Von „Richterin Barbara Salesch“bis „Tatort“
Kai Beißwenger aus Wegberg war schon Frauenarzt, Obdachloser, Offizier und Verkäufer. Der 62-Jährige arbeitet als Komparse für Film- und Fernsehproduktionen. Wie es dazu kam.
In der Klinik am Südring war er schon oft. Mal als Patient, dann als Taxifahrer, Gastronom oder Vater. Bei „Bettys Diagnose“spielte er einen Paketzusteller, als Freier musste er sich bei Richterin Barbara Salesch vor Gericht verantworten. Für „Auf Streife“mimte er den Präsidenten eines Fußballclubs. Ein Blick auf seine Sedcard, die ihm als Bewerbungsunterlage für Filmproduktionsgesellschaften dient, gibt viel über sein äußeres Erscheinungsbild preis: Kai Beißwenger ist 1,89 Meter groß, seine Schuhgröße ist 44, sein Aussehen mitteleuropäisch. Er trägt Halbglatze und Bart, hat graue Augen, Konfektionsgröße XL, verfügt über einen Führerschein für Pkw und Lkw.
Der Wegberger, der aus Hessen stammt, schlüpft als Komparse und Kleindarsteller in viele unterschiedliche Rollen. Oktober 2021: Beim ersten Casting, das im Mönchengladbacher Leonardo-Hotel stattfand, hatte er sofort Blut geleckt. „Mit Schauspielerei hatte ich vorher überhaupt nichts am Hut“, verrät er. An das Aufgabenspektrum von damals erinnert sich
Kai Beißwenger noch gut: „Ich sollte Gefühle wie Ärger, Verunsicherung, Hass und Liebe ausdrücken.“Das klappte gut, störte aber prompt die mit dem Casting Beauftragten und ihre Bewerber im Nebenraum. Mit den Worten „Was machen Sie hier? Sie sind hier nicht alleine!“beschwerten sie sich über seine Lautstärke. Er bekam die Rolle. „Dabei dachte ich in dem Moment, das seien Anfang und Ende meiner Karriere“, sagt er und lacht.
Dass für die Serie „Klinik am Südring“
das frühere St. Antonius-Krankenhaus seiner Heimatstadt Wegberg zum Drehort wird, ist für den Coach und Krimiautor überaus praktisch – so hat er es nicht weit zu seinen Einsätzen. Rund ein Dutzend Mal hat er in der beliebten Hospital-Serie bereits mitgespielt, auch im „MünsterTatort“war er zu sehen. Vom Komparsen und Klein- und Kleinstrollen zum Sprecheinsatz: „Irgendwann wurde ich befördert und durfte schon mal Guten Tag und Auf Wiedersehen sagen“, berichtet er. „Manchmal habe
ich auch zwei oder drei Seiten Text, die ich lernen muss.“
Bei mehreren Vermittlungsagenturen hat er sich angemeldet. Auch über die sozialen Medien wie Facebook oder Instagram meldet er sich, wenn kurzfristig Kleindarsteller ausgefallen sind. „Gerade in der Corona-Zeit war es häufig so, dass andere ausgefallen sind, während ich gesund und pünktlich am Set war“, lüftet er das Geheimnis seines Erfolgs. Etwa 50 Rollen hat der Hobby-Karikaturist, der gerne seine Mitmenschen porträtiert,
mittlerweile übernommen, davon 30 als Komparse und 20 mit Text. Der 62-Jährige war schon Frauenarzt, Obdachloser, Offizier oder Verkäufer. „Oft war ich nur als Zweitbesetzung vorgesehen. Aber dann ist die Erstbesetzung ausgefallen wegen Krankheit oder weil sie in der Zwischenzeit woanders eine bessere Rolle gefunden hat.“Dann konnte er nachrücken – und berühmte Schauspielkollegen wie Anke Engelke, Andrea Sawatzki und Corinna Harfouch hautnah erleben. Oft sehr kurzfristig von heute
auf morgen. Scheu vor der engen Zusammenarbeit mit Prominenten kennt der Wegberger nicht. Auch in der Heute-Show und in einem Computerspiel wurde Beißwenger bereits eingesetzt. Für den Kinostreifen „Die Ironie des Lebens“spielte er zusammen mit Corinna Harfouch und Uwe Ochsenknecht. „Uwe Ochsenknecht war sehr kollegial.“
Zurzeit bereitet sich Kai Beißwenger auf einen ganz besonderen Einsatz vor, der weder auf der Kinoleinwand noch auf dem Bildschirm zu sehen sein wird. Im Rahmen umfangreicher Nato-Übungen wird der gebürtige Hesse im Mai nach Bayern reisen, um bei Regensburg zusammen mit 6500 internationalen Soldaten sowie etwa 150 bis 200 sogenannten Rollenspielern den Ernstfall zu proben. Zweieinhalb Wochen lang muss er in dieser Zeit auf sein Handy verzichten und im Schlafsaal übernachten – ohne Privatsphäre. Alle paar Tage ist ein Telefonat mit den Angehörigen für wenige Minuten gestattet.