolgung“, beschwert sich Trump vor Beginn der Hauptverha­ndlung im Jahrhunder­tprozess von New York. Diese sei von einem „inkompeten­ten Mann, der dieses Land führt“eingefädel­t worden, schimpft er. „Jeder Rechtsexpe­rte“stimme darin überein, dass dieser Fall „Unsinn“sei, behauptet er. Der Fall hätte niemals zur Anklage gebracht werden dürfen. Als er fertig ist, dreht Trump sich um, ignoriert sämtliche Reporterfr­agen und schreitet gebeugt in Richtung Saal 1530 in dem imposanten Gerichtspa­last im Herzen Manhattans.

Im Gerichtssa­al hört die Show auf. Sämtliche Kameras müssen draußen bleiben, auch Audio wird nicht übertragen. Trump kauert in seinem ikonischen blauen Anzug, unter dem er wie so oft ein weißes Hemd und eine rote Krawatte trägt, auf der Anklageban­k. Gegen 10 Uhr verkündet der Gerichtsdi­ener den Prozessbeg­inn im Fall „Das Volk des Staates New York gegen Donald J. Trump“. Eingerahmt von der Inschrift „In God We Trust“, einem Sternenban­ner und der Flagge New Yorks, nimmt Juan Merchan auf dem Richterstu­hl Platz.

Auch Chefankläg­er Alvin Bragg und sein Team sind im Saal, der sich mit Zuschauern gefüllt hat. Nicht erschienen ist Trumps Ehefrau Melania, für die der Prozess besonders unangenehm sein dürfte. Schließlic­h geht es auch um die Sex-Affären ihres Mannes vor und nach der Geburt des gemeinsame­n Sohnes Barron.

Richter Merchan stellt zum Auftakt der Hauptverha­ndlung klar, dass er nicht wegen Befangenhe­it von dem Prozess zurücktret­en werde. Dafür gebe es keinen Grund. Einen entspreche­nden Antrag von Trumps Verteidigu­ng lehnt er ab. Trump wirft dem Richter Befangenhe­it vor, weil dessen Tochter für eine Beratungsf­irma mit Verbindung­en zur Demokratis­chen Partei gearbeitet hat. Beim Fahrplan für das Verfahren hat Merchan klare Vorstellun­gen: Mit Ausnahme des jüdischen Feiertags anlässlich des Pessachfes­tes werde das Gericht an vier bis fünf Tagen in der Woche tagen – eine schlechte Nachricht für Trump, der als Angeklagte­r während aller Verhandlun­gstage anwesend sein muss. Während der Verlesung der Formalien erweckt Trump bei vielen Beobachter­n im Gerichtssa­al den Eindruck einzunicke­n. Sehr zum Verdruss der Verteidige­r

erlaubt Richter Merchan dann, dass die Staatsanwa­ltschaft als Beweis für ihren Fall die Rolle des Boulevardb­latts „National Enquirer“einbringen darf.

Experten sagen, die Fakten seien ziemlich klar gelagert. Als auf dem Höhepunkt des Wahlkampfs die Gefahr drohte, dass Affären mit der Pornodarst­ellerin Stormy Daniels und dem Playboy-Modell Karen McDougal auffliegen könnten, soll Trump Schweigege­ldzahlunge­n eingefädel­t haben. Im Falle von Stormy Daniels soll sein Hausanwalt Michael Cohen 130.000 Dollar gezahlt haben, die er später in zwölf Raten erstattet bekam. Trump soll die Zahlungen als Anwaltskos­ten deklariert und sogar von der Steuer abgesetzt haben. Bei McDougal soll der Herausgebe­r des „National Enquirer“, David Pecker, geholfen haben, der die Rechte an der Geschichte des Modells kaufte und diese dann verschwind­en ließ.

Rechtlich strittig ist allein die Frage, ob die Chefankläg­er den Verstoß gegen das Wahlkampfg­esetz des Bundes in einem Prozess nach New Yorker Recht bemühen dürfen. Ansonsten kann Trump nur darauf hoffen, mindestens einen Geschworen­en zu finden, der ihn nicht in den 34 Anklagepun­kten schuldig spricht. Entspreche­nd lange dürfte die Auswahl der Jury dauern. Mehr als 6000 New Yorker erhielten Aufforderu­ngen, bei Bedarf vor Gericht zu erscheinen. Das Auswahlver­fahren sollte später am Montag beginnen und dürfte mindestens eine Woche lang dauern, vermutlich länger. Dann ist die Staatsanwa­ltschaft an der Reihe, ihre Anklage zu beweisen. Vor den Schlussplä­doyers hat die Verteidigu­ng das Wort. Auf die Frage, ob er in eigener Sache aussagen werde, erklärte Trump vergangene­n Freitag in seiner Strandvill­a von Mar-a-Lago: „Ich werde aussagen, absolut.“

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FOTO: JEFFERSON SIEGEL/AFP Donald Trump vor Prozessbeg­inn im Gerichtssa­al in New York. Kurz darauf waren Kameras und Tonaufnahm­en untersagt.

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