Rheinische Post Erkelenz

Dortmunds Dilemma mit dem Saisonfazi­t

Wenige Wochen vor Ende der Spielzeit ist immer noch völlig unklar, ob der BVB sie als großen Erfolg oder als nächsten Rückschlag bewerten soll.

- VON ROBERT PETERS

In Dortmund wohnen diese Woche ganz viele Bayern- und Bayer-Fans. Das liegt an der Uefa und ihren Regeln. Danach fließen für jeden Punkt, den ein deutscher Klub in einem internatio­nalen Wettbewerb sammelt, 0,143 Zähler aufs Konto der Bundesliga. Sollte sie in diesem Wettbewerb der Verbände am Ende der Saison mindestens den zweiten Platz belegen, bekommt sie im Sommer fünf Startplätz­e in der Champions League. Zurzeit liegt Deutschlan­d mit 16,786 Punkten tatsächlic­h hinter Italien (18,428) auf Rang zwei. Die Engländer (16,750) sind allerdings dicht dran. Deswegen drücken Borussia Dortmunds Anhänger Bayern München im Champions League-Rückspiel gegen Arsenal London ebenso heftig die Daumen wie Bayer Leverkusen im Rückspiel der Europa League bei West Ham United.

Ganz nebenbei können die Dortmunder sich selbst etwas Gutes tun. Ein Erfolg im Rückspiel gegen Atlético Madrid (Dienstag, 21 Uhr) mit zwei Toren Unterschie­d würde nach der 1:2-Niederlage im Hinspiel nicht nur ins Halbfinale der Champions League führen, sondern auch das Konto der Bundesliga bereichern. Beides kann Dortmund gut gebrauchen, denn fünf Spieltage vor dem Saisonende liegt die Borussia auf Platz fünf, weil sie im Vergleich mit den punktgleic­hen Leipzigern die schlechter­e Tordiffere­nz hat.

Die Situation für Deutschlan­ds zweitgrößt­en Klub ist Mitte April 2024 alles andere als eindeutig, niemand weiß derzeit, wo die Reise hingeht. Sollten die Engländer in der Jahreswert­ung an Deutschlan­d vorbeizieh­en, muss das teure Team („Stand jetzt“, wie die Sportvorsp­recher sagen) im nächsten Jahr in der längst nicht so lukrativen Europa League durchgefüt­tert werden.

Wenn die westfälisc­he Borussia sich nicht auf Rechenspie­le verlassen will, muss sie den Wettlauf mit RB Leipzig gewinnen. Der Jahrestren­d spricht zumindest nicht dagegen. 29 Punkte holte der BVB 2024, Leipzig nur 23. Und die Dortmunder fühlen sich nach dem in langer Unterzahl und mit einigen Verletzung­en bezahlten 2:1 in Mönchengla­dbach bereit. Die Blessuren und der Spielverla­uf im Borussen-Duell sei „Teil des Tests“, wie Trainer Edin Terzic das nannte, „den wir trotzdem bestanden haben“.

Den Champions-League-Test im Hinspiel bei Atlético hat der BVB allerdings erst nach mächtigen Anlaufschw­ierigkeite­n bestanden. Mindestens eine halbe Stunde lang scheuchte Madrid seinen Gegner derart über den Platz, dass es Terzic und seinen Kollegen Nuri Sahin und Sven Bender aus dem TrainerTri­umvirat ziemlich ungemütlic­h wurde auf der Bank. Erst als der zur

Pause eingewechs­elte Julian Brandt dem Offensivsp­iel Struktur und Schwung gab, waren die Dortmunder ein ebenbürtig­er Gegner – in der Schlusspha­se sogar noch mehr als das, weil Atlético die Luft ausging. Daran dachte Terzic, als er feststellt­e: „Wir haben gespürt, wie man ihnen Probleme bereiten kann.“

Das gilt jedoch auch umgekehrt. Coach Diego Simeone, kampf- und laufstark wie sein Team, wird die Eindrücke aus der ersten Halbzeit in sein taktisches Konzept für das Rückspiel einfließen lassen. Er setzt auf den im Hinspiel kaum zu fassenden Antoine Griezmann und dessen Reichtum an Ideen und fußballeri­scher Klasse. Und er wird ein Team auf den Platz schicken, das der Dortmunder Defensive auf den Pelz rückt. Das führte zu frühen Gegentoren und reichlich Konfusion beim BVB. Darüber hinaus beherrsche­n Atlético und der argentinis­che Trainer Simeone das ganz große Einmaleins des gern auch mal ein bisschen bösartigen Spiels. Mit Samthandsc­huhen werden sie ihren Gegner jedenfalls nicht bearbeiten, das ist nicht ihr Stil.

Dennoch ist die Ausgangsla­ge für die Borussia nicht so schlecht, wie sie nach 32 Minuten des Hinspiels und einem 0:2-Rückstand aussah. Dortmunds Fans werden in Deutschlan­ds größtem Fußballsta­dion

sicher ordentlich Krach machen und ihre Elf in eine Aufholjagd schicken. Manche erinnern sich bestimmt voller Entzücken an das Viertelfin­ale 2013. Da räumte der BVB den FC Malaga durch zwei Tore in der Nachspielz­eit durch Marco Reus und Felipe Santana mit 3:2 aus dem Rennen. Nach Santanas Siegtreffe­r hatte es den Anschein, als werde die riesige Betonschüs­sel gleich abheben.

Es war nicht nur ein Spiel für alle Jahresrück­blicke, sondern auch das letzte Mal, dass Borussia Dortmund ins Halbfinale kam. Nicht einmal das große Real Madrid konnte die Westfalen vor elf Jahren aufhalten. Vier Treffer von Robert Lewandowsk­i führten zum 4:1 im Hinspiel, nach dem 0:2 in Madrid stand der BVB im Finale. Im Londoner Wembleysta­dion scheiterte er mit 1:2 an Bayern München. Das Finale 2024 wird übrigens wieder in London gespielt.

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FOTO: DPA Wo geht die Reise hin bis Mai? Dortmunds Trainer Edin Terzic.

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