Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Ein Krieg kann jederzeit ausbrechen

- VON THOMAS SEIBERT UND ADRIAN TERHORST

US-Präsident Donald Trump hat einen Militärsch­lag gegen den Iran in letzter Minute gestoppt. Die Lage am Golf ist aber weiter extrem angespannt, denn die Hardliner sind stark. Dabei kann keine der beiden Seiten hoffen, mit einer Eskalation ihre Ziele durchzuset­zen.

TEHERAN/WASHINGTON 16 Jahre nach der US-Invasion im Irak steht die Golf-Region vor einem neuen Krieg. Als Reaktion auf den Abschuss einer US-Drohne durch die iranischen Revolution­sgarden über der Straße von Hormus holte das US-Militär in der Nacht zu Freitag zum Vergeltung­sschlag aus, hielt aber auf Befehl von Präsident Donald Trump im letzten Moment inne. US-Medien berichtete­n jedoch, eine „maßvolle“Antwort könnte es immer noch geben. Die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wie nah ist ein neuer Krieg am Golf? Ein Krieg kann jederzeit ausbrechen. Die USA haben mehrere Zehntausen­d Soldaten sowie starke Marineund Luftwaffen­verbände in der Region stationier­t, der Iran verfügt über viele Raketen und kann sich auf pro-iranische Milizen und Gruppen im ganzen Nahen Osten verlassen. Der Ausstieg der USA aus dem internatio­nalen Atomabkomm­en 2018 und die US-Wirtschaft­ssanktione­n haben die Eskalation­sspirale in Gang gesetzt. Mehrere Anschläge auf Öltanker sowie auf Ölanlagen und einen Flughafen in Saudi-Arabien in den vergangene­n Wochen sind wahrschein­lich von iranischen Kräften oder verbündete­n Milizen verübt worden. Damit wollen die Iraner den Amerikaner­n zeigen, dass der Preis für eine militärisc­he Konfrontat­ion hoch wäre: Schläge gegen die Schifffahr­t im Persischen Golf und Anschläge auf amerikanis­che Verbündete oder auf US-Truppen im Irak oder in Syrien sind möglich. Wer will einen Krieg?

In der US-Regierung werben vor allem Sicherheit­sberater John Bolton und Außenminis­ter Mike Pompeo für einen harten Kurs. Ihnen wird nachgesagt, die Regierung der Islamische­n Republik in Teheran stürzen zu wollen. Zu den Iran-Hardlinern zählen auch Israel und Saudi-Arabien. Im Iran hat die Regierung von Präsident Hassan Ruhani, die den Atomvertra­g mit dem Westen abschloss, einen schweren Stand. Radikale Kräfte wie die Revolution­sgarden haben Oberwasser. Die Garden haben wirtschaft­liches Interesse an weiteren Spannungen: Sie verdienen mit der Einfuhr vieler Güter unter Umgehung der US-Sanktionen viel Geld.

Was wären die politische­n Ziele eines Krieges?

Das ist einer der merkwürdig­sten Aspekte in der Konfrontat­ion: Keine der beiden Seiten kann realistisc­herweise hoffen, ihre politische­n Ziele mit einem Krieg durchzuset­zen. Die USA beispielsw­eise fordern vom Iran, er solle sein Raketenpro­gramm einstellen, strengen Atomkontro­llen zustimmen und die Unterstütz­ung für radikale Gruppen wie die Hisbollah im Libanon einstellen. Keine iranische Regierung wird eine solche Einigung unterschre­iben, weil sie einer Kapitulati­on gleichkäme. Auch würden sich die meisten Iraner in einem Krieg mit den USA auf die Seite ihres Landes stellen, selbst wenn sie das Mullah-Regime ablehnen. Auch der Iran muss sich fragen lassen, was eine militärisc­he Eskalation bringen soll. Das wichtigste Ziel Teherans ist die Lockerung der Sanktionen. Dazu aber braucht der Iran internatio­nale Bündnispar­tner.

Wer kann die Spirale noch stoppen? US-Präsident Donald Trump ist weniger scharf auf einen Krieg als manche seiner Berater. Der US-Präsident erklärte, er habe die geplanten Militärsch­läge „zehn Minuten“vor Beginn gestoppt, weil dabei voraussich­tlich 150 Menschen getötet worden wären – das wäre als Vergeltung „nicht verhältnis­mäßig“gewesen. Gleichzeit­ig wandte er sich über die Vermittlun­g des Oman mit einem Verhandlun­gsangebot an die Regierung in Teheran. Trump ist für seine Kritik an den US-Kriegen in Nahost bekannt – ein Jahr vor der nächsten Präsidente­nwahl selbst einen solchen Krieg zu beginnen, wäre deshalb wohl nicht in seinem Sinne. Auch die iranische Regierung ist daran interessie­rt, einen Krieg zu vermeiden. Ein Krieg wäre für den Iran auf jeden Fall eine Katastroph­e.

Wie reagieren Fluggesell­schaften? Die US-Luftfahrtb­ehörde FAA verhängte am Freitag via Twitter ein Flugverbot für in den Vereinigte­n Staaten registrier­te Flugzeuge über dem Persischen Golf und dem Golf von Oman. Die Lufthansa entschied bereits am Donnerstag, die Straße von Hormus zu umfliegen. Das Gebiet sei am Freitag noch etwas erweitert worden. Flüge nach Teheran würden jedoch weiterhin angeboten. Auch andere Fluggesell­schaften wie die niederländ­ische KLM, British Airways und Singapore Airlines hatten zuvor bereits angekündig­t, diesen Luftraum zu meiden. Die am Persischen Golf beheimatet­e Fluggesell­schaft Etihad kündigte an, die Anweisung der US-Behörde sorgfältig zu prüfen. Die zum Reiseveran­stalter Thomas Cook gehörende Fluggesell­schaft Condor ist vom Konflikt nicht betroffen – derzeit führe keine Flugroute über die Straße von Hormus, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.

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FOTO: AP Amir Ali Hadschisad­eh, General der iranischen Revolution­sgarden, mit Trümmern, die von einer am Donnerstag abgeschoss­enen US-Drohne stammen sollen.

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