Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Merkel muss auf Putins Einfluss in Nahost hoffen

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Stundenlan­g verhandelt die Kanzlerin mit Russlands Präsidente­n. Sie weiß: Wer in Libyen, Iran oder Syrien etwas erreichen will, kommt an ihm nicht vorbei.

MOSKAU (dpa) Vor dem Hintergrun­d der jüngsten Eskalation im Nahen Osten sind Deutschlan­d und Russland wieder ein kleines Stück enger zusammenge­rückt. Das zeigte sich bei einem Besuch von Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) am Samstag in Moskau. Vor allem bei der Deeskalati­on im Bürgerkrie­gsland Libyen scheinen die Kanzlerin und Kremlchef Wladimir Putin einen Kompromiss finden zu wollen. Während die Atmosphäre bei ihren zurücklieg­enden Treffen eher als frostig wahrgenomm­en wurde, herrschte diesmal eine unerwartet­e Harmonie – wenn auch ohne Herzlichke­it.

Als „umfassend“bezeichnet Merkel das Treffen, Putin nennt es sehr „hilfreich und produktiv“. Sie findet lobende Worte für den Gastgeber in Moskau. Insgesamt dauern die Gespräche in Moskau fast vier Stunden, doppelt so lange wie geplant. Überrasche­nd ist das Treffen besonders, weil die Kanzlerin nur noch selten nach Russland reist. Vor allem seit der russischen Annexion der ukrainisch­en Halbinsel Krim 2014 sind die Besuche rar geworden. Zuletzt war die Kanzlerin 2018 in Sotschi. Damals waren die Ergebnisse deutlich magerer ausgefalle­n als dieses Mal. Die Differenze­n in den bilaterale­n Beziehunge­n, wie etwa die schwierige­n Ermittlung­en im Berliner Mordfall an einem Georgier, hinter dem russische Geheimdien­ste vermutet werden, oder der Konflikt in der Ostukraine wurden diesmal ausgespart.

Was hat zu der Annäherung beigetrage­n? Möglicherw­eise die Unberechen­barkeit von US-Präsident Donald Trump. Er hat seine Bündnispar­tner zuletzt mit überrasche­nden Militärakt­ionen und dem Vorschlag, Nahost-Staaten in die Nato aufzunehme­n, vor den Kopf gestoßen. Die knallharte Machtpolit­ik, die Russlands Präsident in Syrien, in Libyen und in der Ostukraine verfolgt, hält Merkel zwar für falsch – Putin ist für sie aber immerhin besser einschätzb­ar.

Merkel ist auch deshalb nach Moskau gekommen, um sich Unterstütz­ung zu holen, die von den Amerikaner­n fehlt. Zudem hat das Wort des Kremlchefs Gewicht im Nahen Osten. So bemüht sich die Bundesregi­erung seit Monaten um eine politische Lösung für Libyen, wo seit dem Sturz des Langzeithe­rrschers Muammar al Gaddafi 2011 Chaos herrscht. Jetzt hat sie Rückendeck­ung von Moskau. Putin, der auf der Seite des einflussre­ichen Generals Chalifa Haftar steht, welcher gegen die internatio­nal anerkennte libysche Regierung kämpft, versprach, die geplante internatio­nale Berliner Konferenz für eine Friedenslö­sung zu unterstütz­en. Merkel warnte vor überzogene­n Erwartunge­n. Sie räumte ein: „Eine solche Berliner Konferenz kann nur der Auftakt sein für einen längeren

Prozess.“Die Konferenz solle unter der Führung der Uno zustandeko­mmen. Wenn Putin Haftar wirklich nach Berlin bringt, könnte dies möglicherw­eise der Start für echte Friedensge­spräche sein.

Auch bei den Konflikten rund um Iran und Syrien sieht man sich in Berlin auf Putins Gnade angewiesen. So hatte sich nach wochenlang­er Blockade Russlands der UN-Sicherheit­srat in letzter Minute auf die Offenhaltu­ng von Hilfswegen nach Syrien geeinigt – allerdings nur auf solche, die von Russlands Schützling Assad kontrollie­rt werden.

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