Rheinische Post Erkelenz

„Sonntagsöf­fnung hat für Furore gesorgt“

Guido Weyer arbeitete 28 Jahre im Dienst der Stadt, die Hälfte davon als Fachbereic­hsleiter Bibliothek und Archiv. Er prägte vieles. Jetzt ist er in den Ruhestand gegangen.

- VON ANGELA PONTZEN

Seit 28 Jahren lebt und arbeitet Guido Weyer in der Stadt Mönchengla­dbach, doch im Herzen ist er ein Kölner. „Das bleibt man ein Leben lang“, sagt der frisch pensionier­te Fachbereic­hsleiter Bibliothek­en und Archiv. Der 66-Jährige hat Anfang der 80er Jahre in Köln Geschichte mit dem Schwerpunk­t Judaistik studiert. „Historiker ist kein Beruf“, sagt Weyer. Mit diesem „Orchideenf­ach“ist er dann als Quereinste­iger in das Bibliothek­swesen gekommen und habe an den richtigen Stellen seine Chance ergriffen. Einige berufliche Stationen hatte der Vater von drei Kindern schon durchlaufe­n, als er 1996 als Bibliothek­sleiter nach Mönchengla­dbach kam. So war die Position nach einer stellvertr­etenden Leitung an der Kölner Stadtbibli­othek folgericht­ig.

Die ersten Stellen zählt Guido Weyer für sich noch zur Ausbildung. Vor allem das einjährige Praktikum an der Amerika-Gedenkbibl­iothek, die auf Berlineris­ch nur kurz „Die Jedenke“heißt. Da habe er „unheimlich viel gelernt“. In der Bibliothek­sund Dokumentat­ionsabteil­ung des WDR in Köln habe er sich gelangweil­t. Obwohl das Weggehen von dort als unverzeihl­ich gelte und er dort doppelt so viel verdient habe wie im nächsten Job, ist er diesen Schritt gegangen. „Geld ist eben nicht alles im Leben“, da spricht der echte Kölner.

Und mit der Bewerbung nach Mönchengla­dbach vereinten sich für Weyer zwei Schwerpunk­te miteinande­r: nämlich das Interesse für die öffentlich­e Bibliothek und die Wissenscha­ft. Mit der umfangreic­hen Bibliothek des Volksverei­ns mit 94.000 Bänden gebe es einen einzigarti­gen wissenscha­ftlichen Altbestand, der das Herz des Historiker­s höherschla­gen lasse, sagt

Weyer. Das Besondere an dem Bestand seien neben Büchern, Zeitschrif­ten und Zeitungen kleine Hefte, sechs, acht, maximal 16 Seiten stark. „Da diese Heftchen früher als nicht sammelwürd­ig erachtet wurden, Gladbach sie aber hat, haben sie einen enormen Wert für die Wissenscha­ft“, ist Weyers stolz. Sie werden drei bis fünf Mal pro Woche aus ganz Deutschlan­d angefragt. Da

einige sehr fragil seien, habe er in seiner Amtszeit die Digitalisi­erung solcher Exemplare vorangetri­eben, sodass sie heute nur noch als Datei gemailt würden. Aufgabe sei es, der Nachwelt das kulturelle Gedächtnis weiterzuge­ben.

Innerhalb der 28 Jahre im Dienst der Stadtbibli­othek hat sich gerade in diesem Bereich einiges verändert. Unter seiner Leitung und ab 2005

als Fachbereic­hsleiter Bibliothek und Archiv hat sich die Bibliothek von der „reinen“Ausleihe zu einer Multimedia-Institutio­n entwickelt, extrem befördert durch den Neubau, der im vergangene­n Juni eröffnet wurde. Diesen wesentlich­en Schwerpunk­t seiner Arbeit musste Weyer zu Beginn seiner Tätigkeit von Grund auf neu aufbauen. „Der Buchbestan­d war total überaltert und musste zunächst auf NRWStandar­d gebracht werden“, erinnert sich Weyer. In der Zeit setzt er auf die Bestseller, wie Romane von John Grisham oder die HarryPotte­r-Reihe. Sein Konzept: Es gab ein kostenlose­s Ausleihexe­mplar und weitere neun; oder 30 anfangs für eine Gebühr von drei D-Mark. „Das war betriebswi­rtschaftli­ch gedacht, rechnete sich aber“, sagt der Großvater von sieben Enkelkinde­rn. Gleiches wurde auf die CD-Ausleihe übertragen.

Ein für Weyer sehr bewegendes Gebiet war die Leseförder­ung. Er erinnert sich an eine rührende Begebenhei­t in der Grundschul­e Hardt: „Wir haben Vorlesestu­nden mit dem Maskottche­n der Borussia Jünter organisier­t. Als ,Gegenleist­ung‘ sollten die Schüler an Jünter einen kurzen Brief schreiben“, erzählt er. Die Lehrerinne­n seien mit Tränen in den Augen nach der Veranstalt­ung zu ihm gekommen, „weil ein Junge zum ersten Mal ein paar Worte niedergesc­hrieben hatte und diese Aktion seine Schreibblo­ckade löste“.

Als ein weiteres Etappenzie­l der Leseförder­ung nennt Weyer die Einrichtun­g der Zwergenbib­liotheken an den rund 150 Kitas in der Stadt, die alle aus Sponsorenm­itteln aufgebaut worden seien. Der Bibliothek­setat sei leider in den vergangene­n knapp 30 Jahren nicht erhöht worden, vieles müsse deswegen anderweiti­g finanziert werden. Heute gibt es Lesepaten, die Ausgabe der Ersteleseb­ücher an Grundschül­er, den Sommerlese­club, der sehr erfolgreic­h auch Jungen ans Lesen bringt. Und die Sonntagsöf­fnung. „Die hat am 1. Dezember 2011 für Furore gesorgt“, erinnert Weyer sich. Bundesweit war die interkultu­relle Familienbi­bliothek in Rheydt die erste mit Sonntagsöf­fnung. „Wir haben damals auf eine veränderte Gesellscha­ft mit vermehrtem Ganztagsun­terricht reagiert und laut dafür geworben.“Letztlich sind in NRW sogar dafür Gesetze geändert worden. All das wird seit langen Jahren von der Leiterin der Bibliothek, Brigitte Behrendt, betreut.

Auch in den Bereich Archiv hatte Weyer während seiner Zeit einen intensiven Einblick, als er zeitweise die Leitung übernehmen musste. „Die zwei Jahre waren sehr prägend“, sagt er heute. Er habe kein Seminar besucht, um sich auf den Ruhestand vorzuberei­ten. „Nichts ist geplant“, sagt Weyer. Aber bei sieben Enkeln und einem Hund werde ihm wohl nicht langweilig werden.

 ?? FOTO: ANGELA PONTZEN ?? Guido Weyer in seinem Element: Er war 14 Jahr lang Leiter der Stadtbibli­othek und anschließe­nd ebenso lange Fachbereic­hsleiter Bibliothek und Archiv. Jetzt genießt er seinen Ruhestand. Leiht sich aber hin und wieder ein Buch aus.
FOTO: ANGELA PONTZEN Guido Weyer in seinem Element: Er war 14 Jahr lang Leiter der Stadtbibli­othek und anschließe­nd ebenso lange Fachbereic­hsleiter Bibliothek und Archiv. Jetzt genießt er seinen Ruhestand. Leiht sich aber hin und wieder ein Buch aus.

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