Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Zahl der Flüchtlinge auf griechischen Inseln steigt stark
Über die Ägäis kommen wieder mehr Menschen in das EU-Land. Will die Türkei Druck auf die Europäische Union machen?
ATHEN Nach Angaben der Uno sind zwischen Januar und Juli dieses Jahres 17.842 Flüchtlinge und Migranten von der türkischen Küste zu den griechischen Inseln gekommen. Das waren zehn Prozent mehr als im vergleichbaren Vorjahreszeitraum. Seit einigen Wochen steigt die Zahl aber sehr stark an. Kamen im Juni 3122 Menschen an, waren es im Juli bereits 4972. Allein in der ersten August-Woche wurden 1570 Ankömmlinge gezählt – mehr als dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum, als 479 Schutzsuchende zu den Inseln kamen. Und der Andrang wächst weiter: Am vergangenen Donnerstag erreichten sieben Schlauchboote mit 297 Menschen die griechischen Inseln Lesbos und Chios. Am Freitag kamen weitere sieben Boote mit 325 Insassen nach Lesbos, am Sonntag erneut mehr als 160 Migranten.
Die Mehrzahl der Menschen kommt aus Afghanistan, gefolgt von Syrern und Migranten aus der Republik Kongo. Ein Drittel der Schutzsuchenden sind Kinder. Jedes zweite Kind ist unbegleitet, also ohne mitreisende Erwachsene. In den Insellagern, wo die Neuankömmlinge auf ihre Registrierung und die Bearbeitung ihrer Asylanträge warten müssen, herrschen katastrophale Zustände. Die Unterkünfte auf den Inseln sind für knapp 9000 Personen ausgelegt. Tatsächlich hausen dort aber aktuell rund 22.700 Menschen. Die Bearbeitung der Asylanträge kann Jahre dauern.
Die seit Juli amtierende konservative Regierung in Athen hat zwar versprochen, die Zustände in den Lagern zu verbessern. Die Überfüllung nimmt aber zu. Der für die Migrationspolitik zuständige Vizeminister Giorgos Koumoutsakos führt den wachsenden Andrang nicht nur auf die günstigen Wetterbedingungen in der östlichen Ägäis zurück. In einem Interview mit der BBC verwies Koumoutsakos auch auf die wachsenden Spannungen im Verhältnis der Türkei zur EU und den USA. Sie sind möglicherweise ein Grund dafür, dass die türkischen Behörden den Schleusern freiere Hand lassen, um politischen Druck auszuüben.
Eine weitere Erklärung könnte sein, dass die türkischen Behörden in jüngster Zeit begonnen haben, Migranten aus Istanbul in die Ostprovinzen umzusiedeln. Gerüchte über bevorstehende Massendeportationen nach Syrien machen die Runde. Viele Migranten versuchen deshalb, sich nach Griechenland abzusetzen.
Migrationsminister Koumoutsakos will die Lager auf den Ägäisinseln jetzt dadurch entlasten, dass er die Asylverfahren beschleunigt und abgelehnte Bewerber zügig in die Türkei zurückschickt, wie es die Flüchtlingsvereinbarung zwischen der EU und Ankara vorsieht. Die Vorgängerregierung hatte von dieser Möglichkeit seit Inkrafttreten der Vereinbarung im März 2016 nur in weniger als 2000 Fällen Gebrauch gemacht. Offen ist aber, ob die Türkei bei den Rückführungen mitspielt. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte kürzlich gedroht, die Türkei werde die Vereinbarung zur Rücknahme von Migranten aussetzen, wenn die EU den Visazwang für türkische Staatsbürger nicht aufhebe.