Großer Bahnhof für die Gräfin
Perfekt geschminkt und faltenlos, flankiert von zwei geschätzten Kolleginnen, zelebrierte Gräfin Henriette von Küppersbusch ihre Jubiläumsshow. Welche Songs und welche Kostüme das Publikum begeisterten.
Bis zum letzten Platz gefüllt war der Festsaal der Wassenberger Burg zur Jubiläumsshow von Gräfin Henriette von Küppersbusch, der von Heinz Küppers-Schilling kreierten Travestiefigur. Vor 25 Jahren machte der heute 43-jährige Birgelener, der im Zivilberuf Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung bei der Lebenshilfe ist, seine ersten, noch laienhaften Gehversuche im Travestie-Genre auf einer Privatfeier seiner Friseurin in der Oberbrucher Disko Invinkula. Von dem Missgeschick seines Stolperers bei diesem Premierenauftritt, der gleichwohl damals als Teil der Show durchging, erzählt Küppers immer noch gern. Liegt es vielleicht daran, dass Gräfin Henriette – die sich nach der kuriosen Geschichte eines Freundes über einen Aufschneider mit gräflichen Allüren diesen Adelstitel vor zehn Jahren zulegte – heute so versiert witzig auch kleine Missgeschicke, etwa mit Mikro und Soundtechnik, zu überbrücken versteht?
Die Gräfin zelebriert an diesem Abend ihre Rolle als perfekt geschminkte, komplett faltenlose Grande Dame in vielfach wechselnden schillernden Roben unter
anderem mit von ihr besonders geschätzten Chansonklassikern wie Marlene Dietrichs „Kann denn Liebe Sünde sein“. Den Mann unter der Maske der glamourösen Kunstfigur lässt der Travestiekünstler dabei fast vergessen. Zwischendurch parliert Henriette witzig, frech und auch mal ironisch-lasziv über ihre Erfahrungen als geplagte Frau von sage und schreibe 18 verschlissenen Ehemännern, lässt bei aller Ironie aber hin und wieder auch Ernstes durchschimmern, etwa in der Anekdote über ihr schwules Patenkind Tim.
Zum Mitfeiern ihres Jubiläums
hat die Gräfin zwei geschätzte Kolleginnen eingeladen, mit denen sie gemeinsam zur Eröffnung den bekannten „Willkommen“-Song aus dem Musical „Cabaret“präsentiert und mit dem Supremes-Hit „Stop! In the Name of Love“einen Schluss-Akzent setzt. Mit Lavinia Laaks (Achim Reinhardt) aus Essen, der „Stimme vom Baldeneysee“, verbindet Gräfin Henriette eine rund zehnjährige Freundschaft. Beide standen schon in etlichen Shows und auch als Duo gemeinsam auf der Bühne, in der Corona-Zeit sogar bei der Zeltveranstaltung „Travestie in der Manege“
in Gelsenkirchen. Clementine Charpontier (Marlon Nefander) begegnete Henriette vor neun Jahren bei einem Travestie-Wettbewerb im Reeperbahn-Szene-Theater „Pulverfass“, in der Jury saß Drag-Ikone Olivia Jones. Nefanders positive Ausstrahlung, so Küppers, führte zu einer langfristigen Freundschaft.
Während Lavinia mit Ohrwürmern wie „Hello again“(Carpendale) oder „Michaela“(Bata Illic) die Schlagerqueen verkörpert, präsentiert sich Clementine zum Auftakt ihrer Songs als ironische Lyrikerin mit eigenen Texten. Ohnehin hört das Publikum so manche witzigdoppelbödige Neuvertextung bekannter Popsongs und darf natürlich immer wieder nach Kräften mitsingen und tanzen. Zwei Mitglieder des Vereins „Vielfalt mit Herz“aus dem Publikum sorgen gemeinsam mit Clementine für mächtig Spaß im Saal beim Oldie „Was machst Du mit dem Knie lieber Hans“. Und bei Tom Jones‘ „Sexbomb“zeigt sich Clementine gleichermaßen stimmgewaltig wie komisch. Dem Publikum gefällt die Auswahl bekannter Songs vom Film (Drei Haselnüsse für Aschenbrödel – Gräfin Henriette) bis
hin zum Latino-Klassiker (Guantanamera – Clementine) oder Frank Sinatras swingendem „New York“, das Henriette und Clementine im Duo präsentieren. Und auch als Henriette im originellen SahnetörtchenKostüm den Udo-Jürgens-Hit „Aber bitte mit Sahne“singt, brandet Beifall auf. Ihr Dank galt am Schluss den Musikern Luis Pallarola/Saxophon, Flöte) und James Williams (Piano) sowie DJ MAC und seiner Crew am Soundtable.
Die obligatorische Zugabe des Travestie-Trios wird vor allem für die Jubilarin ein stimmungsvoller Höhepunkt: Zu „So leb dein Leben“(Sinatras „My Way“) schminkt sich die Gräfin langsam ab. Es erscheint Heinz Küppers als Mensch unter der Maske, und zuletzt flieg die Perücke durch die Luft.