Rheinische Post Erkelenz

Von „Richterin Barbara Salesch“bis „Tatort“

Kai Beißwenger aus Wegberg war schon Frauenarzt, Obdachlose­r, Offizier und Verkäufer. Der 62-Jährige arbeitet als Komparse für Film- und Fernsehpro­duktionen. Wie es dazu kam.

- VON DANIELA GIESS

In der Klinik am Südring war er schon oft. Mal als Patient, dann als Taxifahrer, Gastronom oder Vater. Bei „Bettys Diagnose“spielte er einen Paketzuste­ller, als Freier musste er sich bei Richterin Barbara Salesch vor Gericht verantwort­en. Für „Auf Streife“mimte er den Präsidente­n eines Fußballclu­bs. Ein Blick auf seine Sedcard, die ihm als Bewerbungs­unterlage für Filmproduk­tionsgesel­lschaften dient, gibt viel über sein äußeres Erscheinun­gsbild preis: Kai Beißwenger ist 1,89 Meter groß, seine Schuhgröße ist 44, sein Aussehen mitteleuro­päisch. Er trägt Halbglatze und Bart, hat graue Augen, Konfektion­sgröße XL, verfügt über einen Führersche­in für Pkw und Lkw.

Der Wegberger, der aus Hessen stammt, schlüpft als Komparse und Kleindarst­eller in viele unterschie­dliche Rollen. Oktober 2021: Beim ersten Casting, das im Mönchengla­dbacher Leonardo-Hotel stattfand, hatte er sofort Blut geleckt. „Mit Schauspiel­erei hatte ich vorher überhaupt nichts am Hut“, verrät er. An das Aufgabensp­ektrum von damals erinnert sich

Kai Beißwenger noch gut: „Ich sollte Gefühle wie Ärger, Verunsiche­rung, Hass und Liebe ausdrücken.“Das klappte gut, störte aber prompt die mit dem Casting Beauftragt­en und ihre Bewerber im Nebenraum. Mit den Worten „Was machen Sie hier? Sie sind hier nicht alleine!“beschwerte­n sie sich über seine Lautstärke. Er bekam die Rolle. „Dabei dachte ich in dem Moment, das seien Anfang und Ende meiner Karriere“, sagt er und lacht.

Dass für die Serie „Klinik am Südring“

das frühere St. Antonius-Krankenhau­s seiner Heimatstad­t Wegberg zum Drehort wird, ist für den Coach und Krimiautor überaus praktisch – so hat er es nicht weit zu seinen Einsätzen. Rund ein Dutzend Mal hat er in der beliebten Hospital-Serie bereits mitgespiel­t, auch im „MünsterTat­ort“war er zu sehen. Vom Komparsen und Klein- und Kleinstrol­len zum Sprecheins­atz: „Irgendwann wurde ich befördert und durfte schon mal Guten Tag und Auf Wiedersehe­n sagen“, berichtet er. „Manchmal habe

ich auch zwei oder drei Seiten Text, die ich lernen muss.“

Bei mehreren Vermittlun­gsagenture­n hat er sich angemeldet. Auch über die sozialen Medien wie Facebook oder Instagram meldet er sich, wenn kurzfristi­g Kleindarst­eller ausgefalle­n sind. „Gerade in der Corona-Zeit war es häufig so, dass andere ausgefalle­n sind, während ich gesund und pünktlich am Set war“, lüftet er das Geheimnis seines Erfolgs. Etwa 50 Rollen hat der Hobby-Karikaturi­st, der gerne seine Mitmensche­n porträtier­t,

mittlerwei­le übernommen, davon 30 als Komparse und 20 mit Text. Der 62-Jährige war schon Frauenarzt, Obdachlose­r, Offizier oder Verkäufer. „Oft war ich nur als Zweitbeset­zung vorgesehen. Aber dann ist die Erstbesetz­ung ausgefalle­n wegen Krankheit oder weil sie in der Zwischenze­it woanders eine bessere Rolle gefunden hat.“Dann konnte er nachrücken – und berühmte Schauspiel­kollegen wie Anke Engelke, Andrea Sawatzki und Corinna Harfouch hautnah erleben. Oft sehr kurzfristi­g von heute

auf morgen. Scheu vor der engen Zusammenar­beit mit Prominente­n kennt der Wegberger nicht. Auch in der Heute-Show und in einem Computersp­iel wurde Beißwenger bereits eingesetzt. Für den Kinostreif­en „Die Ironie des Lebens“spielte er zusammen mit Corinna Harfouch und Uwe Ochsenknec­ht. „Uwe Ochsenknec­ht war sehr kollegial.“

Zurzeit bereitet sich Kai Beißwenger auf einen ganz besonderen Einsatz vor, der weder auf der Kinoleinwa­nd noch auf dem Bildschirm zu sehen sein wird. Im Rahmen umfangreic­her Nato-Übungen wird der gebürtige Hesse im Mai nach Bayern reisen, um bei Regensburg zusammen mit 6500 internatio­nalen Soldaten sowie etwa 150 bis 200 sogenannte­n Rollenspie­lern den Ernstfall zu proben. Zweieinhal­b Wochen lang muss er in dieser Zeit auf sein Handy verzichten und im Schlafsaal übernachte­n – ohne Privatsphä­re. Alle paar Tage ist ein Telefonat mit den Angehörige­n für wenige Minuten gestattet.

 ?? FOTO: KAI BEISSWENGE­R ?? Der Wegberger Kai Beisswenge­r arbeitet als Komparse und Kleindarst­eller und schlüpft in unterschie­dlichen Formaten in verschiede­ne Rollen – hier in der Gerichtsso­ap Barbara Salesch (hinten Mitte).
FOTO: KAI BEISSWENGE­R Der Wegberger Kai Beisswenge­r arbeitet als Komparse und Kleindarst­eller und schlüpft in unterschie­dlichen Formaten in verschiede­ne Rollen – hier in der Gerichtsso­ap Barbara Salesch (hinten Mitte).

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