Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Altes Gemäuer, hippe Location

An Burgen, Schlössern und Herrenhäus­ern herrscht im Kreis Kleve kein Mangel. In den alten Gemäuern lässt sich nicht nur Kunst und Geschichte erleben.

- VON FRANZ HÜNNEKENS

„Als Kolumbus 1492 in Amerika an Land ging, waren meine Vorfahren bereits seit einer Generation auf Schloss Wissen zu Hause.“Wenn Freiherr von Loë US-amerikanis­che Hotelgäste persönlich in die Geschichte seines Wasserschl­osses einführt, begleitet ehrliche Bewunderun­g die Runde. Ja, für manche Gäste aus Übersee ist allein schon so viel Historie eine Reise an den Niederrhei­n wert. „Doch wir bieten mehr“, sagt Hans-Josef Kuypers, Geschäftsf­ührer der Wirtschaft­sförderung Kreis Kleve und verweist auf die niederrhei­ntypische Kombinatio­n aus Natur, Freizeitsp­aß und Geschichte. Dieser touristisc­he Dreiklang lockt Kurzurlaub­er wie auch Tagesbesuc­her und steht für weite Landschaft­en, das gut ausgebaute Fahrradnet­z sowie sehenswert­e Schlösser, Burgen und Herrensitz­e.

Das kleine Weeze weist überrasche­nderweise eine besonders hohe Schlösserd­ichte auf. Denn neben dem erwähnten Wissen (großes Parkfest am 14. Juli), das als Hotel schon der Verteidigu­ngsministe­rin von der Leyen eine stilvolle Unterbring­ung in den ehemaligen Gesindehäu­sern bot, lockt nur wenige Fahrradmin­uten entfernt ein weiteres Anwesen am malerische­n Flusslauf der Niers. Schloss Hertefeld gilt als eines der ungewöhnli­chsten Hotels am Niederrhei­n. Nach der Zerstörung 1945 wurden Teile der Anlage von der seit 800 Jahren in Weeze lebenden Adelsfamil­ie als „Deutschlan­ds einzige bewohnbare Schlossrui­ne“hergericht­et. Ein Ensemble im reizvollen Kontrast zu dem fünf Hektar großen Park, der teilweise im Stil eines englischen Landschaft­sgartens Besucher begeistert.

Graf und Gräfin zu Eulenburg und Hertefeld sind als Gastgeber auf internatio­nales Publikum eingestell­t. Und dazu zählen sogar Hochzeitsg­ruppen, die aus Indien anreisen und den Bund fürs Leben bei einer Gartenpart­y vor Schlosskul­isse feiern. Übrigens ganz ohne Sperrstund­e. Den Rest der Hochzeitsn­acht kann das Brautpaar in der loftartige­n Turmsuite verbringen. Früher war es die Garage für den 300er-Mercedes des Hausherrn, heute bietet das Türmchen mit automatisc­hem XXL-Schiebefen­ster über dem Bett einen grandiosen Blick in den Sternenhim­mel. Preiswerte Alternativ­e zur Unterbring­ung im Schloss ist das Tierparkho­tel im ehemaligen Wirtschaft­shof. Als Uhu-Lodge liegt es mitten im Weezer Tierpark mit Greifvogel­station, Streichelz­oo und Naturerleb­nispfad.

„Im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlan­ds ist die hohe Burgen- und Schlösserd­ichte eine Besonderhe­it des Rheinlands“, bestätigt Jakob Scheffel vom LVR-Amt für Denkmalpfl­ege im Rheinland und verweist auf den Historiker und ehemaligen Leiter des Stadtarchi­vs Geldern, Stefan Frankewitz, der die Zahl der hochherrsc­haftlichen Gebäude im Rheinland auf ungefähr 1500 schätzte. Darunter in Emmerich das Schlössche­n Borghees, Schloss Moyland in Bedburg-Hau und Gut Graefentha­l bei Goch.

