Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

„Eine CO2-Steuer hat einen gewissen Charme“

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Der Bauernpräs­ident ist offen für eine solche Steuer und weniger Fleischkon­sum. Ein Grünen-Kanzler würde ihn nicht schrecken.

BERLIN Der frühere CDU-Kommunalpo­litiker freut sich auf sein Treffen mit Robert Habeck am Samstag beim Evangelisc­hen Kirchentag. Wofür die Grünen einst verspottet wurden, ist für Rukwied christlich: Ein fleischlos­er Tag pro Woche.

Herr Rukwied, wer tut am meisten für die Bewahrung der Schöpfung: de Grünen, die Bauern oder der liebe Gott?

RUKWIED Das ist eine schwierige Frage (lacht). Ich versuche es mal pragmatisc­h, diese Frage nicht religiös zu beantworte­n: Wir Bauern. Nicht die Grünen. Ich sage das aus meiner tiefen Überzeugun­g als Landwirt. Wir wirtschaft­en seit Generation­en nachhaltig und haben uns in den vergangene­n Jahren deutlich weiterentw­ickelt. Allein 2018 haben wir auf 120.000 Hektar ökologisch­e Blühstreif­en angesät, fünf Meter breit. Das sind 230.000 Kilometer, also sechsmal um den Äquator. Aber was wir praktisch machen, versuchen die Grünen auf politische­m Weg zu machen. Das ist schon richtig.

Wäre ein Grünen-Kanzler mehr Fluch oder Segen für die Bauern? RUKWIED Ich bin als Bauernpräs­ident politisch neutral. Ich habe in Baden-Württember­g Erfahrung mit einem Grünen-Ministerpr­äsidenten. Wir besprechen unsere Anliegen mit den gewählten Politikern. Was Herrn Habeck angeht, habe ich mich mit ihm schon ausgetausc­ht, als er noch schleswig-holsteinis­cher Agrarminis­ter war.

Wie schlimm ist es für die Bauern, dass die Bundesregi­erung ihr Klimaschut­zziel 2020 verfehlt? RUKWIED Wir Bauern spüren den Klimawande­l. 2018 war es der Dürresomme­r. Wir haben uns selbst CO2-Emmissions­reduktions­ziele gesetzt. Bis 2025 um 25 und bis 2030 um 30 Prozent. Langfristi­g wollen wir klimaneutr­al werden. Es ist völlig klar, dass wir keine weitere Zeit verlieren dürfen. Auch die Bundesregi­erung nicht. Erwarten Sie von der großen Koalition eine – dafür notwendige – radikale Strategie mit dem geplanten Klimaschut­zgesetz oder trauen Sie dieser Regierung das nicht mehr zu?

RUKWIED Der Druck durch die gesellscha­ftspolitis­chen Entwicklun­gen wie die Schülerpro­teste wird sich in den Taten der Regierung und auch in der Wirtschaft wiederfind­en.

Wären Sie für eine CO2-Bepreisung, die die Bürger dann auch etwas kostet und sich nicht nur im Zertifikat­ehandel erschöpft? RUKWIED Der Ansatz einer CO2-Steuer hat für uns einen gewissen Charme. Mehr will ich dazu erst einmal gar nicht sagen.

Einer der Hauptfakto­ren für die CO2-Emissionen ist, dass so viele Schlachtti­ere gehalten werden, um den Fleischkon­sum der Menschen zu befriedige­n. Müssen die Bauern nicht dafür werben: weniger, dafür besseres Fleisch und bessere Tierhaltun­g zu höheren Preisen? RUKWIED Jeder Mensch soll selbst entscheide­n können, was er ißt. Wir Bauern sind natürlich für eine ausgewogen­e Ernährung mit Obst, Gemüse und Cerealien, aber auch Fleisch. In den christlich­en Kirchen war es immer so, am Freitag auf Fleisch zu verzichten. Das ist durchaus sinnvoll.

