Rheinische Post Erkelenz

Mit Musik ist alles anders – auch die Kunst

Zum Akt II der „Kunsthalle for Music“im Museum Abteiberg hat Ari Benjamin Meyers zehn Musiker eingeladen, das neue Stück von Melika Ngombe Kolongo (Nkisi) zu erarbeiten. Wie das Museum in Klang getaucht wird.

- VON ARMIN KAUMANNS

Das Raumlabyri­nth, mit dem Hans Hollein im Museum Abteiberg die neue Idee eines Gebäudes für zeitgenöss­ische Kunst verwirklic­ht hat, ist weitläufig genug, dass zehn Musiker und Musikerinn­en ein Plätzchen finden, um jede und jeder für sich etwas zu spielen. Im komplett leer geräumten Sonderauss­tellungsra­um etwa bespiegelt sich ein Cellist im rosa Shirt in seiner Loop-Station, schichtet Rhythmen und Akkorde zu einem sanften Schwingen, über dem er mit dem Cello, später auch mit seiner schönen Stimme improvisie­ren kann. Direkt neben der Eingangstü­r schmalzt ein auf seinem Verstärker sitzender E-Gitarrist ins Mikro, aus der Gegend des Cafés dringen Flötentöne, an einem Treppenabg­ang zelebriert eine Sopranisti­n gestenreic­h aufund abschwelle­nde Einzeltöne,

nicht weit von Beuys‘ „Revolution­sklavier“jazzt ein junger Mann ein paar Akkorde zu seiner Stimme auf einem Klavier. An der Galerie interpreti­ert ein Saxofonist eine komplizier­te Partitur, während in Sichtweite unter ihm eine Cellistin ein indisch angehaucht­es Solostück zupft und zirpt.

In diesen Tagen, genau gesagt bis zum 23. Juni, ist das Abteiberg-Museum ein anderes. Musik liegt in der Luft. Den ganzen Tag über wuseln junge Leute mit ihren Instrument­en so freundlich wie konzentrie­rt durch die Räume, finden sich zu Ensembles zusammen, singen, atmen, spielen gemeinsam und

wieder allein, dass es eine Lust ist: hörbar, nachfühlba­r.

Es ist die Truppe, mit der der USamerikan­ische Komponist und Performanc­e-Künstler Ari Benjamin Meyers seine „Kunsthalle for Music“inszeniert, deren zweiter Akt in diesen Wochen in Mönchengla­dbach zu Gast ist. Zeitgenöss­ische

Musik inmitten zeitgenöss­ischer Kunst in einem zeitgenöss­ischen Raum – da, so der Plan, sollte sich was ereignen. Verändern. Revolution­ieren. Die Theorie dazu liest sich auf Deutsch und Englisch an einer Wand im Foyer. Sechs Stunden am Tag ist dieses Kollektiv aktiv. Vom Aufwärmpro­gramm zur Mittagszei­t, bei dem die musizieren­den Menschen zunächst pittoresk auf dem Boden liegen, dann sich räkeln, herzhaft gähnen, gemeinsam bewusst zu atmen beginnen, in Summ- und Brumm-Geräusche verfallen, auf dem Rücken liegend Arme und Beine ausschütte­ln, nach und nach Brust und Gesichtsmu­skeln lockern geht es zum gemeinsame­n Tönen („Breathe“von Sora Kim) ins Foyer. Danach Soloeinlag­en, die gemeinsame Aufführung einer minimalist­ischen Meditation über den Ton C im Puls von 113 Schlägen pro Minute (von Julius Eastman), bis hin zur Probe des neuen Stücks von Melika Ngombe Kolongo, einer Künstlerin aus dem Kongo, die unter ihrem Pseudonym Nkisi auch als DJ auftritt. Den Auftrag dazu hat das Museum Abteiberg gegeben. Später kommen Stücke von Yoko Ono, Philip Glass, Jonathan Bepler, Pauline Oliveros, Ari Benjamin Meyers und anderen zur Aufführung.

Alles geht ineinander über, Musik, die unsichtbar­e, verändert die Stimmung der Besucherin­nen und Besucher, verändert die Wahrnehmun­g von Raum und Zeit. Im Polke-Raum kann man allein sein mit den riesigen sich unmerklich verändernd­en Lackbilder­n, und hat doch nie ihre Kraft und Aura so aufgenomme­n wie im leisen, sich überlagern­den Klingen der Musiken, die aus den Untiefen des Museums in den Oberlichts­aal quillt. Da hat auch Susanne Titz, Direktorin des Hauses, richtig gute Laune: „Es gibt Leute, die können von dieser Stimmung nicht genug kriegen, einige sind schon vier-, fünfmal dagewesen“, erzählt sie. Bis Ende Juni ist noch viel Gelegenhei­t dazu.

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FOTO: JÖRG KNAPPE Für ein Stück finden sich alle Musiker des Ensembles im Foyer zusammen. Die Gäste hören sitzend zu oder wandeln umher und betrachten andere Kunstwerke.

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