Kleines Auto, große Liebe
Der VW Golf prägt die deutsche Autolandschaft bereits seit fünf Jahrzehnten. Wir haben Leserinnen und Leser nach ihren Abenteuern mit dem Klassiker gefragt. Geschichten über Freiheitsgefühle in den Ferien, ein Cabrio zum 18. Geburtstag und eine Entscheidu
Filmstar auf vier Rädern
Vor einigen Jahren nutzte ich die Gelegenheit, einen Golf I aus dem Jahr 1983 in einem ausgesprochen guten Zustand zu erwerben. Der Händler hatte dazu eine gute Geschichte parat: Der Wagen war als wichtiges Requisit in der Kinokomödie „Zwei im falschen Film“(2017/18) genutzt worden. Im kunstvoll ramponierten Look stand er symbolisch für die zerrüttete Beziehung der beiden Hauptfiguren, gespielt von Laura Tonke und Marc Hosemann. Zur Filmpremiere ein paar Monate später in Düsseldorf habe ich es mir nicht nehmen lassen, mit dem ehemaligen Filmwagen vor dem Kino vorzufahren – angemeldet natürlich. Die Schauspieler und Regisseurin Laura Lackmann freuten sich, Hosemann erzählte, er habe den Golf nach dem Dreh fast selbst gekauft, sich dann aber dagegen entschieden. So durfte ich den Golf mit der Nummer 53 auf der Tür, eine Reminiszenz an „Herbie“, einige Zeit fahren, habe ihn dann aber auch verkauft. Für mich war das Fahren wie eine kleine Zeitreise, und ich habe viele nette Menschen kennengelernt, die mich auf den Wagen angesprochen haben.
Hermann-Josef Simonis,
Dormagen
Blind vor Liebe
Im Februar 1978 kauften wir einen sandfarbenen Golf, 23.000 Kilometer gelaufen, zwei Jahre alt. Der Verkäufer wollte auch nicht mehr haben als den offiziellen Preis aus der Schwacke-Liste, damals 8200 DM, die hatten wir gerade angespart. So wurden wir stolze Besitzer des ersten eigenen Autos. Aber bald darauf kam es zu einem Ereignis, das ein Loch in unsere Kasse riss. Wir hatten den Golf im Februar gekauft, es war noch winterkalt. Das Auto stand gegenüber unserer Wohnung auf der anderen Straßenseite, es regnete leicht. Also bat ich meine Frau, im trockenen Hausflur zu warten, ich würde mit dem Auto vorfahren. Ich spurtete auf die andere Straßenseite und stieg in unser neues Auto. Die Scheiben beschlugen sofort. Aber ich brauchte ja nur zu wenden und auf der anderen Seite über den jetzt freien Parkstreifen und den breiten Bürgersteig bis zur Haustür vorzufahren. Ich hätte schwören können, die Laterne stand gestern noch nicht da! Aber an diesem Tag fuhr ich voll darauf zu, und sie sprang nicht zur Seite. Es schepperte laut. Ich hatte den Laternenpfahl mittig getroffen, Motorhaube und Kühlergrill zerdeppert. Ich war außer mir vor so viel Blödheit, aber meine Liebste nahm es mit Humor. Wir sahen uns den Schaden an, es lief nichts aus. „Fährt doch noch!“meinte sie nur, „auf zur Arbeit!“Die Reparatur hat dann 1200 D-Mark gekostet, eine völlig unnötige Ausgabe. Aber den Golf I sind wir dann bis 1983 unfallfrei gefahren, um ihn dann gegen einen beigefarbenen Golf II einzutauschen. Friedhelm Pfeiffer,
Rommerskirchen
Erinnerung an den Vater
Meinen Golf I GTI habe ich 1995 mit rund 200.000 Kilometer Laufleistung von meinem Vater übernommen. Der hatte ihn 1990 gekauft, damals hatte der Wagen aus dem Baujahr 1983 etwa 50.000 Kilometer auf der Uhr. Der Golf war Familienkutsche, Alltagsauto, wurde im Sommer wie im Winter bewegt, bis zur Einführung der Smogplakette und Erhöhung der Kfz-Steuer für Fahrzeuge ohne Katalysator. Danach wurde er eine Zeit lang abgemeldet in einer Tiefgarage abgestellt, später aber reaktiviert. Zu meinem 40. Geburtstag im Jahr 2010 beschloss ich, dem Wagen etwas Gutes zukommen zu lassen. Neues Fahrwerk, neue Lackierung, neue Kupplung, neue Bremsen – trotz mittlerweile rund 300.000 Kilometer Laufleistung. Seit dem Jahr 2014 hat der Golf eine H-Zulassung. Und er läuft und läuft und läuft… bis heute schon 355.000 Kilometer. Mein Golf ist Autofahren pur – und er ist ein Stück Erinnerung an meinen Vater.
