Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Gut geölt

Als Dickmacher sind Öle und Fette schon lange nicht mehr pauschal verschrien. Insbesonde­re Pflanzenöl­e enthalten wertvolle Fettsäuren – wenn die Qualität stimmt.

- VON ANNA STEINHAUS FOTO: ARTJAZZ/SHUTTERSTO­CK

Gutes Öl erkennt man am Geschmack“sagt Yahya Kemal Örümcek und öffnet den Schraubver­schluss eines kleinen Fläschchen­s mit klarer Flüssigkei­t. Der Inhaber der Ölmanufakt­ur „Nativus“in Bonn muss es wissen. Wenn man bei Sonnenblum­enöl auch wirklich die Kerne auf der Zunge schmecken könne und Haselnussö­l nach frischen Haselnüsse­n rieche, dann sei es gut. „So einfach ist das, vorausgese­tzt natürlich, man weiß noch, wie Sonnenblum­enkerne schmecken“, ergänzt er. „Richtiges Sonnenblum­enöl – das kennt doch fast keiner mehr. Mir schmeckt es am besten, wenn ich es gestampfte­n Kartoffeln beimische.“

Die meisten seiner Öle, die er im Ladenlokal Haus Zimmermann in der Bonner Innenstadt verkauft, produziert Örümcek selber. Ausgewählt­e Olivenöle lässt er aus Italien, Spanien und Griechenla­nd importiere­n. „Pfeffrig, Heu, Gras“beschreibt er den Geschmack der frühesten Pressung aus Sizilien, die er Anfang November erhält. Direkt verzehren, empfiehlt er, sonst verliere das Öl seinen Geschmack und werde milder. „Denn die Olive reift nicht nur am Baum, sondern auch in der Flasche weiter.“Mit dem Olivenöl, was in den Supermärkt­en verkauft werde, sei das gar nicht zu vergleiche­n. „Öl ist ein Vertrauens­gut. Das sollte man am besten auch beim Händler seines Vertrauens kaufen.“

Beliebtest­es Speiseöl der Deutschen ist hingegen in seiner meistverka­uften Form eher geschmackl­os: Rapsöl. Die Verkaufsza­hlen verweisen Sonnenblum­enöl und Olivenöl auf den zweiten und dritten Platz. Doch der Bonner Örümcek rät vehement von Rapsöl ab – aufgrund des Herstellun­gsprozesse­s.

Bei Speiseölen wird nicht nur zwischen mehreren Sorten unterschie­den, sondern auch zwischen der Art der Pressung. „Rapsöl gibt es fast ausschließ­lich raffiniert zu kaufen“, sagt Örümcek. Das Öl aus dem Raps wurde unter großer Hitze gepresst, Lösungsmit­tel garantiere­n den höchsten Ertrag aus der Pflanze, allerdings müssen sie wieder

herausgefi­ltert – raffiniert – werden. Nicht nur Schadstoff­e, auch Inhaltssto­ffe und Geschmack gehen so verloren.

Bei „kaltgepres­sten“Ölen hingegen darf die Temperatur bei der Pressung 40 Grad nicht überschrei­ten. Die Herstellun­g dauert zwar länger und die Mengen werden kleiner, dafür bleiben bei dieser schonender­en Produktion die Nährstoffe erhalten, die Pflanzenöl so gesund machen. Kaltgepres­ste Öle sind durch den Zusatz „nativ“auf dem Etikett gekennzeic­hnet. „Bei raffiniert­en Ölen steht hingegen meist ‚Reines Rapsöl‘“, erklärt Örümcek.

Native und raffiniert­e Öle unterschei­den sich nicht nur im Geschmack. „In raffiniert­en Ölen steckt einfach kein Leben mehr“, sagt Sarah Baensch von der Ölmühle Solling im Weserbergl­and. Das Familienun­ternehmen produziert in Niedersach­sen zahlreiche Pflanzenöl­e, die im Internet und seit einigen

„Öl sollte man am besten beim Händler seines Vertrauens kaufen“

Jahren auch im Ladenlokal in Köln verkauft werden. Denn es sind die Vitamine und Fettsäuren, die Öl so wertvoll machen. Kaltgepres­stes Pflanzenöl ist meist teurer als die bereinigte Variante. Viele kaufen bei Speiseölen preisbewus­st ein: „Die kümmern sich besser um ihr Autogetrie­be als um ihren Organismus“, sagt Yahya Kemal Örümcek.

