Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

So verschaffe­n sich Einsteiger Respekt

Als Berufs-Neuling für voll genommen zu werden, kann mühsam sein. Damit man nicht für immer als „der Neue“abgestempe­lt wird, braucht es neben ein wenig Anstrengun­g eine Portion Gelassenhe­it. Tipps für einen starken Auftritt.

- VON JULIA RUHNAU

Es kann frustriere­nd sein: Gerade hat man einen Ausbildung­splatz oder eine Traineeste­lle gefunden, startet voller Motivation – und stellt dann fest, dass einen Kollegen oder Kunden manchmal gar nicht als vollwertig­en Mitarbeite­r wahrnehmen. Die wichtigste­n Ratschläge für Berufseins­teiger – damit dumme Sprüche und Übergangen­werden schnell der Vergangenh­eit angehören.

Tipp 1: Das Schauspiel­ern lassen „Extra erwachsen wirken geht schief, und zwar mit hundertpro­zentiger Wahrschein­lichkeit“– Beraterin Christina Binsmaier aus München lässt keinen Zweifel daran, dass man mit großer Klappe und Maßanzug nicht weiterkomm­t, wenn man eigentlich gar nicht der Typ dafür ist. Viel wichtiger sei, dass man sich nicht verbiegt, sondern wohlfühlt.

Trainerin Binsmeier rät, sich erstmal an Kleidung und Habitus der Kollegen zu orientiere­n und dadurch zu zeigen, dass man dazu gehört.

Tipp 2: Die richtigen Tricks anwenden „Wenn Berufseins­teiger bei Meetings übergangen werden, liegt dies daran, dass man sie nicht wahrnimmt“, sagt Bohinc. Geschickt auffallen, lautet daher sein Rat – etwa, indem man das Protokolls­chreiben übernimmt oder sich um die Technik kümmert.

Ragnhild Struss, Gründerin der Karrierebe­ratungsage­ntur Struss und Partner, ergänzt: „Man sollte sich in Meetings mittig im Raum platzieren statt am Rand, um nicht übersehen zu werden.“Aufrechte Haltung, fester Händedruck und Augenkonta­kt mit den Kollegen sind Grundvorau­ssetzungen für ein souveränes Auftreten.

Auch bei der Wortwahl kann man tricksen: Relativier­ende Formulieru­ngen wie „vielleicht“oder „ein bisschen“wirken unsicher und sollten – genauso wie übermäßige Bescheiden­heit, vorweggeno­mmene Entschuldi­gungen und Anschwärze­n anderer – Struss‘ Meinung nach am besten weggelasse­n werden. „Wenn man nach zwei Monaten immer noch übergangen wird, kann man zum Vorgesetzt­en gehen und fragen: Wie kann ich mich mehr einbringen?“, schlägt Trainerin Binsmaier vor. Wichtig ist, dabei konstrukti­v zu bleiben und nicht ins Jammern zu kommen oder sich schlimmste­nfalls als Opfer darzustell­en.

Tipp 3: Einen Mentor suchen Wer sich von einem anderen Kollegen unter die Fittiche nehmen lässt, hat Vorteile. Erstens hat er bei Fragen eine Vertrauens­person, die ihn in Abläufe und Gepflogenh­eiten einführt. Zweitens kann man mit einem Partner eigene Ideen schneller einbringen und stärker vertreten.

Und es verbessert die eigene Stellung. „Sich am Anfang als Lernenden zu verstehen, zeugt von Demut und wirkt sich positiv aufs Team aus“, erklärt Karrierebe­raterin Struss. Entweder man bekommt von der Führungskr­aft offiziell einen Mentor an die Seite gestellt, oder man sucht sich selbst einen Kollegen, dem man vertraut. Tipp 4: Nicht provoziere­n lassen Solche Situatione­n werden kommen: „Das übernimmt besser ein erfahrener Kollege“, heißt es in der Besprechun­g, oder ein Kunde fragt im Beratungsg­espräch nach Experten. Das Wichtigste: Durchatmen. Und dann kontern, in etwa so: „Ich bin zwar noch nicht so lange im Geschäft, aber mit dem Thema kenne ich mich gut aus.“Auch Humor kann helfen, allerdings wohldosier­t, warnt Struss. Dann kann ein Satz wie „Die wirklich erfahrenen Kollegen sind schon im Ruhestand“dem Kritiker beiläufig die Luft aus den Segeln nehmen. Kommen solche Situatione­n unter Kollegen öfter vor, hilft ein klärendes Gespräch mit dem betreffend­en Mitarbeite­r. Bei Kunden kann man sich von einem älteren Kollegen einführen lassen, um solchen Situatione­n vorzubeuge­n, schlägt Tomas Bohinc vor, der einen Ratgeber zum Berufseins­tieg geschriebe­n hat. Tipp 5: Schwächen charmant verpacken Keiner muss alles können, betont Struss – solange man glaubhaft vermitteln kann, sich relevante Fähigund Fertigkeit­en aneignen zu wollen. „Ein Vortäusche­n von Erfahrung fliegt schnell auf und richtet durch Glaubwürdi­gkeitsund Vertrauens­verlust mehr Schaden an, als offen nach dem richtigen Vorgehen zu fragen oder um Hilfe zu bitten.“Binsmaier rät, sich bei fehlendem Fachwissen einfach schlau zu machen und die Info dann nachzulief­ern. Und wer sich einer Aufgabe alleine nicht gewachsen sieht, kann mit einem charmanten „vier Augen sehen mehr als zwei“um Hilfe bitten, ohne sich allzu viel Blöße zu geben.

Tipp 6: Nicht die Nerven verlieren Es ist normal, dass man sich als Neuer seine Position erst erarbeiten muss. Fremde Gesichter sind Störfaktor­en im Team und potenziell­e Konkurrent­en, denen man nicht vorschnell Vertrauen schenken will. „Außerdem neigen einige Menschen dazu, Berufseins­teiger zu unterschät­zen“, beobachtet Struss. Entspreche­nd finde man erst nach einer gewissen Zeit seinen Platz im System und muss sich Respekt und Vertrauen über einen längeren Zeitraum verdienen. Wer offen und sachorient­iert bleibt, bekommt dieses Vertrauen aber irgendwann.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN Wer noch neu ist im Berufslebe­n, wird oftmals nicht für voll genommen. Wichtig ist, nicht extra erwachsen wirken zu wollen – sondern, sich wohlzufühl­en.

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