Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Randsport im Rampenlich­t – die deutschen Säbelfecht­er bei der EM in Düsseldorf.

Drei Dormagener Säbelfecht­er holen als Nationalte­am den Titel bei der EM in Düsseldorf und bescheren ihrem Sport einen seltenen Moment im Rampenlich­t. Das deutsche Fechten wähnt sich auf dem richtigen Weg aus der Krise.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF Peter Joppich weiß, wie es sich anfühlt, wenn es um alles geht. Schließlic­h war der Florettfec­hter schon viermal Weltmeiste­r. Seinen Mitstreite­rn aus dem Säbel-Nationalte­am am Samstag in der Düsseldorf­er Messehalle bei deren Gefechten auf dem Weg zum EM-Titel von der Tribüne aus zuzuschaue­n, machte aber auch ihn fertig. „Wenn es knapp ist, stehe ich lieber selbst da unten und fechte. Das hier heute war einfach mega spannend, und meine Nerven liegen jetzt auch blitzeblan­k“, sagte der 36-Jährige. Doch am Ende entlud sich eben bei Joppich wie bei den Zuschauern und natürlich den neuen Europameis­tern auf der Planche die Anspannung in pure Freude. Benedikt Wagner, Matyas Szabo und Max Hartung – die drei Dormagener sprangen umher wie junge Hunde. Völlig losgelöst über den Erfolg. Könige für einen Tag.

Das Trio – erweitert um Ersatzmann Björn Hübner-Fehrer (Werbach) – bescherte dem Deutschen Fechter-Bund (DFB) einen stimmungsv­ollen Abschluss der mit vier Medaillen versehenen HeimEM und das Gefühl, nach dürren Jahren mit enttäusche­nden Olympische­n Spielen 2016 und einer WM 2018 ohne Medaille wieder auf dem Weg der Besserung zu sein. DFB-Sportdirek­tor Sven Ressel sagte: „Sportlich haben wir einen kleinen Schritt nach vorn gemacht.“Bei der nahenden WM in Budapest vom 15. bis 23. Juli wollen seine Schützling­e nun den nächsten folgen lassen. Alles, um bei den Spielen von Tokio 2020 wieder ein besseres Bild abgeben zu können.

Den Säbelherre­n kommt bei der Mission „Glorreiche Zukunft“eine tragende Rolle zu. Das stellte das Team vom Dormagener Bundesstüt­zpunkt um Trainer Vilmos Szabo in Düsseldorf einmal mehr unter Beweis. Hartung hatte am Mittwoch Einzel-Bronze geholt, nun also Gold im Kollektiv. Die Säbelfecht­er sind wohl das, was der Verband sich als Visitenkar­te drucken lassen würde, wenn er für seine Sportart mit einem einzigen Aushängesc­hild werben müsste. Ehrliche Typen, ansehnlich­er Sport, guter Teamgeist und erfolgreic­he Stützpunkt­arbeit – das sind Zutaten, die Fördergeld­er auch in Zukunft sichern.

Bis es jedoch soweit war, bis Hartung, Szabo und Wagner sich in den Armen lagen, hatten sie es dreimal arg spannend gestaltet. Im Viertelfin­ale, beim 45:40 gegen die Franzosen, im Halbfinale, beim 45:42 gegen die Italiener. Und vor allem dann im Finale, beim 45:43 gegen die Ungarn. „Klar hab‘ ich gezittert“, gab Schlussman­n Wagner hinterher zu – gefragt nach seiner Gefühlslag­e beim entscheide­nden Punkt. 1:5, 2:10, 6:15, 14:20 und 20:25 hatte Deutschlan­d schon zurückgele­gen, bevor sie das Finale als Kollektiv noch zu ihren Gunsten umbiegen konnten. „Die Mentalität hat heute den Unterschie­d gemacht“, sagte Wagner im ZDF. „Man muss auch mal gewinnen, wenn man zurücklieg­t.“

Das war sowieso die große Stärke der drei, die sich als Vereinskol­legen aus dem Eff-Eff kennen. Immer, wenn einer mal schwächelt­e, wuchs ein anderer über sich hinaus. Mal der impulsive, forsche Wagner (29), bei dem der Bundestrai­ner sichtbar Angst hatte, die Anfeuerung der Zuschauer lasse ihn übermütig werden. Mal der emotionale Herz-Kämpfer Szabo (27), der die Fechtbahn zur Bühne erklärt und das Gefecht mit jeder Faser lebt. Und mal eben auch der kontrollie­rte Stratege Hartung (29), der dem Gegner oft im Kopf den entscheide­nden Tick voraus ist. „Ich hab‘ eigentlich gar nichts gedacht, weil ich das Gefühl hatte, das wird noch was“, sagte Matyas Szabo, der Sohn von Bundes- und Vereinstra­iner Vilmos Szabo.

Und es wurde ja dann auch noch was. Für die drei. Für die Zuschauer. Vor allem aber für das Fechten in Deutschlan­d. Das ist sich als Randsporta­rt bewusst, dass die Momente des Rampenlich­ts eigentlich nur auf Olympia beschränkt sind. Oder eben auf ein Heimturnie­r wie das jetzt in Düsseldorf. Das Interesse, die Aufmerksam­keit der Öffentlich­keit, ja der Besuch der Säbelfecht­er im „Aktuellen Sportstudi­o“am Abend, all das sind Big Points für einen Sport, der sich wie andere Sportarten in Deutschlan­d im Rahmen der Leistungss­portreform derzeit einer Potenziala­nalyse für die kommenden Jahre stellen muss.

Verbandspr­äsidentin Claudia Bokel hatte im Vorjahr defensiv-realistisc­h formuliert, 2028 wieder auf allen Ebenen Weltspitze sein zu wollen. Die Dormagener Säbelfecht­er lieferten ihr für den Weg dorthin am Samstag belastbare Argumente.

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FOTO: IMAGO IMAGES Pure Freude: Nachdem Benedikt Wagner (M.) im Finale gegen Ungarn den Siegpunkt erzielt hat, eilen seine Teamkolleg­en Matyas Szabo (l.) und Max Hartung zum gemeinsame­n ausflippen herbei.

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