Borussia hatte 2023/24 ein Führungs-Problem
Von den besten, namhaftesten und prominentesten Gladbach-Profis hat fast keiner überzeugt. So verschlechterte sich auch das Umfeld für junge Spieler, um sich zu entwickeln. Von ein paar Führungsspielern könnte sich Borussia verabschieden.
Robin Hack, Rocco Reitz, Franck Honorat, Moritz Nicolas – die positiven Erscheinungen bei Borussia Mönchengladbach hat auch Sportchef Roland Virkus nach dem 0:4 zum Saisonabschluss beim VfB Stuttgart noch einmal explizit benannt. Länger als die Gewinner- ist die Verlierer-Liste bei Borussia, darunter tummeln sich zahlreiche Vertreter aus der Führungsriege, solche, die dazugehören sollten, oder Profis, die aufgrund ihrer Qualität tragende Säulen sein müssten.
„Ich will keine Namen nennen. Aber es ist richtig, dass man den jungen Spielern in solch einer Situation keinen Vorwurf machen kann“, sagte Virkus. „Der eine oder andere erfahrene Spieler hat nicht die Leistung gebracht, die wir uns vorgestellt haben. Sie sollen Stabilität bringen, die junge Spieler brauchen, um sich entwickeln zu können.“Wir analysieren, warum die Performance der namhaftesten Profis bei Borussia so problematisch war.
Jonas Omlin In Stuttgart machte er erst sein siebtes Bundesligaspiel in der Saison, 18 Gegentore kassierte er insgesamt – allein das muss für ein unbefriedigendes Fazit sorgen. Zwischenzeitlich zwang ihn eine Schulterverletzung samt OP sieben Monate zum Zuschauen. Führen musste Omlin lange aus der Reha heraus. Für die EM wäre er nur auf Abruf und als Nummer vier der Schweiz nominiert worden – der 30-Jährige sagte ab, um regenerieren und für die Familie da sein zu können.
Julian Weigl
Der Vize-Kapitän trug in Omlins Abwesenheit die Binde. War Weigl weder verletzt noch gesperrt, begann er ausnahmslos immer. Womit er den Freifahrtsschein erlangte? Durchaus fraglich. Meist musste er als alleiniger Sechser agieren, auf der Position mangelt es dem 28-Jährigen an Athletik, Geschwindigkeit und Zweikampfhärte. Bestmöglich versuchte Weigl, die Defizite zu kaschieren, da war ihm wenig vorzuwerfen – eine verzweifelte und erfolglose Grätsche bei Silas‘ Sololauf zum vierten Stuttgarter Tor war sinnbildlich. Wer selbst zu oft ins Schwimmen gerät, ist kaum in der Lage, eine Elf anzuführen.
Florian Neuhaus
Dass es zwischen ihm und Seoane nicht passt, ist spätestens seit der Elfmeter-Aktion in Bremen und der Reaktion des Trainers ein offenes Geheimnis. Hat ein Schüler andauernd Probleme mit den Lehrern, sind die Ursachen selten einseitig verteilt. Binnen drei Jahren ist Neuhaus‘ Marktwert von 35 Millionen Euro auf neun Millionen eingebrochen. Plant Borussia nicht die nächste stilistische 180-Grad-Wende, dürften sich die Wege nach insgesamt sieben Jahren trennen im Sommer. Alles andere wäre eine Überraschung.
Nico Elvedi Der Schweizer stand einer Veränderung im vergangenen Sommer bereits offen gegenüber. Bis zum Ende der Transferperiode war er dadurch Stand-by-Stammspieler unter Seoane, der anschließend aber immer auf ihn setzte. Auch Elvedis Marktwert hat gelitten, von einst 35 Millionen sind noch zehn übrig. Zuletzt
wirkte er so fahrig und instabil, dass sich die Frage stellt, warum die Suche nach einem Abnehmer, der marktgerecht zahlt, dieses Jahr erfolgreicher verlaufen sollte.
Ko Itakura Fast die Hälfte der Saison hat er durch seine Verletzung und den Asien-Cup verpasst. Zu selten blitzt sein Potenzial auf, mit Itakura auf der Sechs gelang nur eine Pseudo-Stabilisierung, weil er eben doch denkt wie ein Innenverteidiger. Dank einer Ausstiegsklausel könnte Borussia zumindest einen Transfergewinn einstreichen. Itakura ist Mitglied des Mannschaftsrates, einer echten Führungsposition steht jedoch die Sprachbarriere im Weg.
Max Wöber
In Videos aus dem Kabinengang war zu sehen, dass der Österreicher selbst dann Ansprachen hielt und die Mannschaft pushte, wenn er gar nicht im Kader stand. Als Typ und Anführer war Wöber keine Enttäuschung, doch schon ab dem Spätherbst hielten die Leistungen auf dem Platz nicht mehr mit. Seine Impulse im Spielaufbau verpufften, sein nach vorne gerichteter Verteidigungsstil aus der RBSchule riss oft gefährliche Lücken. Den Endspurt verpasste er verletzt, Leihspieler Wöber dürfte am 20. April zum letzten Mal für Gladbach aufgelaufen sein.
Manu Koné In dieser Saison verzeichnet er den höchsten Marktwert-Verlust – startete allerdings auch weit vorne im teaminternen Ranking. Die dritte Saison in Gladbach war seine schwächste, im Grunde kam Koné nie richtig in Schwung, nachdem er wieder die gesamte Vorbereitung verpasst hatte. Hinzu kommt, dass seine Haltung
seit geraumer Zeit nur noch wenig Identifikation mit Borussias Weg ausstrahlt. Der Verein braucht das Geld auf dem Transfermarkt, Koné scheint Gladbach nicht mehr zu brauchen.
Alassane Plea Im Herbst brillierte er noch einmal, seine sieben Tore erzielte Plea alle in der stabilsten Phase bei vier der nur sieben Siege, auch die Körpersprache überzeugte. Eine schwere Fußprellung zog seiner Saison jedoch den Stecker, längst bestehen auch intern Zweifel, dass Plea mit 31 Jahren noch mal der Dreh- und Angelpunkt der Offensive werden kann. Auch deshalb besteht Interesse an Kevin Stöger vom VfL Bochum. Zwölf, zehn, sechs, zehn, zwei, sieben – 47 Tore in 179 Bundesligaspielen sind unterm Strich zu wenig für einen Mann mit Pleas Möglichkeiten.