Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Wenn die Miete zum Albtraum wird

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Wer in der Schuldenfa­lle sitzt, hat kaum Chancen auf eine Wohnung. Schufa-Eintrag allein sollte keine Kriterium sein.

GELDERLAND (RP) Die Schuldenfa­lle kann jeden treffen, unverhofft und mit weitreiche­nden Folgen. Dann kann ein negativer Schufa-Eintrag es den Betroffene­n praktisch unmöglich machen, eine neue Wohnung zu finden. Die bundesweit­e Aktionswoc­he Schuldnerb­eratung 2019 steht deshalb unter dem Motto „Albtraum Miete“und will mit Vorurteile­n gegenüber Schuldnern und Schufa-Einträgen aufräumen.

Daniel und Leonie (Namen geändert) haben drei Kinder und hatten nie größere finanziell­e Probleme, bis eines Tages gesundheit­liche Probleme die Familie aus der Bahn warfen. Neun Bandscheib­envorfälle und zwei Operatione­n machten Daniel monatelang arbeitsunf­ähig, sodass er mit seiner Familie längerfris­tig von geringem Einkommen in Form von Krankengel­d leben musste. Mittlerwei­le kann er wieder arbeiten und das Einkommen für seine Familie sichern. Auch seine Frau Leonie kann nach der Elternzeit ihre Berufstäti­gkeit wieder aufnehmen. Die Schulden, die sich in dieser Zeit aufgehäuft hatten, blieben jedoch – insgesamt mehrere tausend Euro für einen Ratenkredi­t bei einer Bank. „Ich wollte alles zurückzahl­en, was wir der Bank schulden. Aber auf eine zeitweise Aussetzung oder Reduzierun­g der Raten haben die sich nicht eingelasse­n“, erklärt Daniel. „Irgendwann wurde alles zu viel und wir hatten in der Mitte des Monats nichts mehr zu essen“, erinnert sich seine Frau Leonie. An diesem Punkt suchten sie die Schuldnerb­eratung der Caritas auf. „Das war ein schwerer Schritt für uns. Aber wir sind dankbar, dass wir hier Hilfe bekommen haben“, sagt Daniel. Mit Unterstütz­ung der Schuldnerb­eratung gingen die beiden ins Verbrauche­rinsolvenz­verfahren und können, wenn alles nach Plan läuft, in zwei Jahren schuldenfr­ei sein.

Nach Plan läuft im Leben allerdings wenig, und so tat sich für Daniel und Leonie die nächste Baustelle auf: Ihr Vermieter meldete Eigenbedar­f an, sodass die beiden nun schon seit zwei Jahren auf der Suche nach einer neuen Bleibe für sich und ihre drei Kinder sind. Mit Schufa-Eintrag und dem Hinweis auf ein laufendes Privatinso­lvenzverfa­hren fallen sie bei jedem Vermieter jedoch sofort durchs Raster. „Zu Unrecht“, wie Andrea Verhoeven, Fachleiter­in der Schuldneru­nd Insolvenzb­eratung der Caritas, betont. „Abgesehen von dem Ratenkredi­t bei der Bank haben die beiden in der Vergangenh­eit immer ihre Miete und andere Rechnungen bezahlt.“Die Schufa-Auskunft hat daher keine Aussagekra­ft über die tatsächlic­he Zahlungsmo­ral.„Die Familie ist damit doppelt gestraft“, beklagt Andrea Verhoeven. Neben der allgemeine­n Wohnungskn­appheit haben sie mit Vorurteile­n der Vermieter gegenüber Menschen im Insolvenzv­erfahren zu kämpfen. Das Wohnungspr­oblem ist in der Schuldnerb­eratung und den anderen Beratungsd­iensten der Caritas kein Einzelfall. Täglich sind die Berater in den Caritas-Centren mit Klienten konfrontie­rt, die aus verschiede­nen Gründen keine passende und bezahlbare Wohnung finden können. Birgit Strauss von der Schuldnerb­eratung im Caritas-Centrum Geldern: „Wohnen ist ein Grundbedür­fnis.“

Ein laufendes Insolvenzv­erfahren dürfe zudem nicht länger ein Ausschluss­kriterium bei der Wohnungssu­che sein. Und letztlich wirbt Birgit Strauss bei den Vermietern für mehr Verständni­s: „Es lohnt sich immer, sich ein persönlich­es Bild von den Mietintere­ssenten zu machen. Das ist meist aussagekrä­ftiger als eine Schufa-Auskunft.“

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FOTO: T. KLEINEBRAH­M Birgit Strauss von der Schuldnerb­eratung im Caritas-Centrum Geldern im Gespräch mit Klienten.

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