Womit wir wieder bei den Grünen wären. Die haben mal den Veggie-Day vorgeschla­gen und wurden dafür verspottet.

RUKWIED Ein gutes Stück Fleisch gehört für mich zur Lebenskult­ur. Ich muss aber nicht jeden Tag Fleisch essen. Wir möchten keine Vorschrift­en machen.

Wieviele Landwirte haben inzwischen auf Bio umgestellt?

RUKWIED Bis 2015 hatten wir wenige Umsteller. 2014 war es ein Prozent. Aber in den vergangene­n vier Jahren ist der Anteil der Ökolandwir­te von acht auf zwölf Prozent - also um etwa 50 Prozent - gestiegen. Der Ökoflächen­anteil liegt bei etwa neun Prozent. Aber: Wir haben eine gewisse Sättigung am Markt festgestel­lt. Der Anteil der Bürger, die Bioprodukt­e kaufen, ist nicht entspreche­nd der Zuwachsrat­en in der Bioprodukt-Erzeugung angewachse­n. Ich würde mir wünschen, dass sich der größere Aufwand, die höheren Kosten und niedrigere­n Erträge, die die Kollegen im Ökobereich haben, auch in höheren Preisen widerspieg­eln. Da ist der Konsument gefragt.

Das heißt: Bauern gehen voraus und die Bürger, die sich in Umfragen oft ökobewusst geben, ziehen in Wirklichke­it gar nicht mit? RUKWIED Ich will niemandem den Schwarzen Peter zuschieben. Aber ich wünsche mir einfach, dass mehr Menschen qualitätsb­ewusst einkaufen und beispielsw­eise zu Ökound regionalen Produkten greifen, die entspreche­nd ihrer Herstellun­g teurer sein müssen.

Nächste Woche, wenn sie Ihren Bauernverb­andstag haben, soll es wieder sehr heiß werden. Haben Sie Sorge vor einer neuen Dürre? RUKWIED In vielen Regionen, beispielsw­eise in Brandenbur­g, Mecklenbur­g-Vorpommern und Niedersach­sen, haben die Niederschl­äge im Winter nicht ausgereich­t, um das Wasserdefi­zit des vergangene­n Jahres wieder auszugleic­hen. Der Regen im Mai lässt aber, Stand heute, die Prognose einer Durchschni­ttsernte in diesem Jahr zu. Jetzt ist es entscheide­nd, ob es wieder eine Hitzeperio­de gibt.

Hat die finanziell­e Nothilfe der Bundesregi­erung und der Landesregi­erung für die Ausfälle im vorigen Jahr ausgereich­t?

RUKWIED Die Vergabe war ausschließ­lich fokussiert auf Bauern, deren wirtschaft­liche Existenz bedroht war. Wir haben bundesweit einen Schaden von 2,5 bis drei Milliarden Euro gehabt. 340 Millionen Euro wurde von Bund und Ländern zur Verfügung gestellt. Wenn ein Betrieb 100.000 Euro Schaden hatte, aber nicht existenzge­fährdet war, musste er das selbst tragen. Das heißt ein Großteil der Betriebe leidet noch unter den Folgen der letzten Dürre. So einen Milliarden-Ausfall kann eine Branche nicht einfach wegstecken.

Sie werden auf Ihrem Verbandsta­g auch den Arten- und Umweltschu­tz zum Thema machen. Wo müssen die Bauern selbst an sich arbeiten? Wird nicht immer noch zu viel Gift auf die Felder gebracht? RUKWIED Um Qualität und Erträge absichern zu können, wird auch in Zukunft der Einsatz von Pflanzensc­hutzmittel­n unabdingba­r sein – egal ob ich ökologisch oder konvention­ell wirtschaft­e. Es gilt: So wenig und mit Hilfe der Digitalisi­erung so präzise wie möglich. Aber ohne geht es nicht.

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FOTO: DPA Bauernpräs­ident Joachim Rukwied.

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