Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Gut geölt
Als Dickmacher sind Öle und Fette schon lange nicht mehr pauschal verschrien. Insbesondere Pflanzenöle enthalten wertvolle Fettsäuren – wenn die Qualität stimmt.
Gutes Öl erkennt man am Geschmack“sagt Yahya Kemal Örümcek und öffnet den Schraubverschluss eines kleinen Fläschchens mit klarer Flüssigkeit. Der Inhaber der Ölmanufaktur „Nativus“in Bonn muss es wissen. Wenn man bei Sonnenblumenöl auch wirklich die Kerne auf der Zunge schmecken könne und Haselnussöl nach frischen Haselnüssen rieche, dann sei es gut. „So einfach ist das, vorausgesetzt natürlich, man weiß noch, wie Sonnenblumenkerne schmecken“, ergänzt er. „Richtiges Sonnenblumenöl – das kennt doch fast keiner mehr. Mir schmeckt es am besten, wenn ich es gestampften Kartoffeln beimische.“
Die meisten seiner Öle, die er im Ladenlokal Haus Zimmermann in der Bonner Innenstadt verkauft, produziert Örümcek selber. Ausgewählte Olivenöle lässt er aus Italien, Spanien und Griechenland importieren. „Pfeffrig, Heu, Gras“beschreibt er den Geschmack der frühesten Pressung aus Sizilien, die er Anfang November erhält. Direkt verzehren, empfiehlt er, sonst verliere das Öl seinen Geschmack und werde milder. „Denn die Olive reift nicht nur am Baum, sondern auch in der Flasche weiter.“Mit dem Olivenöl, was in den Supermärkten verkauft werde, sei das gar nicht zu vergleichen. „Öl ist ein Vertrauensgut. Das sollte man am besten auch beim Händler seines Vertrauens kaufen.“
Beliebtestes Speiseöl der Deutschen ist hingegen in seiner meistverkauften Form eher geschmacklos: Rapsöl. Die Verkaufszahlen verweisen Sonnenblumenöl und Olivenöl auf den zweiten und dritten Platz. Doch der Bonner Örümcek rät vehement von Rapsöl ab – aufgrund des Herstellungsprozesses.
Bei Speiseölen wird nicht nur zwischen mehreren Sorten unterschieden, sondern auch zwischen der Art der Pressung. „Rapsöl gibt es fast ausschließlich raffiniert zu kaufen“, sagt Örümcek. Das Öl aus dem Raps wurde unter großer Hitze gepresst, Lösungsmittel garantieren den höchsten Ertrag aus der Pflanze, allerdings müssen sie wieder
herausgefiltert – raffiniert – werden. Nicht nur Schadstoffe, auch Inhaltsstoffe und Geschmack gehen so verloren.
Bei „kaltgepressten“Ölen hingegen darf die Temperatur bei der Pressung 40 Grad nicht überschreiten. Die Herstellung dauert zwar länger und die Mengen werden kleiner, dafür bleiben bei dieser schonenderen Produktion die Nährstoffe erhalten, die Pflanzenöl so gesund machen. Kaltgepresste Öle sind durch den Zusatz „nativ“auf dem Etikett gekennzeichnet. „Bei raffinierten Ölen steht hingegen meist ‚Reines Rapsöl‘“, erklärt Örümcek.
Native und raffinierte Öle unterscheiden sich nicht nur im Geschmack. „In raffinierten Ölen steckt einfach kein Leben mehr“, sagt Sarah Baensch von der Ölmühle Solling im Weserbergland. Das Familienunternehmen produziert in Niedersachsen zahlreiche Pflanzenöle, die im Internet und seit einigen
„Öl sollte man am besten beim Händler seines Vertrauens kaufen“
Jahren auch im Ladenlokal in Köln verkauft werden. Denn es sind die Vitamine und Fettsäuren, die Öl so wertvoll machen. Kaltgepresstes Pflanzenöl ist meist teurer als die bereinigte Variante. Viele kaufen bei Speiseölen preisbewusst ein: „Die kümmern sich besser um ihr Autogetriebe als um ihren Organismus“, sagt Yahya Kemal Örümcek.
