Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
An der irischen Grenze lauert der Hass
Am kommenden Dienstag stimmt das britische Unterhaus über das EU-Austrittsgesetz ab. Nirgendwo in Europa drohen drastischere Folgen eines ungeregelten Brexit als auf der irischen Insel. Eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland würde den wichtigsten Pfeiler des Friedensabkommens von 1998 zerstören. Entsprechend angespannt ist die Stimmung der Bewohner.
wie ein Abbild der Alpträume vieler Nordiren. Das Schild der „Border Communities against Brexit“fordert Respekt für das Votum der Nordiren gegen den Brexit beim britischen Referendum im Juni 2016. Die Region ist auf Touristen und Investoren aus dem Süden angewiesen. Eine harte Grenze könnte sie fernhalten.
„Bis zu 30 Prozent der Jobs hängen direkt von Irland ab“, sagt McGenity. Doch schlimmer als drohende Arbeitslosigkeit seien die Kontrollen selbst für die Region. „Die Menschen hier sehen sich als Iren. Aber sie haben durch die offenen Grenzen das Gefühl, dass die Einheit schon fast da ist. Wenn die Leute wieder vor Checkpoints stehen, ist das für sie so, als hätte es das Karfreitagsabkommen nie gegeben“, sagt McGenity.
Rund 60 Kilometer von Newry entfernt macht sich ein Experte für den Nordirlandkonflikt Gedanken, ob Geschichte sich wiederholen kann. Die Frage ließe sich nicht mit einem Satz beantworten, meint Cathal McMannus. Der Soziologe sitzt an seinem Schreibtisch an der Queen´s Universität in Belfast. Seine Regale sind voll mit Akten über Gräueltaten aus 30 Jahren Bürgerkrieg. Ja, meint er, der Brexit gefährde den wichtigsten Erfolg des Friedensvertrags von 1998, die offene Grenze zu Irland. Eine Säule des Abkommens verschwinde: die EU als Basis für Vertrauen und Zusammenarbeit auf der irischen Insel.
Die EU war nach 1998 Garantiemacht für das Friedensabkommen, aber auch eine Plattform, auf der Iren und Briten gemeinsame Interessen entdeckten. Soziale Unruhen und Terroranschläge auf neue Grenzanlagen seien gut vorstellbar – aber Krieg? Dazu fehlten den heutigen Paramilitärs beider Seiten schon allein das Waffenarsenal der früheren Kombattanten, meint McMannus.
Gefahr sieht er vielmehr, dass der Brexit die bereits in Agonie liegende politische Ordnung Nordirlands implodieren lässt. Die protestantische DUP wolle die harte Grenze, sagt er. Auch die Geschäfte der Protestanten profitierten von der offenen Grenze, und Geld mache versöhnlich, meint McMannus. Für die größte Protestantenpartei war das eine Entwicklung, die unbedingt gestoppt werden musste. Jetzt, wo Premierministerin Theresa May von der DUP als Mehrheitsbeschafferin im Parlament abhängt, könnten die Protestanten mit einem Nein zu ihrem Brexit-Deal den mit der offenen Grenze verbundenen Friedensvertrag von 1998 aushebeln.
Das sogenannte Karfreitagsabkommen sah vor, dass sich die DUP und ihre Feindin, die irisch-republikanische Sinn Féin die Macht teilten. Bereits seit Anfang 2017 verweigern die DUP und Sinn Féin die gemeinsame Regierungsbildung auch wegen des Brexit-Streits. Nordirland ist inzwischen länger ohne eigene Regierung, als es Belgien je war. Sollte Nordirland nach einem Brexit noch unregierbarer werden, müsste London die Unruheprovinz wohl wieder direkt regieren, glaubt McMannus. Das wäre das Ende des Karfreitagsabkommens.
Wo sieht er Nordirland in zehn Jahren? „Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir wieder dort landen, wo wir in den 50er Jahren waren. Ein Nordirland, das vielleicht noch nicht im Krieg mit sich ist, aber voller Hass und wahrscheinlich von London regiert“, sagt McMannus. Nun hat er sie doch in einen Satz gegossen, seine Antwort, ob Nordirland nach dem Brexit seine Geschichte wiederholen könnte.
Wie ein Nordirland aussehen würde, das wieder brennt, hat der Gemeindearbeiter Gerard Deane im Juli letzten Jahres fassungslos auf Twitter verfolgt. Er war im Urlaub, als seine Heimatstadt Derry am 8. Juli für ein paar Tage in die Anarchie