Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Köln feiert Phil Collins
Der britische Superstar gab zwei Konzerte im Kölner Stadion. Es wurde ein bewegender Abend. Ein Ereignis war auch das Publikum.
Der 68-Jährigegabeinberührendes Stadionkonzert. Der Titel seiner Comeback-Tournee: „Still Not Dead Yet“.
KÖLN Phil Collins war natürlich auch super an diesem ersten von zwei Konzertabenden, aber das Publikum, das war die Wucht. Da war die Frau, die ihren teuren Sitzplatz direkt vor der Bühne verließ und beherzt an den Rand des Stadioninnenraums schritt, weil sie dort mehr Platz zum Tanzen hatte. Da war der Mann, der im T-Shirt von Peter Gabriel gekommen war, Collins’ früherem Kompagnon bei Genesis. Und da waren all die anderen, die klatschten, mitsangen, mit den Füßen stampften und ab der Mitte dieses rund zweistündigen Ereignisses aufrecht dastanden und lächelnd groovten und ebenso viel Zuneigung für den Künstler aussandten wie der für sie. Herrliche Community, Sommerfest des größten gemeinsamen Nenners.
Schon zu Beginn, als der 68-Jährige auf die Bühne kam, erhoben sich die 38.000 von ihren Stühlen und applaudierten. Ganz viel Liebe im Rheinenergie-Stadion zu Köln. Collins wirkte wie eine Mischung aus Steve Jobs und Peter Ustinov. Er geht ja am Stock, und er humpelte langsam zu seinem Stuhl und absolvierte das Konzert im Sitzen. Als er sich niedergelassen hatte, faltete er einen Zettel auseinander und las vor: „Ich habe eine Rücken-Operation gehabt, und mein Fuß ist gefuckt.“Das rührt natürlich, denn Collins galt einst als Überschall-Popstar, er war schneller als sein Schatten. 1985 trat er beim Live-Aid-Konzert sowohl in London als auch in Philadelphia auf – die Concorde machte es möglich. In seiner Autobiografie verrät er, dass er sich in den 1980er Jahren Medikamente hat verabreichen lassen, die seine Stimmbänder stärkten. Was er damals nicht wusste, war, dass die Mittelchen sein Skelett angriffen. Nun sind seine Knochen brüchig. „Ich falle Stück für Stück auseinander“, schreibt er in seinen Erinnerungen.
Er trägt es mit Fassung: Seine Comeback-Tournee vor zwei Jahren hieß „Not Dead Yet“. Die aktuelle „Still Not Dead Yet“. Britischer Humor.
Collins begann mit „Against All Odds“, wahrscheinlich wegen des vielsagenden Refrains „Take a Look at me now“. Aber danach ging es zur Sache. Zwölf Musiker standen mit ihm auf der Bühne, und die machten ordentlich Druck und zimmerten ein gut gepolstertes Bett für Collins’ unversehrte Stimme. „Don’t Lose My Number“, „Who Said I Would“, „Something Happened On the Way To Paradise“. Collins warf die Arme in die Luft, trommelte mit den Fäusten gegen den Himmel, sein Oberkörper war ständig in Bewegung.
Sehr schön geriet das Genesis-Stück „Follow You, Follow Me“, zu dem Collins Fotos von früher über die große Leinwand laufen ließ; das sollte man sich auf die Sommer-Playlist setzen. Ansonsten verzichtete er auf die Großkonzert-Mätzchen: Nur die Musik und du und ich. Nach der Hälfte des Abends fragte er siegesgewiss „Good Bang, hah?“. Da jubelten natürlich alle: Yes, Sir! Collins schnaufte kurz durch und stellte erstmal ausführlich die Band vor. Zu der gehörte auch Nicholas, Collins’ 18 Jahre alter Sohn, der das Schlagzeug spielte. Er bekam ein langes Solo, und Collins setzte sich dafür auf einen Stuhl mit Blick auf das Schlagzeug. Ein irrer Moment: Papa schaute zu, wie der Sohn in seine Fußstapfen trat, und man wusste nicht so genau, ob das nun eine Unterrichtsstunde war oder ein Energietransfer. Beides ist möglich, denn kurz danach folgte „In The Air Tonight“, Collins’ größter Song: lila Licht, Trockeneis-Nebel, schockgefrorene Vocals. Collins das einzige Mal stehend, und im entscheidenen Moment schloss er die Augen: bei dem legendären, nun von Nicholas gespielten Drum-Solo, das so sehr für die 80er Jahre steht wie der Dom für Köln.
In jenem Jahrzehnt war Collins allgegenwärtig. Mit Genesis und solo reihte er Hit an Hit. Manche hatten ihn damals bereits über. Nick Hornby etwa schrieb in seinem Roman „High Fidelity“, dass man „mit Leuten, die Phil Collins gut finden, als vernünftiger Menschen nichts zu tun haben sollte“. Collins verkaufte indes 150 Millionen Platten. Erst 2002 war auch die Liebe des Mainstreams erkaltet: Sein Album „Testify“geriet zum großen Flop.
Das ist nun vergessen, die Menschen merken, was sie an ihm haben und an diesen raffiniert gebauten und gut getimten Songs. Im Konzert brachen spätestens bei „In The Air Tonight“alle Dämme. Es folgten „You Can’t Hurry Love“, „Invisible Touch“, „Easy Lover“, „Sussudio“. Enorme Lautstärke, massiver Druck, swingender Bombast. Verehrung, Fete, großer Abend.
Auf dem Heimweg hätte man 1000 Ohrwürmer haben können, es wurden ja genug gespielt. Man sang stattdessen einen Collins-Song vor sich hin, der gar nicht vorgekommen war, sich als Motto aber verflixt gut eignet: „One more night / Please give me one more night.“