Dabei enthalten Pflanzenöle neben verschiedenen Vitaminen wie A, E und K (etwa in Olivenöl, Sonnenblumenöl oder Walnussöl) unterschiedliche ungesättigte Fettsäuren, die alle wichtige Funktionen im menschlichen Körper erfüllen. Während gesättigte Fettsäuren zwar wichtige Energielieferanten sind, wegen ihres Cholesteringehaltes aber auch das Risiko für koronare Herzerkrankungen erhöhen, bewirken ungesättigte Fettsäuren das Gegenteil. So senkt beispielsweise Ölsäure (einfach ungesättigt) nachweisbar Blutdruck und Cholesterinspiegel und verringert so das Risiko für verschiedene Krankheiten. Olivenöl enthält etwa 70 bis 75 Prozent der einfach ungesättigten Fettsäure.
Es sind vor allem die mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die der Schmierstoff im Getriebe des menschlichen Körpers sind. Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren gelten als essenzielle Fettsäuren, die über die Nahrung aufgenommen werden müssen. Erstere wirken entzündungshemmend und sind wichtig für den Hirnstoffwechsel, letztere wirken in der Zellerneuerung und sind gut für Haut und Herz. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt ein Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren von 5 zu 1. Doch das richtige Maß entscheidet. „‚Viel hilft viel’ gibt es nicht in Bezug auf Ernährung“, sagt Örümcek, „es geht immer um Ausgewogenheit, nicht um Extreme.“
Doch so gut Pflanzenöle mit einem hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren auch sind: Olivenöl und Sonnenblumenöl eignen sich
Yahya Kemal Örümcek Inhaber Ölmanufaktur „Nativus“
nur bedingt zum Braten. Leinöl, Walnussöl und andere dürfen gar nicht erhitzt werden. Wenn es in der Pfanne raucht, entstehen Giftstoffe. „Die meisten kaltgepressten Öle eignen sich nur zum Dünsten bei mäßigen Temperaturen“, erklärt Sarah Baensch. Olivenöl darf bis zu 175 Grad warm werden, Sonnenblumenöl bis 180 Grad. Doch auch fürs scharfe Anbraten von Fleisch und Gemüse gibt es Alternativen zu raffinierten Ölen und Margarine. „Kokosöl und Erdnussöl dürfen auch über 200 Grad heiß werden.“
„Wenn man ein Öl in den Kühlschrank stellt und es wird fester, dann eignet es sich zum Braten, besagt eine alte Küchenregel“, sagt Baensch. „Ein bisschen überholt ist es zwar, aber man kann sich ein wenig danach richten.“Hanföl, Leinöl und Kürbiskernöl beispielsweise sollten ohnehin gekühlt gelagert werden, die meisten anderen Öle zumindest bei Zimmertemperatur und im Dunkeln. Richtig gelagert sind viele Pflanzenöle nach dem Öffnen etwa zwei Monate haltbar. Ausnahme ist unter anderem Leinöl, das nach wenigen Wochen aufgebraucht werden sollte, da es schnell ranzig wird.
Doch abseits der klassischen Sorten aus Oliven und Sonnenblumenkernen gibt es viel zu entdecken. „Man kann mit Ölen ganz viel experimentieren“, sagt Sarah Baensch von der Ölmühle Solling. Kaffeemandelöl passe gut zu Desserts und eigne sich auch zum Backen, sagt die 28-Jährige. Arganöl sei für marokkanische Gerichte wie Couscous, aber auch für Eis und in Salatdressings geeignet; Haselnussöl passe zu allem, was süß ist, und das exotischere Nanaminzöl schmecke gut zu Himbeersorbets. „Kürbiskernöl funktioniert, abgesehen von Kürbissuppen, auch gut zu Vanilleeis und auf Feldsalat. Wichtig ist aber, dass die Kürbiskerne aus der Steiermark kommen, das ist ein Qualitätsmerkmal.“Ihr persönlicher Favorit sei das eher unbekannte Senföl. „Als Dressing mit Honig verleiht es eine leichte Schärfe, ohne säuerlich zu schmecken, es harmoniert außerdem gut mit Burgern und Lachs“, schwärmt sie.