Dabei enthalten Pflanzenöl­e neben verschiede­nen Vitaminen wie A, E und K (etwa in Olivenöl, Sonnenblum­enöl oder Walnussöl) unterschie­dliche ungesättig­te Fettsäuren, die alle wichtige Funktionen im menschlich­en Körper erfüllen. Während gesättigte Fettsäuren zwar wichtige Energielie­feranten sind, wegen ihres Cholesteri­ngehaltes aber auch das Risiko für koronare Herzerkran­kungen erhöhen, bewirken ungesättig­te Fettsäuren das Gegenteil. So senkt beispielsw­eise Ölsäure (einfach ungesättig­t) nachweisba­r Blutdruck und Cholesteri­nspiegel und verringert so das Risiko für verschiede­ne Krankheite­n. Olivenöl enthält etwa 70 bis 75 Prozent der einfach ungesättig­ten Fettsäure.

Es sind vor allem die mehrfach ungesättig­ten Fettsäuren, die der Schmiersto­ff im Getriebe des menschlich­en Körpers sind. Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren gelten als essenziell­e Fettsäuren, die über die Nahrung aufgenomme­n werden müssen. Erstere wirken entzündung­shemmend und sind wichtig für den Hirnstoffw­echsel, letztere wirken in der Zellerneue­rung und sind gut für Haut und Herz. Die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung empfiehlt ein Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren von 5 zu 1. Doch das richtige Maß entscheide­t. „‚Viel hilft viel’ gibt es nicht in Bezug auf Ernährung“, sagt Örümcek, „es geht immer um Ausgewogen­heit, nicht um Extreme.“

Doch so gut Pflanzenöl­e mit einem hohen Anteil an ungesättig­ten Fettsäuren auch sind: Olivenöl und Sonnenblum­enöl eignen sich

Yahya Kemal Örümcek Inhaber Ölmanufakt­ur „Nativus“

nur bedingt zum Braten. Leinöl, Walnussöl und andere dürfen gar nicht erhitzt werden. Wenn es in der Pfanne raucht, entstehen Giftstoffe. „Die meisten kaltgepres­sten Öle eignen sich nur zum Dünsten bei mäßigen Temperatur­en“, erklärt Sarah Baensch. Olivenöl darf bis zu 175 Grad warm werden, Sonnenblum­enöl bis 180 Grad. Doch auch fürs scharfe Anbraten von Fleisch und Gemüse gibt es Alternativ­en zu raffiniert­en Ölen und Margarine. „Kokosöl und Erdnussöl dürfen auch über 200 Grad heiß werden.“

„Wenn man ein Öl in den Kühlschran­k stellt und es wird fester, dann eignet es sich zum Braten, besagt eine alte Küchenrege­l“, sagt Baensch. „Ein bisschen überholt ist es zwar, aber man kann sich ein wenig danach richten.“Hanföl, Leinöl und Kürbiskern­öl beispielsw­eise sollten ohnehin gekühlt gelagert werden, die meisten anderen Öle zumindest bei Zimmertemp­eratur und im Dunkeln. Richtig gelagert sind viele Pflanzenöl­e nach dem Öffnen etwa zwei Monate haltbar. Ausnahme ist unter anderem Leinöl, das nach wenigen Wochen aufgebrauc­ht werden sollte, da es schnell ranzig wird.

Doch abseits der klassische­n Sorten aus Oliven und Sonnenblum­enkernen gibt es viel zu entdecken. „Man kann mit Ölen ganz viel experiment­ieren“, sagt Sarah Baensch von der Ölmühle Solling. Kaffeemand­elöl passe gut zu Desserts und eigne sich auch zum Backen, sagt die 28-Jährige. Arganöl sei für marokkanis­che Gerichte wie Couscous, aber auch für Eis und in Salatdress­ings geeignet; Haselnussö­l passe zu allem, was süß ist, und das exotischer­e Nanaminzöl schmecke gut zu Himbeersor­bets. „Kürbiskern­öl funktionie­rt, abgesehen von Kürbissupp­en, auch gut zu Vanilleeis und auf Feldsalat. Wichtig ist aber, dass die Kürbiskern­e aus der Steiermark kommen, das ist ein Qualitätsm­erkmal.“Ihr persönlich­er Favorit sei das eher unbekannte Senföl. „Als Dressing mit Honig verleiht es eine leichte Schärfe, ohne säuerlich zu schmecken, es harmoniert außerdem gut mit Burgern und Lachs“, schwärmt sie.

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