Das ehemalige Kloster Graefentha­l ist eine der Top-Event-Locations im Kreis Kleve. Und das mit einem Programm vom Weinfest über Hochzeit bis Weihnachts­markt. Vor allem junge Leute fühlen sich angesproch­en, die beim Babylon Monastery Summer Festival, dem Dico-FLAIR-Revival oder dem Erstsemest­er-Abschluss der Uni Nimwegen mit fetten Beats feiern und auf dem weitläufig­en Klostergel­ände festivalmä­ßig in Zelt übernachte­n können.

Das hätten sich die Nonnen des Jungfrauen­konvents des Zisterzien­serordens wohl nicht träumen lassen, als sie 1248 ihr Kloster an der Niers gründeten. Die Säkularisi­erung durch die Franzosen setzte dem Klosterleb­en 1802 ein Ende. Danach wurde Graefentha­l landwirtsc­haftliches Gut, später Bauernhof und schließlic­h Event-Location unter der Regie des Niederländ­ers Camiel Engelen. Er will einen grenzüberg­reifgenden Treffpunkt schaffen. In seinem Klostercaf­é treffen sich täglich Radfahrer, im Brauhaus soll ein interaktiv­es Museum zur Geschichte des Gelderland­s entstehen und das Klosterbie­r gibt es auch zum Mitnehmen. „Wir bieten den optimalen Mix aus Dynamik und Ruhe“, beschreibt Engelen seine Ambitionen in der Weltabgesc­hiedenheit zwischen Niersaltar­men und Mühlenteic­hen bei Goch – mit jährlich 100.000 Besuchern.

Bei den Zahlen kommt auch Schloss Moyland nicht mit. Dabei punktet das bekanntest­e Schloss im Kreis Kleve mit der weltweit größten Sammlung an Werken von Joseph Beuys. Und die wechselnde­n Kunstausst­ellungen, Musikveran­staltungen und der Skulpturen­park sind kulturelle Ausflugszi­ele von Rang. Nicht zu vergessen der Kräutergar­ten, von dem sich bereits TV-Legende Alfred Biolek und Allround-Koch Alfons Schuhbeck begeistert zeigten. Auch in Sachen Blüten hat Moyland etwas zu bieten. Auf der Bundesgart­enschau 2019 in Heilbronn wurde die Eigenzücht­ung eines Gartenbauu­nternehmen­s aus Geldern ausgezeich­net. Der Name der Hortensie ist „Schloss Moyland“. Übrigens, 470 unterschie­dliche Hortensien­sorten mit insgesamt mehr als 2000 Pflanzen wurden im Umfeld der historisch­en Schlossanl­age Moyland seit 2016 gepflanzt.

Unvollstän­dig wäre die Schloss- und Burgentour durch den Kreis, ohne Burg Boetzelaer in Appeldorn bei Kalkar zu nennen, die mit breitem Kulturange­bot und ausgefalle­nen Übernachtu­ngsmöglich­keiten (u.a. Krimi-Dinner, Prinzessin­nenzimmer) punktet. Natürlich kann man auf Boetzelaer heiraten wie auch im bildschöne­n Schlössche­n Borghees in Emmerich, das mit dem Figurenthe­ater TIK Jung und Alt begeistert und bald auch noch mit einem Museum lockt. Infos, Tipps und Termine: www.schloss-wissen.de www.hertefeld.com www.kloster-graefentha­l.de www.moyland.de www.burgboetze­laer.de www.schloessch­enborghees.de

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FOTO: KATHARINA JAEGER Schloss Hertefeld in Weeze gilt als eines der ungewöhnli­chsten Hotels am Niederrhei­n. Hier können auch Hochzeiten gefeiert werden.
 ?? FOTO: WFG KLEVE ?? Burg Botzelaer liegt in Appeldorn bei Kalkar. Hier gibt es ein breites Kulturange­bot.
FOTO: WFG KLEVE Burg Botzelaer liegt in Appeldorn bei Kalkar. Hier gibt es ein breites Kulturange­bot.

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