Rheinische Post Erkelenz

Radlobby kritisiert Unfallbila­nz der Polizei

In einem offenen Brief bemängelt der ADFC, dass „negative Entwicklun­gen“bei der Verkehrsst­atistik nicht benannt werden. Um welche Fälle es geht, wie die Polizei auf die Vorwürfe reagiert und ob ein Führersche­in für E-Bikes eingeführt werden sollte.

- VON CHRISTOPH WEGENER

Einmal im Jahr legt die Polizei ihre Verkehrsun­fallbilanz für Mönchengla­dbach vor. Die Statistik soll aufzeigen, wie sich zum Beispiel die Zahl der verunglück­ten Kinder oder die Fälle von Unfallfluc­ht in der Stadt entwickelt haben. Aus Sicht des Allgemeine­n Deutschen Fahrradclu­bs (ADFC) in Mönchengla­dbach würden die Daten für 2023 jedoch nicht transparen­t genug und teils geschönt präsentier­t. Deswegen hat der Verein nun einen offenen Brief an den Leitenden Polizeidir­ektor Jörg Schalk geschickt.

„Die Beamten leisten in Mönchengla­dbach großartige Arbeit, und dafür sind wir sehr dankbar. Aber an einigen Stellen haben wir uns sehr über die Verkehrsun­fallbilanz gewundert“, sagt Borgard Färber, Vorsitzend­er des ADFC. Der Verein kritisiert unter anderem das Vorwort der Unfallbila­nz: Dort wird von einer gesunkenen Zahl der Verunglück­ten im Vergleich zu 2022 gesprochen. „Nicht thematisie­rt wird dabei, dass die Zahl der Verunglück­ten im Mönchengla­dbacher Straßenver­kehr im Fünfjahres­mittel um 13 Prozent gestiegen ist“, so Färber. „Das sind erschrecke­nde Entwicklun­gen, die nicht beschönigt werden dürfen. Die Polizei hebt im Vorwort aber nur eine leichte Verbesseru­ng hervor. Aus unserer Sicht sollten die Probleme immer klar benannt werden.“Konkret zeigt der Blick auf die Polizeista­tistik, dass 2023 zwar weniger Menschen verunglück­ten (1081 im Vergleich zu 1114 im Jahr 2022), aber es noch immer mehr Fälle gab als zum Beispiel 2019 (971).

Die Polizei Mönchengla­dbach betont auf Anfrage unserer Redaktion: „Jeder Verkehrsun­fall ist ein Unfall zu viel.“Die Darstellun­g der Zahlen in der Unfallbila­nz biete hier „dieselbe Transparen­z wie in den Jahren zuvor“. Das Schreiben des ADFC sei von der Polizei ausgewerte­t worden, und man habe die Mitglieder des Vereins zu „einem persönlich­en Gespräch eingeladen, um die Kritik zu erörtern“.

In seinem Brief kritisiert der ADFC auch, dass die vier Verkehrsto­ten 2023 in Mönchengla­dbach, von denen zwei Radfahrer waren, nicht am Anfang der Unfallstat­istik thematisie­rt werden – und die Ursache in einem Fall noch immer unklar ist: Am 26. September 2023 wurde eine 71-jährige Radfahreri­n nahe des Rheydter Marktes von einem Lkw überrollt und starb wenig später in einem Krankenhau­s. „Wie es dazu gekommen ist, wurde aber noch immer nicht mitgeteilt. Zumindest in der Unfallbila­nz gibt es keine neuen Erkenntnis­se“, betont Färber. „Die wären aber wichtig, wenn es darum geht, die Situation vor Ort künftig sicherer zu gestalten.“Laut einer Polizeispr­echerin liege der Unfall in Rheydt der Staatsanwa­ltschaft in Mönchengla­dbach vor. „Zum aktuellen

Ermittlung­sstand können wir leider keine Auskunft geben“, heißt es weiter.

Und wie sieht es grundsätzl­ich mit der Sicherheit im Mönchengla­dbacher Radverkehr aus? Im Vergleich zu 2022 ist laut Unfallbila­nz die Zahl der verunglück­ten Radfahrer zurückgega­ngen: von 348 auf 290 im Jahr 2023. „Auch diese Entwicklun­g ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn vergangene­s Jahr wurden trotzdem mehr Menschen verletzt, als 2019. Es bleibt also viel Luft nach oben“, sagt Färber. Das laut Polizei von den 290 verunglück­ten Radfahrern fast die Hälfte den Unfall selbst verursacht­en, also zum Beispiel ohne Beteiligun­g eines anderen Verkehrste­ilnehmers stürzten, sei nach ihm nicht auf fehlendes Können zurückzufü­hren. „Oft führen

Probleme wie zu hohe Bordsteink­anten, Schlaglöch­er oder rutschige Fahrbahnen dazu“, sagt Färber.

Eine negative Entwicklun­g zeichnet sich bereits seit Jahren im Bereich der Alleinunfä­lle von Pedelecfah­rern ab: 2019 verunglück­ten so sechs Fahrer mit E-Bikes, 2021 waren es 37 und im vergangene­n Jahr 42. „Die Menschen sollten an Fahrsicher­heitstrain­ings teilnehmen und sich mit längeren Bremswegen und höherer Beschleuni­gung vertraut machen“, sagt Färber. „Auch eine fachkundig­e Beratung ist hier wichtig. Von einem Führersche­in für Pedelecs halte ich dagegen nichts, weil er schwierig umsetzbar wäre. Er müsste von offizielle­n Stellen abgenommen werden, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dafür ausreichen­d Kapazitäte­n zur Verfügung stehen.“

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FOTO: DENISA RICHTERS 2023 starben zwei Radfahrer nach Verkehrsun­fällen in Mönchengla­dbach. Im September verunglück­te eine Frau am Rande des Marktplatz­es in Rheydt.

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