Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Verpasste Chance in Brüssel
Kanzlerin Angela Merkel war bei ihrem einzigen Auftritt im Europawahlkampf in München eindeutig. Sie werde sich mit „allem, was ich habe“, dafür einsetzen, dass Manfred Weber Kommissionspräsident wird, sollte die EVP stärkste Fraktion im Europäischen Parlament werden. Nun ist die EVP stärkste Fraktion. Und Merkel lässt Weber fallen. Dass die Spitzenkandidaten keine Mehrheit im Rat hätten, müsse man zur Kenntnis nehmen, so Merkel. Ach ja? Ist das so?
Die Kanzlerin kämpft nicht mit harten Bandagen, sonst hätte sie mit Verbündeten, etwa den Niederlanden, Österreich und einigen ost- und nordeuropäischen Ländern, ein informelles Bündnis gegen den Weber-Gegner Emmanuel Macron geschlossen und dem französischen Präsidenten ein Angebot gemacht, das er nicht ablehnen kann (zum Beispiel einen EZBChef aus Frankreich und eine inhaltliche Agenda, die seinen Reformvorschlägen entgegenkommt). Auch die Sozialdemokraten und Liberalen im Parlament tun sich keinen Gefallen damit, Weber so schnell auszuschließen. Nun ist wahrscheinlich, dass die Staatschefs einen Kandidaten (oder eine Kandidatin) vorschlagen, der oder die nicht als Spitzenkandidat(in) aktiv war. Das einzig direkt legitimierte Gremium entmachtet sich selbst. Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten, die Brüssel ohnehin für eine heuchlerische Veranstaltung halten, bei der ein paar Regierungschefs im Hinterzimmer entscheiden.
Dabei gäbe es einen Weg, der manche Interessen vereint: das Israel-Modell. Die Spitzenkandidaten Manfred Weber und Frans Timmermans teilen sich die Amtszeiten als Kommissions- und Parlamentspräsident. Dazu die liberale Margrethe Vestager als Außenbeauftragte oder Ratspräsidentin, und die EU hätte drei respektable Persönlichkeiten in führenden Ämtern. BERICHT