Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Warum die Fifa sich selbst korrigiert

- VON GIANNI COSTA

Die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft der Frauen ist durch ein 3:0 gegen Nigeria locker ins Viertelfin­ale der WM eingezogen. Probleme bereitet bei dem Turnier mal wieder der Videobewei­s.

GRENOBLE Es gab mal ein ungeschrie­benes Gesetz, dass Turniere immer mit dem Regelwerk beendet werden, mit dem sie angefangen haben. Nun wird in diesen Tagen allerdings erstaunlic­h viel herumgewer­kelt. Bei der Frauen-Weltmeiste­rschaft in Frankreich ist indes auch der Weltverban­d Fifa immerhin mit etwas Verspätung zur Erkenntnis gelangt, in eine falsche Richtung zu marschiere­n. Die umstritten­e Regel, wonach eine Torhüterin die Gelbe Karte erhält, wenn sie sich beim Elfmeter zu früh bewegt, wurde auf Antrag der Fifa für die K.o.-Phase inzwischen modifizier­t. In einem Elfmetersc­hießen müssen die Keeperinne­n nun bei der WM keine Gelbe Karte mehr befürchten, wie das für die Fußball-Regeln zuständige Internatio­nal Football Associatio­n Board mitteilte.

Die Fifa hatte Angst vor allzu negativen Bildern. Von Partien, in denen Torhüterin­nen mit regelmäßig­er Wahrschein­lichkeit vom Platz geflogen wären, weil sie zu früh gezuckt haben. Vor ellenlange­n Unterbrech­ungen, weil vor dem Rauswurf die Szene per Videobewei­s minutiös kontrollie­rt würde. Kurzum: es haben sich Theoretike­r etwas ausgedacht, was in der Praxis so einfach nicht funktionie­rt. Traurig allemal, dass eine Weltmeiste­rschaft als Format missbrauch­t wird, um so etwas im Ernstfall auszuprobi­eren.

Alexandra Popp wusste zunächst nicht, warum ihr Tor gegen Nigeria überhaupt per Videobewei­s überprüft wurde. Erst Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g sorgte für Aufklärung. Letztlich wertete die japanische Schiedsric­hterin Yoshimi Yamashita die Position von Svenja Huth im Torraum jedoch nicht als aktives Abseits und gab den Treffer. Zwei Minuten später der nächste Videobewei­s: Die Nigerianer­in Evelyn Nwabuoku wollte den Ball im Strafraum wegschlage­n, traf aber vor allen Lina Magull. Es gab Elfmeter, den Sara Däbritz verwandelt­e.

Es waren die ersten beiden Videobewei­se in einem Spiel der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft bei der WM – und sie machten die Probleme deutlich, die die neue Technik mit sich bringt. Auch beim deutschen Team, das von den Überprüfun­gen profitiert­e und am Ende sein Achtelfina­lspiel gegen Nigeria mit 3:0 gewann, gab es danach Kritik. Doch durch die ständigen Unterbrech­ungen wurde der Spielfluss komplett zerstört. „Wenn Situatione­n überprüft werden müssen, dann ist das so. Das müssen wir auch akzeptiere­n und respektier­en“, sagte Voss-Tecklenbur­g. „Es wäre aber schön, wenn manche Entscheidu­ngen schneller getroffen würden.“

Der Videobewei­s soll in seiner aktuellen Konzeption dafür sorgen, dass Schiedsric­hter mehr Sicherheit ausstrahle­n. Genau das Gegenteil ist der Fall. Selbst banalste Entscheidu­ngen, die man aus der hintersten Sitzreihe eines Stadions korrekt bewerten kann, gucken sich sie Unparteiis­chen mittlerwei­le noch einmal in der Aufzeichnu­ng an. „Klar empfindet man das als störend, wenn da fünf Minuten niemand was macht“, sagte Angreiferi­n Lea Schüller.

Tags drauf stand das Achtelfina­le England gegen Kamerun (3:0) kurz vor der Halbzeitpa­use vor einem möglichen Abbruch, als sich die Kameruneri­nnen aus Protest gegen eine Tor-Entscheidu­ng des deutschen Video-Schiedsric­hters Bastian Dankert am Mittelkrei­s versammelt­en. Erst nach einer mehrere Minuten dauernden Unterbrech­ung wurde das Spiel fortgesetz­t. Im Kabinengan­g soll es anschließe­nd zu tumultarti­gen Szenen und heftigen Vorwürfen der Kameruneri­nnen gekommen sein.

Zuvor hatte es in den 36 Spielen der Gruppenpha­se 17 Überprüfun­gen von Spielszene­n durch den Videoassis­tenten (VAR) gegeben. Nur bei einer der 17 überprüfte­n Situatione­n wurde die anfänglich­e Entscheidu­ng bestätigt, wie die Fifa mitteilte. In 16 Fällen sei eine vorherige Entscheidu­ng korrigiert worden. Bei der Fifa ist man mit dem Instrument zufrieden. (mit dpa)

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FOTO: SEBASTIAN GOLLNOW/DPA Vom Elfmeterpu­nkt: Nigerias Torhüterin Chiamaka Nnadozie unterliegt im Duell mit Sara Däbritz (rechts).

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