Radlobby kritisiert Unfallbilanz der Polizei
In einem offenen Brief bemängelt der ADFC, dass „negative Entwicklungen“bei der Verkehrsstatistik nicht benannt werden. Um welche Fälle es geht, wie die Polizei auf die Vorwürfe reagiert und ob ein Führerschein für E-Bikes eingeführt werden sollte.
Einmal im Jahr legt die Polizei ihre Verkehrsunfallbilanz für Mönchengladbach vor. Die Statistik soll aufzeigen, wie sich zum Beispiel die Zahl der verunglückten Kinder oder die Fälle von Unfallflucht in der Stadt entwickelt haben. Aus Sicht des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) in Mönchengladbach würden die Daten für 2023 jedoch nicht transparent genug und teils geschönt präsentiert. Deswegen hat der Verein nun einen offenen Brief an den Leitenden Polizeidirektor Jörg Schalk geschickt.
„Die Beamten leisten in Mönchengladbach großartige Arbeit, und dafür sind wir sehr dankbar. Aber an einigen Stellen haben wir uns sehr über die Verkehrsunfallbilanz gewundert“, sagt Borgard Färber, Vorsitzender des ADFC. Der Verein kritisiert unter anderem das Vorwort der Unfallbilanz: Dort wird von einer gesunkenen Zahl der Verunglückten im Vergleich zu 2022 gesprochen. „Nicht thematisiert wird dabei, dass die Zahl der Verunglückten im Mönchengladbacher Straßenverkehr im Fünfjahresmittel um 13 Prozent gestiegen ist“, so Färber. „Das sind erschreckende Entwicklungen, die nicht beschönigt werden dürfen. Die Polizei hebt im Vorwort aber nur eine leichte Verbesserung hervor. Aus unserer Sicht sollten die Probleme immer klar benannt werden.“Konkret zeigt der Blick auf die Polizeistatistik, dass 2023 zwar weniger Menschen verunglückten (1081 im Vergleich zu 1114 im Jahr 2022), aber es noch immer mehr Fälle gab als zum Beispiel 2019 (971).
Die Polizei Mönchengladbach betont auf Anfrage unserer Redaktion: „Jeder Verkehrsunfall ist ein Unfall zu viel.“Die Darstellung der Zahlen in der Unfallbilanz biete hier „dieselbe Transparenz wie in den Jahren zuvor“. Das Schreiben des ADFC sei von der Polizei ausgewertet worden, und man habe die Mitglieder des Vereins zu „einem persönlichen Gespräch eingeladen, um die Kritik zu erörtern“.
In seinem Brief kritisiert der ADFC auch, dass die vier Verkehrstoten 2023 in Mönchengladbach, von denen zwei Radfahrer waren, nicht am Anfang der Unfallstatistik thematisiert werden – und die Ursache in einem Fall noch immer unklar ist: Am 26. September 2023 wurde eine 71-jährige Radfahrerin nahe des Rheydter Marktes von einem Lkw überrollt und starb wenig später in einem Krankenhaus. „Wie es dazu gekommen ist, wurde aber noch immer nicht mitgeteilt. Zumindest in der Unfallbilanz gibt es keine neuen Erkenntnisse“, betont Färber. „Die wären aber wichtig, wenn es darum geht, die Situation vor Ort künftig sicherer zu gestalten.“Laut einer Polizeisprecherin liege der Unfall in Rheydt der Staatsanwaltschaft in Mönchengladbach vor. „Zum aktuellen
Ermittlungsstand können wir leider keine Auskunft geben“, heißt es weiter.
Und wie sieht es grundsätzlich mit der Sicherheit im Mönchengladbacher Radverkehr aus? Im Vergleich zu 2022 ist laut Unfallbilanz die Zahl der verunglückten Radfahrer zurückgegangen: von 348 auf 290 im Jahr 2023. „Auch diese Entwicklung ist aber mit Vorsicht zu genießen, denn vergangenes Jahr wurden trotzdem mehr Menschen verletzt, als 2019. Es bleibt also viel Luft nach oben“, sagt Färber. Das laut Polizei von den 290 verunglückten Radfahrern fast die Hälfte den Unfall selbst verursachten, also zum Beispiel ohne Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers stürzten, sei nach ihm nicht auf fehlendes Können zurückzuführen. „Oft führen
Probleme wie zu hohe Bordsteinkanten, Schlaglöcher oder rutschige Fahrbahnen dazu“, sagt Färber.
Eine negative Entwicklung zeichnet sich bereits seit Jahren im Bereich der Alleinunfälle von Pedelecfahrern ab: 2019 verunglückten so sechs Fahrer mit E-Bikes, 2021 waren es 37 und im vergangenen Jahr 42. „Die Menschen sollten an Fahrsicherheitstrainings teilnehmen und sich mit längeren Bremswegen und höherer Beschleunigung vertraut machen“, sagt Färber. „Auch eine fachkundige Beratung ist hier wichtig. Von einem Führerschein für Pedelecs halte ich dagegen nichts, weil er schwierig umsetzbar wäre. Er müsste von offiziellen Stellen abgenommen werden, und ich kann mir nicht vorstellen, dass dafür ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen.“