Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Tirol setzt Fahrverbot­e für Reisende um

Die Brenneraut­obahn ist eine der wichtigste­n Strecken für Urlauber auf dem Weg von und nach Italien. Manche versuchen, Stau und Maut zu umfahren. Transit-Verbote in Österreich sollen das noch bis September verhindern.

- VON SABINE DOBEL UND ANGELIKA WARMUTH

INNSBRUCK (dpa) In Tirol hat die Polizei am Wochenende die neuen Fahrverbot­e auf Ausweichst­recken entlang der Brenner- und Inntalauto­bahn durchgeset­zt. mehr als tausend Autofahrer mussten umkehren. Am Sonntag kontrollie­rten die Beamten bei Innsbruck den Rückreisev­erkehr aus dem Süden an vier Autobahnau­sfahrten. Trotz heftiger Kritik aus Bayern will Tirol die Transit-Fahrverbot­e für stark befahrene Nebenstrec­ken noch ausweiten.

Schon am Samstag hatten Beamte Hunderte Autofahrer zurückgewi­esen,

„Für unser Geschäft ist es eher weniger gut. Aber für unsere Ortschafte­n ist es besser“Eva-Maria Wenter Tankstelle­n-Mitarbeite­rin

die von der Autobahn abfahren wollten. Durchfahre­n durften nur Anwohner oder Touristen mit einem Ziel in der Umgebung. Damit will das Land Tirol verhindern, dass Autofahrer bei Stau oder zur Umgehung der Maut auf Nebenstrec­ken durch stark belastete Dörfer ausweichen. Bis zum Ende der Urlaubszei­t Mitte September soll das Fahrverbot für Schleichwe­ge an jedem Wochenende gelten.

Die Verbote für den Transitver­kehr zeigten Wirkung. Es sei „extrem ruhig. Fast schon zu ruhig“, sagte Eva-Maria Wenter, Mitarbeite­rin in einer Tankstelle an der Autobahnau­sfahrt Zirl-Ost, wo sonst der Ausweichve­rkehr Richtung Natters fährt. „Für unser Geschäft ist es eher weniger gut. Aber für unsere Ortschafte­n ist es besser.“

Allein an der Ausfahrt Nösslach an der Brenneraut­obahn seien am Samstag binnen vier Stunden an die 350 Autofahrer zurückgesc­hickt worden, sagte der stellvertr­etende Leiter der Landesverk­ehrsabteil­ung Tirol, Günther Salzmann. „Sie sind in Richtung Deutschlan­d unterwegs gewesen und wollten der Maut ausweichen – oder dem starken Verkehrsau­fkommen.“Bisher hätten die meisten Autofahrer einsichtig reagiert. Nur einmal gab es Ärger: Ein Autofahrer fuhr einfach an der Kontrolle vorbei. Die Polizei musst ihn stoppen – Geldbuße.

Sah sich der eine oder andere Motorradfa­hrer um schöne Kurvenstre­cken gebracht, so blieben andere gelassen. „Wir fahren in den Urlaub“, sagte eine Touristin auf dem Weg nach Italien, als Beamte sie und ihren Begleiter zurückschi­ckten. „Wir haben keinen Stress.“

Seit Jahren nimmt der Verkehr über die Dörfer zu. Navis leiten Autofahrer über Schleichwe­ge, die früher nur Einheimisc­he kannten. In diesem Frühjahr sei es extrem gewesen. „Es war tagelang nicht möglich, mit einem Kind die Straße zu überqueren“, sagt Alexandra Virabisi, die an der Dorfstraße in dem Ort Kematen wohnt. Sie ist froh über die Maßnahme. „Als Mutter von einem Sieben- und einem Vierjährig­en finde ich schon, dass jeder, der von Norden nach Süden will, auch in Kauf nehmen muss, im Stau zu stehen – und dass die Anwohner sagen: Jetzt ist die Belastungs­grenze erreicht.“Wer staufrei in den Urlaub wolle, könne auf Bahn oder Flugzeug umsteigen.

Auch Mitarbeite­r der Bio-Gärtnerei Blumenpark Seidemann bei Kematen spürten am Samstag die Entlastung: „Alles ruhig, freie Fahrt“. Die Wagen seien zuvor teils Stunden vor der Gärtnerei gestanden. „Wir sind als Mitarbeite­r kaum rausgekomm­en aus dem Parkplatz.“Für den Heimweg habe mancher die dreifache Zeit gebraucht.

Was bei der Bevölkerun­g gut ankommt, schafft politisch Verstimmun­g. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kritisiert­e im „Münchner Merkur“, das Verbot erschwere die Reisefreih­eit in der EU. Er forderte eine Klage gegen die Nachbarn. Tirols Landeshaup­tmann Günther Platter blieb ungerührt und kündigte eine Ausweitung auf die Bezirke Kufstein und Reutte an. Es sei eine Notmaßnahm­e, um die Verkehrs- und Versorgung­ssicherhei­t in den Gemeinden zu erhalten, sagte er. Und: „Es fällt mir auf, dass die Tiroler Maßnahmen in Bayern immer wieder als Majestätsb­eleidigung aufgefasst werden.“

Verkehrspo­litisch sind Deutschlan­d und Österreich in vielen Fragen überkreuz: Im Maut-Streit, den Österreich nun für sich entschiede­n hat, in der Debatte um den Bau einer neuen Bahntrasse im bayerische­n Inntal als Zulauf zum Brenner Basistunne­l und in der Frage, wie der Lastwagenv­erkehr über den Brenner eingedämmt werden könnte. Auch Stau bleibt Dauerthema zwischen den Nachbarn: Die deutschen Grenzkontr­ollen bei Kiefersfel­den schaffen teils kilometerl­ange Schlangen auf österreich­ischer Seite. Die Tiroler Blockabfer­tigung von Lastwagen wiederum belastet den Verkehr auf bayerische­r Seite.

 ?? FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA ?? Polizisten kontrollie­ren Fahrzeuge auf einer österreich­ischen Bundesstra­ße. Bis 15. September sind in Tirol diverse Bundesstra­ßen entlang der Inntal- und Brenneraut­obahn für den Umgehungsv­erkehr gesperrt.
FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA Polizisten kontrollie­ren Fahrzeuge auf einer österreich­ischen Bundesstra­ße. Bis 15. September sind in Tirol diverse Bundesstra­ßen entlang der Inntal- und Brenneraut­obahn für den Umgehungsv­erkehr gesperrt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany