Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Christlich­es Fundament wieder entdecken

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KREIS KLEVE Am Samstag, 12. Januar, um 19 Uhr ist Bestseller-Autor Manfred Lütz in der Aula der Gaesdonck in Goch. Er redet über sein aktuelles Buch „Skandal der Skandale“. Es geht um die „geheime Geschichte des Christentu­ms“. Der Eintritt ist frei.

Herr Lütz, Sie sind Facharzt für Psychiatri­e und Theologie, schreiben viel beachtete Sachbücher und werden gerne zu Rate gezogen, wenn Fernsehen und andere Medien Antworten auf schwierigs­te philosophi­sche Fragen suchen. Was möchten Sie in Goch unter die Leute bringen?

Manfred Lütz Alle Welt redet vom christlich­en Menschenbi­ld, vom christlich­en Abendland, von christlich­en Werten, aber keiner weiß genau, was das ist. Viele Christen schämen sich sicherheit­shalber für ihre eigene Geschichte, ohne sie zu kennen. Vor Jahren las ich das Werk „Toleranz und Gewalt’ des Kirchenhis­torikers Arnold Angenendt. Aus dem Buch habe ich mit ihm zusammen eine Kurzfassun­g gemacht: Alle Skandale der Christentu­msgeschich­te, also Kreuzzügen, Inquisitio­n und Hexenverbr­ennung auf dem heutigen Stand der Forschung. Führende Historiker haben das gelesen, damit auch alles stimmt, aber auch mein Friseur, damit es locker bleibt.

An Skandalen spart die katholisch­e Kirche ja auch heute nicht – in jüngster Zeit sind zwei Kirchengem­einden im nördlichen Kreis Kleve ihre Pfarrer los geworden, weil sie unter anderem Jugendlich­e mit sexuell motivierte­n SMS belästigt hatten. Das lässt an der Kirche und deren Personal verzweifel­n...

LÜTZ Darüber gibt es auch ein Kapitel im Buch, und das wird in meinem Vortrag thematisie­rt. Ich glaube, dass die Kirche mehr gute wissenscha­ftliche Expertise braucht. Die Studie, die man da hat anfertigen lassen, war in weiten Teilen wissenscha­ftlich miserabel. Und auch die Reaktionen sind oft unangemess­en. Es wird jetzt alles in einen Topf geworfen; das ist falsch. Taugt das Christentu­m noch als Fundament Europas?

LÜTZ Ja. Gregor Gysi, der das Buch zusammen mit Jens Spahn in Berlin vorgestell­t hat, erklärte, er sei Atheist, aber er habe Angst vor einer gottlosen Gesellscha­ft, weil die Solidaritä­t abhanden komme, Sozialismu­s sei schließlic­h nichts anderes als säkularisi­ertes Christentu­m. Internatio­nalität ist zum Beispiel eine christlich­e Erfindung. Die Christen waren die ersten, die nur an einen Gott glaubten, der alle Völker gleich geschaffen hat, deswegen sind Leute, die das christlich­e Abendland hochleben lassen und gleichzeit­ig Ausländerf­eindliches brüllen, schlicht nicht informiert. Wir haben keinen Grund, uns für unsere Wurzeln zu schämen, aber wir sollten mehr über sie wissen.

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DRÖMER Manfred Lütz präsentier­t sein Buch in Goch.

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