Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Kalenderblatt
13.01.1991
Lothar Späth tritt zurück
Die Bürger von Baden-Württemberg hatten schon einmal einen Skandal erlebt, der den Ministerpräsidenten gestürzt hatte. 1978 war bekannt geworden, dass Hans Filbinger (CDU) in den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs als Anwalt oder Richter an mehreren Todesurteilen der NS-Justiz beteiligt gewesen war. Der vierte Ministerpräsident des Landes musste nach zwölf Jahren im Amt gehen. Sein Nachfolger wurde Lothar Späth, damals Innenminister und Vorsitzender der CDU-Fraktion im Landtag. Auch Späth blieb zwölf Jahre lang Ministerpräsident. Er konnte bei den Wahlen 1980, 1984 und 1988 jeweils die absolute Mehrheit für die CDU verteidigen und galt als Motor der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Dann jedoch stürzte er wie sein Vorgänger über einen Skandal: Es ging um Reisen und den Verdacht der Vorteilsnahme. Späth wurde vorgeworfen, er habe sich über die Jahre Hunderte Reisen – darunter auch Privaturlaube – von Unternehmen bezahlen lassen. Am 13. Januar 1991 trat Lothar Späth im Zuge der so genannten „Traumschiff-Affäre“zurück. Sein Nachfolger wurde Erwin Teufel. Ein Untersuchungsausschuss sollte die Affäre aufklären, wurde aber zunächst von CDU und FDP verhindert. Erst durch eine Klage vor dem Staatsgerichtshof kam der Ausschuss zustande. Die Ermittlungen gegen Späth wegen Bestechlichkeit und Vorteilsnahme wurden jedoch eingestellt. Späth ging nach dem Ende seiner politischen Karriere in die Privatwirtschaft. Er wurde Geschäftsführer des Technologiekonzerns Jenoptik und führte das ehemalige DDR-Unternehmen 1998 an die Börse.