Rheinische Post - Geldern an Kevelaer
Neuer Streit um alte Schulden
Union und SPD sind auf Konfrontationskurs in der Frage, ob der Bund einen Teil der Kassenkredite notleidender Städte schultern soll.
BERLIN Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat seine Pläne verteidigt, Schulden besonders belasteter Kommunen durch den Bund und die Länder zu tilgen. „Bei der Altschulden-Initiative geht es um einen großzügigen Akt der Solidarität“, sagte Scholz unserer Redaktion. Man spreche von etwa 2500 Städten und Gemeinden zumeist in Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die von so hohen Schulden gedrückt würden, dass sie kaum mehr Luft zum Atmen hätten.
„Gemeinsam mit den betroffenen Ländern möchte ich diesen Kommunen die Schulden einmalig abnehmen. Dann hätten sie wieder den Freiraum, selbstständig zu handeln“, sagte Scholz. Er appellierte an die Solidarität der nicht betroffenen Länder: „Die Solidarität, von der ich spreche, ist anders gemeint: Wenn man 2500 von mehr als 11.000 Kommunen helfen möchte, damit dort wieder Schulen, Kitas und Schwimmbäder saniert oder neu gebaut werden können, geht das nur, wenn es keine Eifersucht gibt.“
Rückendeckung erhielt Scholz von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich. „In den kommenden Wochen müssen wir über die Regelung der Altschulden, die etwa 3000 Kommunen in Deutschland betrifft, ernsthaft sprechen“, sagte Mützenich auf Anfrage. Damit widersprach er Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU), der in der Sache die Länder und nicht den Bund für zuständig erklärte. „Das Problem auf die Bundesländer abzuwälzen, wird weder der Bedeutung noch den Verabredungen im Koalitionsvertrag und in der Bundesregierung
gerecht“, sagte Mützenich.
Die SPD nehme die Verantwortung des Bundes für gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land sehr ernst. „Dafür müssen wir gerade strukturschwache Regionen in die Lage versetzen, dauerhaft wieder mehr investieren zu können.“Verschuldete Kommunen dürften in den bevorstehenden Umbrüchen nicht erneut ins Hintertreffen geraten, sagte der SPD-Politiker. „Ich erwarte, dass sich die besonders betroffenen Länder um einen politischen Konsens bemühen“, so Mützenich. „Ein klares Wort des Ministerpräsidenten aus Nordrhein-Westfalen steht bisher aus. Das ist jetzt an der Zeit.“
Von der Union wird genau das auch zum Vorwurf an die Adresse der SPD gemacht. „Die Pläne des Bundesfinanzministers kenne ich nur aus Spekulationen in den Medien“, erklärt der CDU-Abgeordnete Christian Haase aus Höxter, der zugleich der Kommunalpolitischen Vereinigung von CDU und CSU vorsteht. „Man bemüht sich also auch nicht um eine Diskussion mit den Regierungsfraktionen“, kritisiert Haase. Auch er stellt klar: „Die von hohen Altschulden betroffenen Kommunen sind in einer Lage, aus der sie sich nicht allein befreien können.“
Zugleich sieht Haase aber „nach wie vor die Länder in der Pflicht, für eine aufgabenangemessene auskömmliche Finanzausstattung ihrer Kommunen zu sorgen“. Der neue Länderfinanzausgleich versetze sie in die Lage, ihrer Aufgabe nachzukommen. Für Haase stellt sich die Frage, wie viel von dem Geld, das der Bund den Ländern für die Sozialkosten
zur Verfügung gestellt hat, bei den Kommunen angekommen ist.
Zwischen den beiden Positionen bewegt sich Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städteund Gemeindebundes. Er verweist auf ein neues Beispiel für die Ursache eines Teils der finanziellen Schieflage. So könnten sich die Angehörigen darauf einstellen, dass sie erst ab einem Brutto-Jahresverdienst von 100.000 Euro für die Pflegekosten ihrer Eltern aufkommen müssen. „Das entlastet die Betroffenen, belastet aber die Kommunen mit mehreren Hundert Millionen pro Jahr, ohne dass eine Kompensation vorgesehen wurde“, klagt Landsberg. Sein Vorschlag läuft auf eine Fondslösung hinaus, mit der die Altschulden abgelöst werden können und bei der der Bund und die betroffenen Länder die Zinslast tragen. „Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld ist die Situation für eine solche Lösung günstig wie nie zuvor“, gibt Landsberg zu bedenken.