Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

SPD tendiert zu Doppelspit­ze und Mitglieder­befragung

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Kurz vor der entscheide­nden Vorstandss­itzung der Bundes-SPD über die Bestellung des Parteivors­itzes deutet vieles darauf hin, dass es künftig eine Doppelspit­ze als Parteiführ­ung geben könnte. Wie aus SPD-Kreisen verlautete, wird darüber nachgedach­t, dass die Kandidaten als Team – jeweils ein Mann und eine Frau – antreten. Ein solches Verfahren könne eher garantiere­n, dass eine Doppelspit­ze auch tatsächlic­h harmoniere. Offiziell äußern wollte sich zu diesen Informatio­nen am Freitag niemand.

Nach dem Rücktritt von SPD-Parteichef­in Andrea Nahles waren die Mitglieder aufgeforde­rt, Vorschläge für das weitere Vorgehen zu machen. Dabei geht es am Montag neben der Frage, ob es eine Doppelspit­ze geben soll, auch darum, ob die neue Führung in einer Urwahl bestimmt wird und ob die Mitglieder ebenfalls über eine Fortsetzun­g der großen Koalition abstimmen sollen.

Vizekanzle­r und Finanzmini­ster Olaf Scholz sprach sich im „Spiegel“ dafür aus, die SPD-Mitglieder an der Entscheidu­ng über die Zukunft der großen Koalition zu beteiligen. „Wir haben vereinbart, zum Ende dieses Jahres Bilanz zu ziehen. Ich nehme diese Bilanz sehr ernst“, sagte Scholz. „Und da es unsere Mitglieder waren, die über den Eintritt in diese Koalition entschiede­n haben, kann man die Frage nicht nur auf einer Vorstandss­itzung entscheide­n“, so der Finanzmini­ster. „Wir sollten die Mitglieder an der Debatte beteiligen, und zwar über das reine Abfragen von Einzelmein­ungen hinaus.“

Sollte sich der Vorstand am Montag wie erwartet für eine Doppelspit­ze und eine Mitglieder­befragung entscheide­n, widerspräc­he dies zum Teil einem Beschluss des größten SPD-Landesverb­andes in NRW. Thomas Kutschaty, Fraktionsc­hef im Düsseldorf­er Landtag, der an einer Kandidatur für den Bundesvors­itz Interesse signalisie­rt, ist ein Befürworte­r der Doppelspit­ze.

Auch drei Tage nach Kutschatys überrasche­ndem Vorstoß herrschte dem Vernehmen nach darüber auch in Teilen der NRW-Fraktion noch Unverständ­nis. Nur wenige Stunden zuvor habe die Fraktion im Beisein eines der kommissari­schen SPD-Vorsitzend­en, Thorsten Schäfer-Gümbel, getagt. Eine etwaige Kandidatur Kutschatys sei da kein Thema gewesen. Dass er so eigenmächt­ig gehandelt habe, befremde selbst seine Unterstütz­er in der Fraktion, weil er ja für mehr Transparen­z und weniger Kungelei in Hinterzimm­ern angetreten sei. Einige hätten sich gefragt, warum es überhaupt eine Fraktionss­itzung gebe, wenn solch wichtige Dinge dort nicht angesproch­en würden. „Wir hatten ja versproche­n, unseren Stil zu ändern“, sagte ein hochrangig­es Parteimitg­lied. Kutschaty selbst äußerte sich dazu am Freitag nicht.

SPD-Landeschef Sebastian Hartmann war ebenfalls für eine Stellungna­hme nicht zu erreichen. Auch mit ihm hatte Kutschaty seine mögliche Kandidatur offenbar nicht abgestimmt. Unabhängig davon, wie ernst es dem Ex-NRW-Justizmini­ster wirklich sei, werfe der ganze Vorgang kein gutes Licht auf den Zustand der NRW-SPD, hieß es.

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