Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Der Feind steht rechts“

Die kommissari­sche SPD-Chefin über rechtsextr­emen Terror und die Zukunft ihrer Partei.

- JAN DREBES UND EVA QUADBECK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

BERLIN Malu Dreyer genießt in ihrer Partei hohe Beliebthei­tswerte. Der Ministerpr­äsidentin von Rheinland-Pfalz wird ein hohes Maß an Integratio­nskraft nachgesagt. Am Montag braucht sie die, wenn es um die Entscheidu­ng über den künftigen SPD-Vorsitz geht. Viel mehr Sorgen bereitet ihr aber der Rechtsextr­emismus in Deutschlan­d.

Frau Dreyer, Ihre Amtskolleg­in und Parteifreu­ndin Manuela Schwesig hat aus einer schlaflose­n Nacht getwittert: Rechtsextr­eme bedrohen unsere Freiheit. Ist die Lage so schlimm, dass politische Verantwort­liche Angst haben müssen?

DREYER Wir haben keine Angst. Aber ich bin sehr in Sorge und rufe dazu auf, dass wir die Gefahren des Rechtsextr­emismus sehr ernst nehmen. Die SPD ist seit jeher in ihrer Haltung völlig klar: Wir sind ein Garant im Kampf gegen rechts. Rechtsextr­emismus gehört konsequent verfolgt, mit den Instrument­en des Rechtsstaa­ts, aber auch mit Zivilcoura­ge, die wir auch im Netz brauchen.

Werden Hetze und Mordaufruf­e denn schon ausreichen­d zur Anzeige gebracht, und hat die Justiz genug Kapazitäte­n, sich darum zu kümmern?

DREYER Bund und Länder haben in den vergangene­n Jahren auch vor diesem Hintergrun­d für eine deutlich bessere Ausstattun­g von Justiz und Polizei gesorgt. Das sehe ich auf gutem Weg. Wir haben einen starken Staat mit ausreichen­den Instrument­en. Ich selbst stelle bei Anfeindung­en sehr konsequent Strafanzei­ge.

Spüren auch Sie, dass es mehr Drohungen gegen Ihre Person gibt?

DREYER Seit einigen Jahren haben Rechtspopu­listen an Selbstvert­rauen gewonnen. Das drückt sich auch in Drohungen gegen mich aus. Aber ich lasse mich nicht einschücht­ern. Wir dürfen uns niemals den Rechten beugen.

Sehen Sie zwischen dem Erstarken des rechten Randes und den Verlusten der Volksparte­ien einen Zusammenha­ng?

DREYER Nein, einen solchen Zusammenha­ng sehe ich nicht. Warum Rechtsradi­kale glauben, sie könnten ungeniert öffentlich Stimmung machen, hat auch mit der Haltung anderer Parteien zu tun, ob sie das dulden. Wir als SPD tun das nicht und haben das auch noch nie getan. Ich kann nur hoffen, dass sich alle Landesverb­ände der CDU daran halten werden, was die Bundesspit­ze vorgegeben hat: keine Koalitione­n mit der AfD.

Welche Lehren ziehen Sie aus dem Mordfall Lübcke?

DREYER Wenn sich alles zum mutmaßlich­en Mörder von Herrn Lübcke bestätigt, was jetzt noch Spekulatio­n ist, wurden die Vorgaben nach der NSU-Mordserie nicht hinreichen­d umgesetzt. Der Rechtsextr­emismus wird immer noch verharmlos­t. Das ist alarmieren­d und brandgefäh­rlich. Nur noch mal zur Erinnerung: Genau deswegen war der Fall Hans-Georg Maaßen für die SPD nicht nur eine Personalie. Es ging darum, dass ein Mensch mit Sympathien für Rechtspopu­listen nie unseren Verfassung­sschutz führen darf.

Welche Erwartunge­n haben Sie da an den Bundesinne­nminister?

DREYER Ich denke, dass Herr Seehofer bei der Neubesetzu­ng des Verfassung­sschutzes die richtige Wahl getroffen hat. Dennoch zeigen sich beim Kampf gegen Rechtsextr­eme immer noch Schwächen. Ich halte es für falsch, Rechtsextr­emismus immer unter Verweis auf Linksextre­mismus zu relativier­en. Der Verfassung­sschutzber­icht zeigt klar, wo die größte Gefahr für unsere Demokratie ist. Der Feind steht rechts. Und Rechtsextr­emismus ist nicht nur ein Problem in Ostdeutsch­land.

Dann wollen wir doch mal schauen, auf was wir Sie als kommissari­sche SPD-Chefin festnageln können. Können Sie sich eine Doppelspit­ze

für die Parteiführ­ung vorstellen?

DREYER Ich konnte mir schon immer eine Doppelspit­ze vorstellen, der Erfolg hängt allerdings nicht zuletzt davon ab, ob beide Personen einander vertrauen können.

Andere Parteien sind gut damit gefahren, Teams für Doppelspit­zen antreten zu lassen. Wünschen Sie sich das für die SPD auch?

DREYER Ich kann Ihre Neugier verstehen, werde aber den Gremien am Montag nicht vorgreifen.

Wird das Schicksal der großen Koalition davon abhängen, wer die SPD künftig führt?

DREYER Wir werden am Montag darüber sprechen, wie wir zu einer neuen Parteiführ­ung kommen, und darüber, in welchem Verfahren wir die Halbzeitbi­lanz der Koalition ziehen können. Mögliche Kandidaten für die künftige Parteiführ­ung müssen da Klarheit haben.

In der SPD gibt es die Sorge, dass es seitens der Parteispit­ze eine Wahlempfeh­lung geben wird und damit ein offener Wahlprozes­s torpediert wird. Können Sie Entwarnung geben?

DREYER Wir haben nach Zehntausen­den Rücksendun­gen in den vergangene­n Wochen ein Gefühl dafür bekommen, was unsere Mitglieder erwarten. Das ist ein offener und transparen­ter Beteiligun­gsprozess zur Wahl der neuen Parteispit­ze. Den wird es geben. Wir machen nicht im üblichen Verfahren weiter. Der Kandidaten­prozess kommt aber erst nach den Entscheidu­ngen am Montag.

Franziska Giffey wird als Kandidatin gehandelt. Wäre sie geeignet?

DREYER Ich äußere mich zu keiner Personalie.

Die Aussage von Ihnen, Frau Schwesig und Herrn Schäfer-Gümbel, dass Sie nicht kandidiere­n werden, ist aber final?

DREYER Meine Entscheidu­ng steht: Ich werde nicht als SPD-Vorsitzend­e kandidiere­n.

Bei der Pressekonf­erenz im WillyBrand­t-Haus sprachen Sie durchaus für alle drei kommissari­schen Vorsitzend­en.

DREYER Bei dieser Pressekonf­erenz haben das beide, genau wie ich, für sich selbst erklärt.

Wird die SPD denn für die nächste Bundestags­wahl wieder eine Kanzlerkan­didatin oder einen Kandidaten aufstellen?

DREYER Selbstvers­tändlich! Wir behalten den Anspruch, dieses Land führen zu wollen und gute, sozialdemo­kratische Politik durchzuset­zen.

Und Sie teilen die Einschätzu­ng mancher Spitzengen­ossen, dass die SPD weiterhin ein Wählerpote­nzial von mehr als 30 Prozent hat und stärkste Kraft werden kann?

DREYER Die aktuelle Umfragesch­wäche sagt darüber nichts aus. Das sozialdemo­kratische Potenzial bleibt, und die SPD kann stärkste Kraft werden. Klar!

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