Torsten Liedtke,
Neuss
Auf großer Tour
Im Sommer 1982 fuhren wir für drei Wochen mit einem grünen Golf I, mit Borussenraute auf dem Heck, auf große Tour nach Torredembarra an die Costa Dorada in Spanien, rund 1500 Kilometer von Gladbach entfernt. Mit knapp 20 Jahren, Dachgepäckträger, Zelt, ein paar Klamotten und einem Fußball ging es los in den „Summer of 82“. Ferien, Freude, Freiheit, Freunde und feiern – was will man mehr am Meer? Passend zur Vorfreude wurde die Musik im Auto immer lauter. Der Wagen
diente uns trotz der aufgebauten Unterkunft auf dem Campingplatz noch als Lagerfläche und sogar als zusätzlicher Schlafplatz, wenn es im Zelt mal zu voll wurde. Ein herrlicher Sonnenaufgang war immer inklusive. Auf der Rückfahrt kam nach der Fahrt durch die Serpentinen auf einmal schwarz-grauer Qualm aus dem Auspuff, und der Golf zog nicht mehr richtig an. Mit maximal 80 Kilometern pro Stunde konnten wir so ab Lyon nur noch über die Autobahn fahren und mussten ab und an Öl nachfüllen. Trotz defekter Zylinderkopfdichtung brachte uns das Auto aber sicher nach Hause – eine unvergessene Tour.
Ralf Langen,
Mönchengladbach
Gut ausgeschlafen
Wir haben unseren Golf I im Jahre 1981 zu einem „Schlafgolf“umgebaut. Hierbei wurde die Rücksitzbank entfernt und mit einem Unterbau aus Holz, der dann zum Kofferraum wurde, ausgestattet. So entstand eine Schlaffläche von 1,20 Meter mal 1,85 Meter. Alle Fenster bekamen selbst genähte Gardinen. Mit dem umgebauten Golf sind wir drei Wochen lang 5000 Kilometer durch Frankreich gefahren und haben auf vielen Campingplätzen erstaunte Blicke geerntet,
wenn morgens die Heckklappe aufging und wir gut ausgeschlafen ausstiegen.
Uwe Bartels
Ratingen Tanken mit Hindernissen
Im Mai 1977 bestellte ich für 10.950 D-Mark beim hiesigen VW-Händler einen Golf D. Kein L, kein S, kein Chrom, kein Radio. Deutschlands verbrauchsärmster Neuwagen in Sparfuchs-Ausstattung. Der Golf Diesel war begehrt, die Wartezeit lang. Im Oktober 1978, nach eineinhalb ungeduldigen Jahren, bekam ich mein heiß ersehntes Wunschauto endlich ausgeliefert. In Gelb mit schwarzen Zierleisten und schwarzweiß karierten Sitzen der Basisausstattung. Echt schick! Nur die mattsilbern lackierten Stoßstangen gefielen mir gar nicht. Eine Spraydose aus dem Baumarkt sorgte für billige Abhilfe. Die Halteschrauben der Stoßstangen vorn und hinten waren schnell gelöst, ein leichter Anschliff mit fein gekörntem Schleifpapier, und ruckzuck war die Optik mattschwarz. Das sah nicht mehr spießig, sondern sportlich aus, wie beim Golf GTI. Gern hätte ich auch den größeren Frontspoiler vom GTI montiert. Aber da zeigte der Tüv die rote Karte. Warum? Weiß bis heute keiner.
