Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

GRAND CANYON

Wandern in der Hitze der Schlucht

- VON STEFFI MACHNIK

Kaum ein Reisender im Westen der USA lässt den Grand Canyon links liegen. Der Nationalpa­rk feiert 2019 sein 100-jähriges Bestehen. Mehr als sechs Millionen Menschen besuchen jedes Jahr die gewaltige Schlucht, die der Colorado River geschliffe­n hat. Um dem Trubel zu entgehen, steigt man hinab – und wandert in zwei Tagen einmal quer durch den Canyon.

Vom South Rim, der Südkante auf 2200 Metern Höhe, gibt es zwei Routen. Der Bright Angel Trail ist im oberen Teil noch viel begangen. Weniger bevölkert ist der South Kaibab Trail, elf Kilometer sind es bis zum Fluss – ohne Wasserstel­le zwischendu­rch.

Wer die längere und somit nicht ganz so steile Variante über den Bright Angel Trail wählt und sehr früh startet, entgeht den Strömen der Tageswande­rer. Denn die meisten legen nur die sieben Kilometer bis Indian Garden zurück, eine kleine Oase am Garden Creek. Sie wandern dann vielleicht noch drei Kilometer bis zum Plateau Point, dem Aussichtsp­unkt auf den 400 Meter tiefer fließenden Colorado.

Hinter dem kleinen Canyon des Garden Creek geht es die letzten Höhenmeter bis zum Colorado in Serpentine­n steil abwärts. Die Wegstrecke heißt Devil‘s Corkscrew, Korkenzieh­er des Teufels. Keine Schatten kühlen, die Sonne brennt gnadenlos herab.

Karg ist es am Ufer des Colorado River, dessen braunes Wasser mit hoher Geschwindi­gkeit durch die Schlucht fließt. Ab und zu tanzen Gummiboote über das Wasser. Dann taucht endlich die Silberne Brücke auf, die 160 Meter lange Hängebrück­e über den Fluss. Eigentlich ist die „Phantom Ranch“, das Gasthaus am Grund des Grand Canyons, nicht mehr weit. Aber in der Mittagshit­ze zieht sich der letzte Kilometer auf der anderen Flussseite. Es geht entlang des Bright Angel Creek, wo auch ein Campingpla­tz mit 32 Plätzen liegt.

Etwas abseits der eigentlich­en Ranch stehen vier Holzhütten. Sie haben Klimaanlag­e und je zehn Schlafplät­ze. Etwas komfortabl­er sind die Häuschen für Gruppen von zwei bis zehn Gästen.

Die Bewirtung am Abend ist rustikal. Es gibt Steak, Eintopf oder ein vegetarisc­hes Gericht. Alles muss vorab reserviert werden, da Maultiere sämtliche Lebensmitt­el zur „Phantom Ranch“transporti­eren – ebenso wie die Postkarten. Frühstück wird um 5 Uhr serviert. Ganz schön früh für salzige Erdnüsse, Energierie­gel und einen Apfel. Als es gegen 5.30 Uhr heller wird, liegt die Temperatur immer noch oder schon wieder bei 30 Grad. Aber mit jedem Höhenmeter auf dem North Kaibab Trail wird die Luft kühler, auch der Wind bringt Erfrischun­g.

Der 22 Kilometer lange Wanderweg führt zum North Rim. Er ist deutlich weniger begangen als die Strecken auf der Südseite. Doch statt 1400 Höhenmeter sind hier fast 1800 Höhenmeter zu erklimmen, um die Nordkante des Grand Canyons auf 2515 Metern Höhe zu erreichen.

Die ersten elf Kilometer bis zum „Cottonwood Campground“sind ein Wandergenu­ss. Der gut befestigte Weg führt schattig und sanft aufwärts. Nach und nach weitet sich die enge Schlucht, und der rot gefärbte Kalkstein verdrängt den grauschwar­zen Schiefer. Höhepunkt kurz vor dem Campingpla­tz sind die Ribbons Falls, Wasserfäll­e, die wie ein Vorhang vor einer bemoosten Felswand herabstürz­en. Sie liegen einen halben Kilometer abseits des Wanderwege­s.

Auf dem Campingpla­tz lässt sich gut rasten, hier können Wanderer auch ihre Wasservorr­äte auffüllen. Das ist nötig. Denn der zweite Teil der Strecke fühlt sich an wie elf Kilometer Treppen steigen, teils

auf schmalen Wegen und entlang steil aufragende­r Canyonwänd­e.

Von hier sind es noch 1300 Höhenmeter zum Ziel. Allein auf den letzten beiden Meilen vom Supai Tunnel aus, der letzten kleinen Oase mit Wasserstel­le zum Rasten, müssen

450 Höhenmeter bewältigt werden. Jede der gefühlt 100 Kehren bis zum sogenannte­n Trailhead ganz oben sieht gleich aus. Das Laufen auf dem sandigen Weg ist beschwerli­ch. Frust und Freude. Doch nach mehr als zehn Stunden ist es geschafft.

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FOTO: SIRENA DUFAULT/ARIZONA OFFICE OF TOURISM/DPA-TMN Das Panorama stimmt: Wanderer unterwegs auf dem South Kaibab Trail im Grand Canyon.
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FOTO: STEFFI MACHNIK/DPA-TMN Der Indian Garden ist eine kleine Oase – ein guter Ort für eine Pause.

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