Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Ein Krieg kann jederzeit ausbrechen
US-Präsident Donald Trump hat einen Militärschlag gegen den Iran in letzter Minute gestoppt. Die Lage am Golf ist aber weiter extrem angespannt, denn die Hardliner sind stark. Dabei kann keine der beiden Seiten hoffen, mit einer Eskalation ihre Ziele durchzusetzen.
TEHERAN/WASHINGTON 16 Jahre nach der US-Invasion im Irak steht die Golf-Region vor einem neuen Krieg. Als Reaktion auf den Abschuss einer US-Drohne durch die iranischen Revolutionsgarden über der Straße von Hormus holte das US-Militär in der Nacht zu Freitag zum Vergeltungsschlag aus, hielt aber auf Befehl von Präsident Donald Trump im letzten Moment inne. US-Medien berichteten jedoch, eine „maßvolle“Antwort könnte es immer noch geben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie nah ist ein neuer Krieg am Golf? Ein Krieg kann jederzeit ausbrechen. Die USA haben mehrere Zehntausend Soldaten sowie starke Marineund Luftwaffenverbände in der Region stationiert, der Iran verfügt über viele Raketen und kann sich auf pro-iranische Milizen und Gruppen im ganzen Nahen Osten verlassen. Der Ausstieg der USA aus dem internationalen Atomabkommen 2018 und die US-Wirtschaftssanktionen haben die Eskalationsspirale in Gang gesetzt. Mehrere Anschläge auf Öltanker sowie auf Ölanlagen und einen Flughafen in Saudi-Arabien in den vergangenen Wochen sind wahrscheinlich von iranischen Kräften oder verbündeten Milizen verübt worden. Damit wollen die Iraner den Amerikanern zeigen, dass der Preis für eine militärische Konfrontation hoch wäre: Schläge gegen die Schifffahrt im Persischen Golf und Anschläge auf amerikanische Verbündete oder auf US-Truppen im Irak oder in Syrien sind möglich. Wer will einen Krieg?
In der US-Regierung werben vor allem Sicherheitsberater John Bolton und Außenminister Mike Pompeo für einen harten Kurs. Ihnen wird nachgesagt, die Regierung der Islamischen Republik in Teheran stürzen zu wollen. Zu den Iran-Hardlinern zählen auch Israel und Saudi-Arabien. Im Iran hat die Regierung von Präsident Hassan Ruhani, die den Atomvertrag mit dem Westen abschloss, einen schweren Stand. Radikale Kräfte wie die Revolutionsgarden haben Oberwasser. Die Garden haben wirtschaftliches Interesse an weiteren Spannungen: Sie verdienen mit der Einfuhr vieler Güter unter Umgehung der US-Sanktionen viel Geld.
Was wären die politischen Ziele eines Krieges?
Das ist einer der merkwürdigsten Aspekte in der Konfrontation: Keine der beiden Seiten kann realistischerweise hoffen, ihre politischen Ziele mit einem Krieg durchzusetzen. Die USA beispielsweise fordern vom Iran, er solle sein Raketenprogramm einstellen, strengen Atomkontrollen zustimmen und die Unterstützung für radikale Gruppen wie die Hisbollah im Libanon einstellen. Keine iranische Regierung wird eine solche Einigung unterschreiben, weil sie einer Kapitulation gleichkäme. Auch würden sich die meisten Iraner in einem Krieg mit den USA auf die Seite ihres Landes stellen, selbst wenn sie das Mullah-Regime ablehnen. Auch der Iran muss sich fragen lassen, was eine militärische Eskalation bringen soll. Das wichtigste Ziel Teherans ist die Lockerung der Sanktionen. Dazu aber braucht der Iran internationale Bündnispartner.
Wer kann die Spirale noch stoppen? US-Präsident Donald Trump ist weniger scharf auf einen Krieg als manche seiner Berater. Der US-Präsident erklärte, er habe die geplanten Militärschläge „zehn Minuten“vor Beginn gestoppt, weil dabei voraussichtlich 150 Menschen getötet worden wären – das wäre als Vergeltung „nicht verhältnismäßig“gewesen. Gleichzeitig wandte er sich über die Vermittlung des Oman mit einem Verhandlungsangebot an die Regierung in Teheran. Trump ist für seine Kritik an den US-Kriegen in Nahost bekannt – ein Jahr vor der nächsten Präsidentenwahl selbst einen solchen Krieg zu beginnen, wäre deshalb wohl nicht in seinem Sinne. Auch die iranische Regierung ist daran interessiert, einen Krieg zu vermeiden. Ein Krieg wäre für den Iran auf jeden Fall eine Katastrophe.
Wie reagieren Fluggesellschaften? Die US-Luftfahrtbehörde FAA verhängte am Freitag via Twitter ein Flugverbot für in den Vereinigten Staaten registrierte Flugzeuge über dem Persischen Golf und dem Golf von Oman. Die Lufthansa entschied bereits am Donnerstag, die Straße von Hormus zu umfliegen. Das Gebiet sei am Freitag noch etwas erweitert worden. Flüge nach Teheran würden jedoch weiterhin angeboten. Auch andere Fluggesellschaften wie die niederländische KLM, British Airways und Singapore Airlines hatten zuvor bereits angekündigt, diesen Luftraum zu meiden. Die am Persischen Golf beheimatete Fluggesellschaft Etihad kündigte an, die Anweisung der US-Behörde sorgfältig zu prüfen. Die zum Reiseveranstalter Thomas Cook gehörende Fluggesellschaft Condor ist vom Konflikt nicht betroffen – derzeit führe keine Flugroute über die Straße von Hormus, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.