Joe Scallys Einsätze auf links sagen auch etwas über Luca Netz aus
Es fehlte nicht viel, und Joe Scally hätte am Samstag einen Scorerpunkt aus dem Bremer Weserstadion mitgenommen. Und es wäre ein wohl verdienter Assist gewesen angesichts der starken Flanke, die der US-Amerikaner in der 70. Minute in den Werder-Strafraum schlug. Rocco Reitz war der Adressat der scharfen Hereingabe, dessen Kopfball konnte Bremens Keeper Michael Zetterer jedoch mit einer ebenso starken Parade entschärfen.
Es wäre das 2:2 gewesen für die Borussen – das dann rund 20 Minuten später doch noch fiel durch den Handelfmeter, den Florian Neuhaus verwandelte. „Es war ein Spiel mit vielen engen Situationen und Chancen auf beiden Seiten. Wir haben viel investiert und dann etwas unglücklich kurz vor der Halbzeit den Ausgleich kassiert. Aber am Ende sind wir noch mal zurückgekommen und haben uns den Punkt geholt“, sagte Scally, der auch aus persönlichen Gründen erleichtert gewesen sein dürfte über den späten Punktgewinn.
Denn beim angesprochenen unglücklichen Ausgleich hatte er unweit der linken Eckfahne den Ball verloren, war allerdings von Nico Elvedi mit dessen Zuspiel auch arg in Bedrängnis gebracht worden. „In so einer Szene musst du den Ball lang schlagen und dich neu stellen“, kritisierte Gladbachs Manager Roland Virkus die Entstehung des 1:1. So wurde es ein wechselhafter Nachmittag – sowohl für die Borussen allgemein als auch für Scally im Besonderen.
Der wurde in Bremen von Trainer Gerardo Seoane zum zweiten Mal in Folge auf der Position des Linksverteidigers in der Fünferkette eingesetzt. Nun ist die Aufgabe links hinten kein Neuland für den US-Nationalspieler, schon in seiner Premierensaison unter Adi Hütter hatte er dort mit seinen 18 Jahren bemerkenswert abgeklärt agiert. Doch ist die linke Seite für ihn als Rechtsfuß zumindest im Vorwärtsgang sicherlich nicht die optimale
Position, das wurde trotz der guten Flanke auf Reitz auch in mehreren Situationen in Bremen deutlich.
Trotzdem verspricht sich Seoane links hinten mit dem 21-Jährigen derzeit mehr Stabilität als mit dem etatmäßigen Linksverteidiger Nummer eins, Luca Netz. Die U21-Nationalspieler kam in Bremen erstmals in der laufenden Saison gar nicht zum Einsatz, obwohl er im Kader stand. 24 Spiele von Beginn an sowie vier Einwechslungen sind ansonsten bislang für Netz hinterlegt. Doch nach der 3:4-Niederlage in Hoffenheim vor gut zwei Wochen verlor er zunächst seinen Platz in der Anfangsformation.
Seoanes Entscheidung für Scally sagt damit auch etwas über den momentanen Status von Netz aus, dem zwar im Verlauf der Saison durchaus eine Steigerung in der Defensivarbeit attestiert wurde – was mitunter auf Kosten seiner Offensivqualitäten ging. Doch sind immer noch zu viele Unaufmerksamkeiten in seinem Spiel, sodass Scally, der zwar in der Abwehrkette vielseitig einsetzbar ist, aber ebenfalls eine wechselhafte und keineswegs überzeugende Saison spielt, nun zweimal die Nase vorn hatte.
So macht sich aktuell bemerkbar, dass Borussia in ihrem Kader über keinen erfahreneren Back-up auf der Linksverteidigerposition verfügt – wie es das rechts Stefan Lainer für den jungen Scally ist. Max Wöber, derzeit auch verletzt, wird innen gebraucht und ist links nur eine Aushilfe, und Fabio Chiarodia firmiert ebenso noch als Talent wie der eigentliche Herausforderer für Netz, der 20-jährige Lukas Ullrich.
Es dürfte spannend werden, wie sich die Gladbacher für die kommende Saison hinten links aufstellen, mögen andere Positionen – wie das zentrale Mittelfeld – indes noch größere Priorität genießen. Und dann hängt viel davon ab, wie viel Geld überhaupt zur Verfügung steht, um den Kader zu verändern. Scally könnte selbst ein Verkaufskandidat werden, seine Vielseitigkeit ist jedoch auch ein Plus. Nur braucht es in Zukunft deutlich mehr Konstanz – das Spiel in Bremen war dafür ein weiterer Beleg.