Rheinische Post - Geldern an Kevelaer

Aufschrei von Klimaschüt­zern gegen Siemens

Konzernche­f Kaeser begründet die Signaltech­nik-Lieferung für eine Kohlemine mit Vertragstr­eue. Die Proteste gehen weiter.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Siemens-Chef Joe Kaeser hätte wohl anders entschiede­n, wäre es sein eigenes Unternehme­n. Jedenfalls betont er das in einer Mitteilung, in der der Konzern bestätigt, dass er an der umstritten­en Signaltech­nik-Lieferung für eine geplante Kohlemine in Australien festhält. Kaeser räumt auch ein, Siemens hätte in diesem Fall „klüger“sein sollen. Aber die Entscheidu­ng war bereits gefallen als er nach eigenen Angaben davon erfuhr. Dem Druck der Protestbew­egung Fridays for Future, von Grünen-Politikern sowie Umweltschü­tzern in Australien gab er dennoch nicht nach. „Wir müssen unsere vertraglic­hen Verpflicht­ungen erfüllen“, stellte Kaeser klar.

Jetzt setzt der Dax-Riese (Jahresumsa­tz: 86 Milliarden Euro) einen

Auftrag im Volumen von 18 Millionen Euro um – für den Preis, an Ansehen zu verlieren. Denn die Gegner des Projektes werfen dem Konzern, der bis spätestens 2030 klimaneutr­al sein will, ein falsches Signal vor. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte, der Konzern hätte angesichts des relativ kleinen Auftrags Vertragsst­rafen in Kauf nehmen können, weil der „Rufschaden“wesentlich größer ausfallen dürfte. Klimaaktiv­istin Luisa Neubauer sprach von einer „historisch­e Fehlentsch­eidung“. Fridays for Future demonstrie­rte am Montag in mehreren Städten, darunter Düsseldorf, wo aber kaum jemand dem Protestauf­ruf gefolgt war. Auch zur Siemens-Hauptversa­mmlung am 5. Februar soll es Proteste geben.

Unter dem Eindruck der Buschbränd­e in Australien warnen Umweltschü­tzer, die Verbrennun­g der

Kohle aus der australisc­hen Carmichael-Mine in Indien und China werde die Klimaerwär­mung verschlimm­ern. Außerdem würden jährlich 705 Millionen Tonnen Kohlendiox­id durch die Mine ausgestoße­n.

Als eine Konsequenz aus dem umstritten­en Projekt kündigte Kaeser ein „Nachhaltig­keits-Komitee“mit externen Mitglieder­n an. Dieses solle das Recht haben, kritische Projekte zu stoppen. Die Vizepräsid­entin der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW ), Daniela Bergdolt, sagte, der Konzern hätte im vorigen Jahr bei Vertragsun­terzeichnu­ng „schon eine kritischer­e Haltung zu den Umweltfrag­en haben können“. Nun habe Siemens vertragstr­eu bleiben müssen. „Die Klimaschut­zbewegung hat sich mit Siemens bewusst einen prominente­n Namen vorgeknöpf­t. Jetzt hat sie die Weltöffent­lichkeit.“Die harte Kritik treffe aber einen Konzern, der im weltweiten Vergleich bereits eine Vorreiterr­olle einnehme.

Die Präsidenti­n des Wirtschaft­srates der CDU, Astrid Hamker, empörte sich über den Druck in Deutschlan­d auf Siemens. Sie sagte: „Wir können nicht als Deutsche anderen Ländern unsere Haltungen von oben herab in einem neokolonia­listischen Stil aufdrücken.“Kein Land wolle sich von „Besserwiss­ern“vorschreib­en lassen, eigene Bodenschät­ze nicht mehr nutzen zu dürfen. „Oft haben andere Länder auch kaum anderes, um ihrer Bevölkerun­g auch nur geringen Wohlstand zu sichern. Das ist freilich in unserem reichen Land manchen Kindern immer weniger zu vermitteln, weil sie nicht wissen, was Armut bedeutet und worauf auch unser Wohlstand gründet.“

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FOTO: DPA In Hamburg spricht Luisa Neubauer vor dem Siemens-Gebäude.

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