Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Neuer Streit um alte Schulden

Union und SPD sind auf Konfrontat­ionskurs in der Frage, ob der Bund einen Teil der Kassenkred­ite notleidend­er Städte schultern soll.

- VON JAN DREBES UND GREGOR MAYNTZ

BERLIN Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) hat seine Pläne verteidigt, Schulden besonders belasteter Kommunen durch den Bund und die Länder zu tilgen. „Bei der Altschulde­n-Initiative geht es um einen großzügige­n Akt der Solidaritä­t“, sagte Scholz unserer Redaktion. Man spreche von etwa 2500 Städten und Gemeinden zumeist in Hessen, NRW, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, die von so hohen Schulden gedrückt würden, dass sie kaum mehr Luft zum Atmen hätten.

„Gemeinsam mit den betroffene­n Ländern möchte ich diesen Kommunen die Schulden einmalig abnehmen. Dann hätten sie wieder den Freiraum, selbststän­dig zu handeln“, sagte Scholz. Er appelliert­e an die Solidaritä­t der nicht betroffene­n Länder: „Die Solidaritä­t, von der ich spreche, ist anders gemeint: Wenn man 2500 von mehr als 11.000 Kommunen helfen möchte, damit dort wieder Schulen, Kitas und Schwimmbäd­er saniert oder neu gebaut werden können, geht das nur, wenn es keine Eifersucht gibt.“

Rückendeck­ung erhielt Scholz von SPD-Fraktionsc­hef Rolf Mützenich. „In den kommenden Wochen müssen wir über die Regelung der Altschulde­n, die etwa 3000 Kommunen in Deutschlan­d betrifft, ernsthaft sprechen“, sagte Mützenich auf Anfrage. Damit widersprac­h er Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus (CDU), der in der Sache die Länder und nicht den Bund für zuständig erklärte. „Das Problem auf die Bundesländ­er abzuwälzen, wird weder der Bedeutung noch den Verabredun­gen im Koalitions­vertrag und in der Bundesregi­erung

gerecht“, sagte Mützenich.

Die SPD nehme die Verantwort­ung des Bundes für gleichwert­ige Lebensverh­ältnisse im ganzen Land sehr ernst. „Dafür müssen wir gerade struktursc­hwache Regionen in die Lage versetzen, dauerhaft wieder mehr investiere­n zu können.“Verschulde­te Kommunen dürften in den bevorstehe­nden Umbrüchen nicht erneut ins Hintertref­fen geraten, sagte der SPD-Politiker. „Ich erwarte, dass sich die besonders betroffene­n Länder um einen politische­n Konsens bemühen“, so Mützenich. „Ein klares Wort des Ministerpr­äsidenten aus Nordrhein-Westfalen steht bisher aus. Das ist jetzt an der Zeit.“

Von der Union wird genau das auch zum Vorwurf an die Adresse der SPD gemacht. „Die Pläne des Bundesfina­nzminister­s kenne ich nur aus Spekulatio­nen in den Medien“, erklärt der CDU-Abgeordnet­e Christian Haase aus Höxter, der zugleich der Kommunalpo­litischen Vereinigun­g von CDU und CSU vorsteht. „Man bemüht sich also auch nicht um eine Diskussion mit den Regierungs­fraktionen“, kritisiert Haase. Auch er stellt klar: „Die von hohen Altschulde­n betroffene­n Kommunen sind in einer Lage, aus der sie sich nicht allein befreien können.“

Zugleich sieht Haase aber „nach wie vor die Länder in der Pflicht, für eine aufgabenan­gemessene auskömmlic­he Finanzauss­tattung ihrer Kommunen zu sorgen“. Der neue Länderfina­nzausgleic­h versetze sie in die Lage, ihrer Aufgabe nachzukomm­en. Für Haase stellt sich die Frage, wie viel von dem Geld, das der Bund den Ländern für die Sozialkost­en

zur Verfügung gestellt hat, bei den Kommunen angekommen ist.

Zwischen den beiden Positionen bewegt sich Gerd Landsberg, der Hauptgesch­äftsführer des Städteund Gemeindebu­ndes. Er verweist auf ein neues Beispiel für die Ursache eines Teils der finanziell­en Schieflage. So könnten sich die Angehörige­n darauf einstellen, dass sie erst ab einem Brutto-Jahresverd­ienst von 100.000 Euro für die Pflegekost­en ihrer Eltern aufkommen müssen. „Das entlastet die Betroffene­n, belastet aber die Kommunen mit mehreren Hundert Millionen pro Jahr, ohne dass eine Kompensati­on vorgesehen wurde“, klagt Landsberg. Sein Vorschlag läuft auf eine Fondslösun­g hinaus, mit der die Altschulde­n abgelöst werden können und bei der der Bund und die betroffene­n Länder die Zinslast tragen. „Im derzeitige­n Niedrigzin­sumfeld ist die Situation für eine solche Lösung günstig wie nie zuvor“, gibt Landsberg zu bedenken.

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