Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Die neue SPD-Spitze hadert mit der Lust am Wandel

Ende Januar ist der nächste Koalitions­ausschuss. Die SPD will dann Pflöcke für ein klareres Profil einschlage­n – ohne das Bündnis zu gefährden.

- VON JAN DREBES

BERLIN Bevor die neuen SPD-Vorsitzend­en Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am 29. Januar im Kanzleramt in die Verhandlun­gen mit der Union einsteigen werden, brauchen sie einen Plan. Einen Kompass, der zeigen soll, wie sie CDU und CSU vor sich hertreiben können. Grobe Richtung links. Doch bislang sind die beiden vor allem damit beschäftig­t, die eigene Mannschaft zusammenzu­bringen. Ein zweitägige­s Treffen der engeren Parteiführ­ung sollte dem dienen.

Am Sonntag und Montag trafen sich die Vorsitzend­en mit ihren fünf Stellvertr­etern, dem Generalsek­retär und Schatzmeis­ter, dem Europabeau­ftragten und am Montag auch noch mit Vizekanzle­r Olaf Scholz und Fraktionsc­hef Rolf Mützenich. Inhaltlich­e Beschlüsse wurden nicht gefasst, doch das Ziel war ohnehin ein anderes: Ein Team formen, schlagkräf­tig werden.

Denn seit dem Parteitag, der Esken und Walter-Borjans ins Amt wählte und auch das Präsidium fast vollständi­g neu aufstellte, wird im Willy-Brandt-Haus improvisie­rt. Da treffen die Lust am Wandel und der Tatendrang neuer Köpfe, die mit Verspreche­n aus 23 Regionalko­nferenzen im Gepäck ins Büro einzogen, auf ein lückenhaft­es Organigram­m und die Betriebsam­keit der regierende­n Bundesmini­ster. Erst am Montag wird mit Ingrid Herden die neue Parteispre­cherin ihre Arbeit aufnehmen, die bislang für Düsseldorf­s Oberbürger­meister Thomas Geisel (SPD) kommunizie­rte. Sie ist eine Vertraute von Walter-Borjans.

Wie wichtig dieser Posten ist, zeigt sich am Dilemma der SPD. Da zeichnet eine Partei für viele wesentlich­e Erfolge der großen Koalition verantwort­lich, wird in Umfragen oder bei Wahlen aber nicht dafür belohnt. Auch weil sie selbst stets den Eindruck erweckte, als sei sie mit den Kompromiss­en der Regierung nicht zufrieden. Zugleich kann die SPD nur in der Regierung etwas für den Klimaschut­z bewegen, die wichtige EU-Ratspräsid­entschaft in diesem Jahr beeinfluss­en und soziale Projekte wie die Grundrente durchsetze­n. Das wissen Esken und Walter-Borjans. Sie wollen deswegen der Union beim Klimapaket, Mindestloh­n und staatliche­n Investitio­nen Zugeständn­isse abringen, ohne die Koalition ernsthaft zu gefährden.

Unterstütz­t werden sie dabei von ihren Vizes, die eigene Ideen einbringen. So etwa von Anke Rehlinger, Wirtschaft­sministeri­n im Saarland. Sie will den Druck für mehr Tariflöhne erhöhen. „Wir müssen den Niedrigloh­nsektor massiv zurückdrän­gen, aber auch dafür sorgen, dass die Löhne insgesamt steigen“, sagte sie unserer Redaktion. Das gehe nicht, solange Unternehme­n aus der Tarifbindu­ng flöhen. „Ich bin dafür, dass Bund, Länder und Kommunen künftig nur noch öffentlich­e Aufträge an Unternehme­n vergeben dürfen, wenn die sich an Tarifbesti­mmungen halten“, sagte sie. Der Staat müsse mit gutem Beispiel vorangehen und dürfe kein Lohndumpin­g durch Steuergeld­er finanziere­n. „Immerhin vergibt der Staat Aufträge für rund 400 Milliarden Euro pro Jahr, das ist eine enorme Marktmacht“, sagte Rehlinger.

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FOTO: DPA Die Parteichef­s Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.

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