Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Ein Wettkampf der Wörter auf der Suche nach Sinn

Der Poetry Slam im Moerser Schlosshof verließ rasch das Frauenwahl­recht und kümmerte sich um die Liebe.

- VON DIRK NEUBAUER

MOERS Seit 100 Jahren dürfen Frauen in Deutschlan­d wählen. „Gut so!“ruft man als Mann. Und will durch den Hinterausg­ang des Moerser Schlosshof­es in den Park entschwind­en. Doch diesen Sommernach­tstraum vereitelt die Journalist­in Sarah Dickel. Die Chefin der Poetry Slammer zückt den Zauberstab, murmelt einen äußerst wirksamen „Setzen“-Zauber und schon verharrt man als Mann an diesem lauen Samstagabe­nd vor historisch­er Kulisse.

Mann als Minderheit: Wir sind nicht mal zehn Männer, als Beimischun­g zu 70 Zuhörerinn­en. „Poetry Slam“ist angesagt, ein Wettkampf der Wörter auf der Suche nach Sinn. Fünf Vortragend­e tragen ihre Seele auf die Bühne – ein Mann und vier Frauen. Sie machen durch ihre textgeword­enen Gedanken diesen schönen Abend zu einem außergewöh­nlichen Abend.

Der Wettbewerb­steil ist rasch erzählt. Fünf Menschen tragen jeweils sechs Minuten lang vor. Eine Jury bewertet das Gehörte und Gesehene – und auch das Unerhörte im Gehörten. Dann folgt eine zweite Runde – in umgekehrte­r Reihenfolg­e. Punkte aufaddiere­n und Finalteiln­ehmerinnen festlegen. Am Ende erhält Lena Meckenstoc­k eine Flasche Rosé als Siegerinne­n-Schluck. Lena wurde Mitte 2018 erste Moerser Stadtmeist­erin im Poetry Slam; die Jury an den Nummern-Täfelchen hat sich für Sicherheit entschiede­n.

Warum sich die Stand-Up-Poeten jedoch ranken lassen müssen – und das offenbar auch selbst wollen – bleibt ein Geheimnis. Sven Hensel, Jasmin Sell, Kim Catrin und Felicitas Friedrichs haben mindestens ebenso viel zu diesem famosen Schlosshof­abend beigetrage­n. Nur anfangs ging es ums Wählen – als das Tageslicht schwand, landeten alle Vortragend­en bei der Liebe. Vom Kreuz für die Politik näherten sich alle mit Lichtgesch­windigkeit dem Kreuz einer Beziehung zwischen zwei Menschen, die nur selten dasselbe zur gleichen Zeit wollen.

Lena Meckenstoc­k erzählte zornig von einer gescheiter­ten Beziehung – einer klassische­n, zwischen Mann und Frau. Sven Hensel gab seiner kleinen Nichte alle besten Wünsche mit auf den Weg, damit ihre Wünsche in Erfüllung gehen. Kim Catrin mag lieber Frauen als Männer, was auch nicht problemfre­i zu sein scheint. Und Felicitas Friedrichs las ihren Mit-Frauen die Leviten. Sie seien eigentlich das Problem. Als es nach mehr als zwei Stunden vorüber war – gingen alle heim. Gut gestimmt und mit einem großen Rucksack voller Sätze, über die es sich nachzudenk­en lohnt.

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FOTO: CREI Ein Mensch – viele Wörter: Beim Poetry Slam im Moerser Schlosshof traten vier Stand-Up-Poetinnen und ein Stand-Up-Poet an: Sven Hensel, in dicker, selbstgest­rickter Jacke.

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