Zum Sparen beim Tanken ging es hinter Kevelaer in die Niederlande, dort war der Diesel oft 30 Pfennig pro Liter günstiger als an deutschen Zapfsäulen. Nur einen Haken hatte die Sache: Damit sich die Tanktouren maximal lohnten, musste man den Tank bis auf die letzten Tropfen leer fahren. Pech nur, wenn der Kraftstoff schon drei Kilometer vorher ausging. Der Weg zur Tanke war mir nicht schwer, aber ziemlich peinlich, weil ich viermal an den schadenfreudig grinsenden Grenzern vorbei musste. Erst mit leerem, dann mit vollem Kanister, danach auf Reserve und schließlich mit vollem Tank. Die wussten natürlich genau, was los war. Heinzgerd Schott,
Wesel
Erdbeerkörbchen zum Geburtstag
Der VW Golf I Cabrio, Baujahr 1984, volkstümlich auch Erdbeerkörbchen genannt, wurde von 2000 bis 2008 als Alltagswagen von meinen Eltern rege gefahren. Die darauffolgenden 15 Jahre verbrachte unser Erdbeerkörbchen im Dornröschenschlaf fast vergessen in der Garage. Letztes Jahr im August stand mein 18. Geburtstag vor der Tür, und der Wunsch, das Erdbeerkörbchen wieder zum Leben zu erwecken, war riesig. Zusammen mit meinem Patenonkel, einem großen Oldtimer-Liebhaber und Autobastler, habe ich einen ganzen Monat lang an dem Golf I gearbeitet. Erst beim zweiten Versuch hat er es aber durch den Tüv geschafft, nur drei Tage vor meinem Geburtstag. Ich – in dem Glauben, dass der Wagen leider in der Woche nicht mehr angemeldet werden konnte – stellte mich auf einen 18. Geburtstag ohne Erdbeerkörbchen ein. Doch an meinem Geburtstag stand der Wagen tatsächlich angemeldet vor der Haustür. Die Freude war natürlich riesig.
Franziska Reibel,
Grevenbroich
Lieber Auto als Job
Meine Geschichte spielt im Ost-Berlin des Jahres 1979. Die DDR-Regierung hatte beschlossen, die Autolandschaft etwas bunter zu gestalten. Es wurden 10.000 Golf I eingekauft, anfänglich für 3500 Ost-Mark, dann aber für ungefähr 27.000 bis 31.000 Ost-Mark verkauft. Bedingung: eine Anmeldung beim staatlichen Autohandel, die mindestens zehn Jahre alt ist und somit zuteilungsreif. Ein Ehepaar. aus Berlin-Mahlsdorf, beide im Polizeidienst, bekamen einen der neuen Golf I von ihrem Nachbarn angeboten, der ihn nicht wollte. Als sie mit dem Wagen zur Dienststelle fuhren, wurde Herr K. zum Chef einbestellt. Grund: das neue Auto. Es sei nicht vereinbar, dass Angehörige der DDR-Polizei in einem West-Auto fahren, hieß es. Herr K. wurde vor die Wahl gestellt, entweder der Polizeidienst oder das Auto. „Ich brauche keine Bedenkzeit, ich nehme das Auto“, sagte Herr K. Er und seine Frau wurden suspendiert. Herr K. arbeitete als Fahrlehrer, bei ihm habe ich meinen Führerschein gemacht, Frau K. war Sekretärin an meiner Schule. Mehr Liebe zu einem Auto geht nicht. Und den besagten Golf gibt es heute noch, und er wird auch noch gefahren. Jan Ziegert,
Hamminkeln
Relikt aus der Ahr-Flut
Im Mai vergangenen Jahres war ich auf der Suche nach einem neuen Auto für die Winterzeit und kam durch einen Zufall auf das Inserat eines lofotengrünen Golf I von 1976. Das Auto war 2021 leider durch das Hochwasser an der Ahr betroffen und stand bis über der Höhe des Armaturenbretts für Stunden unter Wasser, wurde aber vom damaligen Besitzer schnell trockengelegt. Da der Golf ein frühes Modell von 1976 ist, musste ich ihn erhalten. Es gab kein Zurück! Der Zustand war brauchbar, aber bescheiden, sodass das komplette Fahrzeug einmal zerlegt werden musste. Ich erneuerte unter anderem Motor, Fahrwerk und Bremsen, zerlegte und überholte Schaltung und Tank. Auch innen wurde alles neu gepolstert und aufgearbeitet. Jetzt ist der Golf wieder fahrbereit und fertig für sein Jubiläumsjahr 2024. Stefan Willkomm,