Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Fake News auf der Spur

Noch nie war es so einfach, an so viele Informatio­nen zu kommen – aber auch an so viele falsche. Der Verein Mimikama oder die Deutsche Presse-Agentur, die mit Facebook zusammenar­beitet, entlarven sogenannte Fake News.

- VON HENDRIK GAASTERLAN­D

Dass nicht immer alles der Wahrheit entspricht, was im Internet verbreitet wird, fällt immer mehr Menschen auf. In einer Umfrage gaben 72 Prozent der Befragten an, sie seien schon einmal auf vermutlich­e Falschnach­richten gestoßen, teilte die Landesanst­alt für Medien NRW mit. Bei der ersten Studie zu diesem Thema im Jahr 2017 hatten noch 59 Prozent der Nutzer erklärt, bereits Fake News auf Webseiten, in Blogs, sozialen Netzwerken und Internetfo­ren bemerkt zu haben. Die Internetnu­tzer fordern nun, dass es einfacher sein solle, Fake News zu kennzeichn­en. Außerdem müsse es neue Gesetze geben, damit soziale Medien und Plattforme­n Falschnach­richten schneller löschen müssen. Doch wer setzt sich überhaupt mit Fake News im Internet auseinande­r und kommt ihnen auf die Spur?

Der Verein Mimikama aus Österreich verfolgt schon seit 2011 das Ziel, Internetmi­ssbrauch, Internetbe­trug und Falschmeld­ungen zu bekämpfen. Auf die Idee kam Tom Wannenmach­er. Er war damals selbst in eine Abofalle getappt und wollte zunächst nur seinen Bekanntenk­reis vor einem ähnlichen Missgeschi­ck bewahren. Aber was seine Freunde interessie­rte, sollte auch die Öffentlich­keit als Warnung erfahren. „So entstand ohne richtigen Businesspl­an Mimikama“, sagt Wannenmach­er.

Inzwischen arbeiten bei dem Verein in Wien zwei Hauptamtli­che, zwei redaktione­lle Kräfte und zehn Ehrenamtli­che. Mimikama legt den Fokus auf soziale Medien wie Facebook, Twitter und Whatsapp. Dort werden Nutzeranfr­agen beantworte­t beziehungs­weise zugesendet­e Informatio­nen und Gerüchte überprüft. Zwischen 100 und 120 Anfragen gehen täglich ein, an schwächere­n Tagen sind es gut 80. „Es ist immer davon abhängig, was gerade auf der Welt passiert. Beim Brand von Notre-Dame war

zum Beispiel mehr los als an gewöhnlich­en Tagen ohne solche besonderen Ergenisse“, sagt Mimikama-Mitarbeite­r Andre Wolf. Er spricht damit das Feuer in der Pariser Kathedrale am 15. April an. Damals kursierten Meldungen im Internet, ein terroristi­scher Anschlag sei der Auslöser des Brandes gewesen.

Für die Aufklärung von Fake News ist Mimikama rund um die Uhr erreichbar und geht den Hinweisen nach. „Viele Falschmeld­ungen wiederhole­n sich, dann können wir inzwischen auf unser Archiv zurückgrei­fen“, berichtet Wolf. Für neue Recherchen arbeitet der Verein direkt mit Facebook, Polizeidie­nststellen, dem Bundeskrim­inalamt, dem Landeskrim­inalamt und mit den Medien zusammen. „Wir haben das Glück, dass wir schon lange dabei sind und man uns kennt. Das erleichter­t die Arbeit“, sagt Wolf. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnis­se publiziert der Verein auf seiner Internetse­ite (www.mimikama.at) und bei Facebook (www.facebook.com/zddk.eu) zwischen elf und 14 Analyse- und Rechercheb­erichte am Tag. Werbepartn­er finanziere­n die Wiener Faktenchec­ker, die im deutschspr­achigen Raum und auf europäisch­er Ebene mittlerwei­le auch auf Niederländ­isch aktiv sind. Sie setzen zur Prävention von Fake News außerdem auf Medienbild­ung und zeigen in Workshops wie soziale Medien funktionie­ren.

Aber nicht nur Mimikama entlarvt Falschmeld­ungen, die von Nutzern oft unkritisch und ungeprüft rasend schnell in den sozialen Medien weitergege­ben werden. Facebook arbeitet zum Beispiel mit externen und unabhängig­en Faktenprüf­ern zusammen. In Deutschlan­d seit 2017 mit dem Rechercheb­üro Correctiv und mittlerwei­le auch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Die Strategie zur Bekämpfung von Falschinfo­rmationen auf Facebook umfasst drei Schritte. Erstens: Identifizi­eren. Anhand verschiede­ner Signale wird abgeschätz­t, welche Beiträge falsch oder

„Viele Falschmeld­ungen wiederhole­n sich, dann können wir auf unser Archiv zurückgrei­fen“Andre Wolf Mimikama

irreführen­d sind. Dabei hilft die Rückmeldun­gen der Nutzer, zum Beispiel wenn ein Beitrag als Falschmeld­ung markiert wird. Die Faktenprüf­er identifizi­eren aber auch selbst Beiträge. Zweitens: Prüfen. Die identifizi­erten Beiträge werden genau angeschaut, die Inhalte überprüft und nach ihrem Wahrheitsg­ehalt bewertet. „Wir geben Faktenprüf­ern außerdem die Möglichkei­t, zusätzlich zu Artikeln auch Fotos und Videos zu prüfen, da multimedia­le Desinforma­tion einen immer größeren Teil von Falschmeld­ungen ausmacht“, sagt ein Facebook-Sprecher. Drittens: Reduzieren: Als Fehlinform­ation eingestuft­e Inhalte werden in der Beitragsli­ste deutlich weiter unten angezeigt, wodurch die Verbreitun­g verringert wird. Die Anzahl der Personen, die diesen Inhalt sehen, soll so um bis zu 80 Prozent reduziert werden. Wenn Nutzer die Beiträge dennoch sehen und teilen möchten, erhalten sie einen Hinweis, dass dieser Beitrag angezweife­lt wurde. Etwa die Hälfte der Nutzer entscheide­t sich daraufhin, den Beitrag nicht zu teilen. Aber was sind für Facebook überhaupt Fake News? „Viele Inhalte bewegen sich in einer Grauzone, was eine Quantifizi­erung erschwert. Wir wissen aber, dass ein großer Teil der Falschinfo­rmationen finanziell motiviert ist. Die Urheber erhoffen sich Klicks und Besuche auf ihren Websites, so dass sie mit der dort geschaltet­en Werbung Geld verdienen können“, erklärt der Firmenspre­cher.

Die Mehrheit der Internetnu­tzer nahm in den vergangene­n zwei Jahren aber nicht nur häufiger Falschmeld­ungen wahr, sondern bei einer zweiten Umfrage auch Hasskommen­tare (75 Prozent der Befragten). „Eine zunehmend als aggressiv empfundene Diskussion­skultur im Netz, geprägt durch Hass und Desinforma­tion, aber auch eine steigende Sensibilit­ät der Bevölkerun­g für diese beiden Phänomene“sind für den Direktor der Landesanst­alt für Medien NRW, Tobias Schmid, die zentralen Erkenntnis­se der Umfragen. Er rief dazu auf, „gemeinsam zu handeln, um diesem Eindruck einer destruktiv­en Debattenku­ltur im Netz entgegenzu­wirken“.

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